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Propalästinensischer Protest in Berlin: Tausende für Waffenruhe
Die propalästinensische Großdemonstration in Berlin blieb weitgehend friedlich
»Free, free Palestine!«, »Freiheit für Gaza!« und »Viva, viva, Palästina!«. Diese Sprechchöre hallten am Samstagnachmittag durch die Häuserschluchten von Berlin-Mitte. Mehrere Tausend Menschen nahmen an der propalästinensischen Demonstration unter dem Motto »Free Palestine will not be cancelled« teil. Die Schätzungen gingen dabei weit auseinander: Während die Veranstalter*innen von 40 000 bis 50 000 Menschen reden, spricht die Polizei von 9000 Teilnehmenden.
Der Protest startete vor dem Roten Rathaus und endete am Potsdamer Platz. Dabei bleib es weitgehend friedlich. Laut Polizei kam es zu 68 Festnahmen und 36 Anzeigen, unter anderem wegen des Verdachts der Volksverletzung, der Billigung von Straftaten, wegen Widerstandes gegen und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung und versuchter Gefangenenbefreiung sowie der Einleitung von zwei Ordnungswidrigkeitsverfahren.
Familien mit Kindern, die eine Kufiya am Kinderwagen befestigt haben; ältere weiße Deutsche, die man ohne Plakat für Passant*innen halten würde, so unpolitisch sehen sie aus; jüngere Expats, also Menschen ohne Deutsche Staatsangehörigkeit, die sich auf englisch oder spanisch unterhalten; Teile der antirassistischen Bewegung Berlins, die im Nahost-Konflikt einen dekolonialen Kampf erkennen; aktionsorientierte Linke, die in ihren schwarzen Anoraks auf Eskalation zu warten scheinen; und migrantische junge Erwachsene, die Palästina-Flaggen schwenken. Die Teilnehmer*innen, die sich am frühen Samstagnachmittag rund um den Neptunbrunnen versammeln, könnten unterschiedlicher nicht aussehen.
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Die Schilder und Plakate richten sich mehrheitlich gegen die israelische Bombardierung des Gazastreifens. »Cease Fire Now!«, also sofortige Waffenruhe wird oft gefordert, oder »Stop the Genocide«, also ein Ende des Genozides. Ob es sich bei den Kriegsverbrechen Israels um einen Genozid an der Bevölkerung Gazas handelt, ist umstritten. Mehrere Plakate fordern ein Recht der Palästinenser*innen auf Widerstand, auf dem Frontbanner steht »Resistance is justified when land is occupied«, zu Deutsch: »Widerstand ist legitim, wenn Land besetzt ist.«
Mindestens ein Schild relativiert den Holocaust, indem es die Unterdrückung und Ermordung von Palästinenser*innen als »Holocaust« bezeichnet. Einige anscheinend jüdische Menschen solidarisieren sich mit Palästina und betonen etwa mit dem Spruch »Not in my Jewish name«, dass sie die Angriffe auf Gaza nicht als Verteidigung jüdischen Lebens verstehen wollen.
Ein Redner der »Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden im Nahen Osten« spricht sich für universelle Menschenrechte aus: »Das Blut eines Palästinensers ist nicht weniger wert als das Blut jedes anderen Menschen.« Er verurteilt die Abschiebefantasien von SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz und sieht die größte antisemitische Bedrohung im Faschismus.
Die Repression gegen Palästina-Solidarität findet mehrfach Erwähnung: Redner*innen prangern die Demonstrationsverbote und die Kufiya-Verbote an Berliner Schulen an. Die Großdemonstration darf unter relativ moderaten Auflagen laufen. Lediglich Symbole, Fahnen und Ausrufe sowie das Werben für Hamas, PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas) und Samidoun sind untersagt. Dazu kommt die strafrechtliche Verfolgung des »From the river to the sea«-Ausrufes und anderer Inhalte, die die Polizei für volksverhetzend hält.
Gleich zu Beginn finden Festnahmen statt. So zieht die Polizei etwa drei junge Frauen aus der Masse, um ihre Identitäten festzustellen: Sie haben den »From the River«- Slogan gerufen. »Wir wussten gar nicht, dass wir das nicht sagen dürfen«, sagt eine der Frauen zu »nd«. Sie bekämen jetzt eine Anzeige wegen Volksverhetzung.
Ein Berliner Staatsanwalt begleitet die Polizei für die strafrechtliche Einschätzung. Er begutachtet zum Beispiel zwei Plakate, die von den Beamten beschlagnahmt wurden. Auf einem sind verletzte und tote Babys abgebildet. Der Staatsanwalt winkt es durch: Für den Vorwurf der Gewaltdarstellung müssten konkrete Gewaltakte dargestellt sein. Auf dem zweiten Plakat steht über einem Foto von Olaf Scholz »Auftragsmörder«. »Das kann man schon als Verleumdung sehen«, so der Staatsanwalt.
Festnahmen fanden laut »Tagesspiegel« auch rund um eine Gruppe statt, die auf Arabisch die terroristischen Qassam-Brigraden feierte. Ein Redakteur veröffentlichte auf X (ehemals Twitter) entsprechende Videos. Eine Verharmlosung der islamistischen Hamas beobachtete die nd-Redakteurin am Rande der Demo: Als auf der Schlossbrücke ein Passant »Freiheit für Israel« rief, entgegnete ein Mann, der eine weiße Binde mit der Aufschrift »Ordner« trug: »Halt die Fresse, Hamas wird euch ficken.«
Nach der Demonstration kursiert zudem ein Video auf X, das eine Gemengelage vor dem Starbucks in der Friedrichstraße zeigt. Teilnehmer*innen pfeifen und rufen »Shame on You«, als Menschen den Laden verlassen. Einem X-Nutzer zufolge wurde dabei auch gegen die Fassade gespuckt und »Starbucks unterstützt den Genozid« skandiert. Was diesem Vorfall vorausgegangen ist, lässt sich dem Video nicht entnehmen.
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