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Luftangriff auf Dschabalia: »Häuser und Menschen verschluckt«
Die Bombardierung von Dschabalia im Norden des Gazastreifens sorgt vor Ort für Entsetzen
Ein tiefer Krater klafft in der Erde, wo vorher noch Gebäude standen. Verzweifelte Menschen suchen in Trümmern nach Überlebenden. Kinder werden geborgen. Nach Darstellung der israelischen Armee galt der Luftangriff einem Drahtzieher des Massakers an israelischen Zivilisten am 7. Oktober. 50 Terroristen seien bei dem Einsatz in Dschabalia getötet worden. Israels Armee kann nach eigenen Angaben noch nicht sagen, wie viele Zivilisten getötet wurden.
In sozialen Medien kursieren sofort schreckliche Bilder von verstümmelten Leichen. Vor dem nahe gelegenen Indonesischen Krankenhaus sind Reihen weißer Leichensäcke zu sehen. Die Klinik wird mit Verletzten überschwemmt.
Die im Gazastreifen herrschende Hamas verschanze sich dort absichtlich hinter ziviler Infrastruktur, sagte Militärsprecher Daniel Hagari vor Journalisten. »Sie wollen dieses Bild der Zerstörung.« Hagari sprach von einem Dilemma für die Armee. Einerseits wisse sie, dass sich in der Gegend noch immer Zivilisten aufhielten – obwohl das Gebiet aufgrund der Präsenz der Hamas als »rote Zone« ausgewiesen sei. Zugleich sei die Aktivität der Hamas in dem Flüchtlingslager für die israelische Armee eine Bedrohung, auf die sie reagieren müsse.
Mohammed al-Aschkar aus Dschabalia erzählt, er habe eine schwere Explosion gehört. Dann habe eine schwarze Wolke die Umgebung verdunkelt. Al-Aschkar, der mit 56 Angehörigen in dem Gebäude wohnt, habe nach seiner Familie gerufen. Einige von ihnen seien verletzt, aber niemand getötet worden. Unter seinen Nachbarn gebe es jedoch Tote. »Als ich aus meinem Wohnhaus kam, das schwer beschädigt wurde, sah ich ein riesiges Loch in der Erde. Es hatte Häuser und Menschen verschluckt.« Seine Familie habe den Norden des Gazastreifens trotz wiederholter Aufrufe der israelischen Armee nicht verlassen, »weil wir dachten, dass Zivilisten nicht angegriffen werden«.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Ein Krankenwagenfahrer erzählt, er habe nach der Explosion Dutzende von Menschen am Boden liegen sehen. Er berichtet von zerfetzten Leichen. Der Mann, der nur seinen Vornamen Mohammed nennen will, wirft Israel ein »Massaker« an Einwohnern Dschabalias vor, »die keine Chance hatten, dem Tod zu entkommen«. Er habe geweint, als er tote und verletzte Kinder gesehen habe, »weil ich an meine Kinder dachte und Angst hatte, dass sie die nächsten Opfer sein könnten«. Der militärische Arm der im Gazastreifen herrschenden Hamas, die Kassam-Brigaden, behauptete, bei dem Luftangriff seien auch sieben Geiseln getötet worden, darunter drei ausländische Staatsbürger. Die Angaben ließen sich jedoch nicht unabhängig überprüfen.
Dschabalia ist nach UN-Angaben das größte Flüchtlingslager im Gazastreifen. Dort leben Menschen, die in Kriegen mit Israel seit 1948 fliehen mussten. Sie werden von dem UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA betreut. Israel hat UNRWA vorgeworfen, es trage zur Verewigung des Konflikts bei. Die israelische Armee hatte sich 2005 vollständig aus dem Gazastreifen zurückgezogen und alle israelischen Siedlungen dort geräumt. Dschabalia ist ein sehr dicht besiedeltes Wohngebiet, aber nicht wie andere Flüchtlingslager durch einen Zaun oder Ähnliches von der Umgebung abgetrennt.
Der israelische Militärsprecher Hagari beschrieb am Mittwoch die Hintergründe des Luftangriffs in Dschabalia während eines Bodeneinsatzes im Gazastreifen. »Aus einem mehrstöckigen Gebäude im Bereich Dschabalia haben Terroristen unsere Truppen beschossen«, sagte Hagari. Wie im Fall vieler anderer Gebäude hätten Terroristen der im Gazastreifen herrschenden Hamas dieses Haus nahe einer Schule, eines medizinischen Zentrums und Regierungsbehörden als Zufluchtsort genutzt.
Die Terroristen seien durch einen Luftangriff ausgeschaltet worden. Dabei handele es sich um den Hamas-Kommandanten Ibrahim Biari, ein mutmaßlicher Drahtzieher des Massakers an Zivilisten in Israel vom 7. Oktober. Biari sei zuständig gewesen »für den Bereich, aus dem viele der Terroristen zum Massaker am 7. Oktober aufbrachen«, sagte Hagari. Er habe sich am Dienstag gemeinsam mit Dutzenden anderen Terroristen in einem Kommandozentrum in Dschabalia aufgehalten. Dies umfasse auch unterirdische Tunnel unter Gebäuden mit Zivilbevölkerung. Die Hamas bestätigte den Tod von Biari zunächst nicht, Augenzeugen berichteten jedoch, er sei bei dem Angriff getötet worden. Die Hamas veröffentlicht die Namen ihrer getöteten Mitglieder für gewöhnlich erst nach einem Krieg.
Der Angriff habe zum Einsturz des Gebäude und des darunter liegenden Tunnelsystems geführt, sagte Hagari. Andere Gebäude seien daraufhin ebenfalls zusammengebrochen. Dies zeige einmal mehr »den zynischen Missbrauch von Zivilisten als menschliche Schutzschilde« durch die Hamas. Es sei von Hamas-Chef Jihia al-Sinwar beabsichtigt, das Bild eines zerstörten Gazas zu zeigen und Israel verantwortlich zu machen für das Leid. »Sie werden die echten Schuldigen nicht verbergen können, und zwar sie selbst, die Verderben über Gaza gebracht haben.« Nach jüngsten Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums in Gaza wurden seit Kriegsbeginn 8796 Palästinenser getötet. Die Mehrheit davon seien Frauen und Kinder. Mehr als 22 000 Menschen seien verletzt worden. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Angesichts des Leids der Zivilbevölkerung mehren sich die Aufrufe zu einer Waffenruhe. Doch Israel lehnt dies als Kapitulation vor der Hamas ab. dpa/nd
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