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Paris marschiert gegen Antisemitismus
Kundgebung unter Teilnahme der Rechtsextremen, aber ohne das Linksbündnis La France insoumise
In ganz Frankreich versammelten sich Menschen am Sonntag zu Kundgebungen gegen den Antisemitismus. Mit 105 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern fand die weitaus größte Demonstration in Paris statt, während es in Marseille 7500, in Straßburg 5000, in Bordeaux 3500 sowie in Lyon und Nizza jeweils 3000 Personen waren.
Zu dem Marsch, der in Paris über drei Kilometer von der Esplanade des Invalides bis zum Gebäude des Senats im Parc du Luxembourg führte, hatten vor Tagen die Präsidenten der beiden Kammern des Parlaments aufgerufen: für die Nationalversammlung Yaël Braun-Pivet von der Regierungspartei Renaissance und für den Senat der rechtsbürgerliche Republikaner Gérard Larcher. Teilnehmen sollten nicht Parteien mit ihren Anhängern, sondern individuell französische Bürger, die besorgt sind über das neuerliche Aufflammen des Antisemitismus in Frankreich angesichts der massiven militärischen Reaktion Israels auf die blutigen Terrorüberfälle und Geiselverschleppungen durch die Terrororganisation Hamas.
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Dass dabei die palästinensischen Zivilisten die Leidtragenden sind und die meisten Opfer zu beklagen haben, weckt in Frankreich, wo mehr als vier Millionen Muslime und mindestens doppelt so viele Menschen arabischer Herkunft leben, Gefühle der Solidarität. Die artikulieren sich allerdings oft nicht in Kritik an der Politik der rechtsextremen Regierung Israels, sondern – nur zu oft durch islamistische Eiferer geschürt – in einem blinden Antisemitismus. Aber auch der in reaktionären Kreisen des französischen Bürgertums historisch verbreitete Antisemitismus bekommt bei solcher Gelegenheit neuen Auftrieb und trägt zur Vergiftung der Atmosphäre bei.
So kam es seit dem 7. Oktober, dem Tag des Überfalls der Hamas, in Frankreich zu mehr als 1000 antisemitischen Vorfällen, dreimal so viele wie sonst in einem ganzen Jahr. Neu ist, dass dabei offenbar auch Desinformationsspezialisten in Russland ihre Hände im Spiel haben, denn es wurden mehrere prorussische Bürger Moldawiens dabei beobachtet und gestellt, wie sie in Paris und Umgebung mit blauer Farbe insgesamt fast 100 Davidsterne an Wände malten. Die Fotos und Meldungen darüber wurden durch russische Blogs im Internet aufgegriffen und verbreitet, wohl um das Klima in Frankreich zu vergiften und das internationale Ansehen des Landes zu schädigen.
Am Marsch in Paris nahmen viele Politiker aus fast allen Parteien des Landes teil, darunter Premierministerin Elisabeth Borne (Renaissance) und mehr als ein Dutzend Minister ihrer Regierung sowie die ehemaligen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy und François Hollande. Der amtierende Präsident Emmanuel Macron wollte zunächst auch mitmarschieren, wie vor vielen Jahren der sozialistische Präsident François Mitterrand bei einem Marsch gegen Rassismus, doch letztlich nahm er doch Abstand. Er begründete das in einer Botschaft an die Bürger damit, dass seine Rolle eher darin bestehe, »für die Einheit des Landes zu wirken und seine Werte hochzuhalten«. Er versicherte den Marschierenden allerdings, dass er in Gedanken bei ihnen sei.
Dieser Verzicht trug ihm viel Kritik seitens der rechtsbürgerlichen Republikaner ein, deren Parteivorsitzender Eric Ciotti sich öffentlich fragte, ob »der Präsident, so wie einige linke Politiker, nicht die Empfindlichkeiten bestimmter Anhängerkreise schonen will«. Für viel scharfe Polemik sorgte auch, dass das rechtsextreme Rassemblement National (RN) unter Marine Le Pen den Aufruf zum Marsch umgehend aufgegriffen und ihre Teilnahme sowie die ihrer Freunde angekündigt hatte. Hinweise auf die antisemitischen Wurzeln der von ihrem Vater gegründeten Partei Front National, aus der später das RN hervorging, wischte die Le-Pen-Tochter mit der Bemerkung vom Tisch, das sei »Uraltvergangenheit« und habe nichts mit der Bewegung von heute zu tun.
Diese Versuche von Le Pen, ihre Partei weiter vom Schmuddelimage zu befreien und als ganz normale regierungsfähige Partei zu präsentieren, veranlassten viele prominente Linke, aber auch einige Politikerinnen und Politiker der rechten Mitte zunächst, auf eine Teilnahme am Marsch zu verzichten, weil sie »nicht Seite an Seite mit Rechtsextremen« demonstrieren wollten. Doch um dem RN nicht kampflos das Feld zu überlassen, hatten sich schließlich die Vertreter aller politischer Parteien und Bewegungen entschlossen, doch am Marsch teilzunehmen. Dabei riefen die Kommunisten und andere linke Kräfte dazu auf, durch einen »republikanischen Gürtel« zu den mitmarschierenden Rechtsextremen »sichtbar Distanz zu halten«.
Nur Jean-Luc Mélenchons Bewegung La France insoumise, die aus falsch verstandener Solidarität mit den Palästinensern immer noch nicht bereit ist, die Hamas als Terrororganisation zu bezeichnen, blieb den Kundgebungen vollständig fern.
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