Görlitzer Park: Projektionsfläche für die Probleme Berlins

Kreuzberger Bündnis stellt sich gegen die Umzäunung des Parks und legt ein eigenes Konzept vor

  • Moritz Lang
  • Lesedauer: 5 Min.

Ein Zaun löst keines die vielen Probleme im Görlitzer Park, sondern wird die Situation für die Menschen im Kiez nur verschlimmern – das ist die Botschaft von »Görli zaunfrei«. Das Bündnis aus Initiativen, sozialen Einrichtungen und Anwohner*innen-Vertretungen hat am Dienstag ein eigenes Handlungskonzept vorgestellt.

Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hatten zuletzt eine Umzäunung und nächtliche Schließung des Parks gefordert. Das Konzept des Bündnisses soll dagegen Lösungsansätze für die Probleme bieten, die im Kiez als Folge von Armut, Obdachlosigkeit, Suchtkrankheit sowie fehlenden Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen auftreten. Nötig seien vor allem eine stärkere Bespielung des Raumes mit kulturellen und sportlichen Angeboten, ein Ausbau von Sozialarbeit, Konsumräumen und Aufenthaltsmöglichkeiten, schnellere Arbeitserlaubnis und vor allem eine nachhaltige Finanzierung. Dies soll mit dem Bürgermeister diskutiert werden.

Bei der Pressekonferenz berichten Anwohner*innen, dass sich die Situation in den Kiezen um den Görli in den letzten Jahren stark verschlechtert hat. Immer mehr Wohnungslose und Suchtkranke halten sich auch in den Seitenstraßen auf, schlafen in Treppenhäusern und verrichten öffentlich ihre Notdurft, Spritzen liegen auf Spielplätzen. Besonders seit der Null-Toleranz-Politik des ehemaligen Innensenators Frank Henkel (CDU) hätten sich die Probleme immer stärker in die umliegenden Kieze verlagert.

Das bestätigen auch Zahlen der Polizei: Mittlerweile werden dreimal so viele Straftaten in den umliegenden Kiezen verzeichnet wie im Park selbst. Laut Bündnis würde ein Zaun diesen Trend nur verstärken: »Drogenkonsum und -handel werden sich dadurch verlagern« und keines der Probleme nachhaltig gelöst. »Man kann nicht einfach eineinhalb Kilometer absperren, wir müssen ja auch irgendwie zur Arbeit kommen nachts«, sagt Martin Storck vom Parkrat Görlitzer Park. Außerdem müssten die sozialen Angebote im Park für Bedürftige immer erreichbar bleiben.

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»Die Konsummuster haben sich seit der Pandemie hochriskant verändert«, sagt Juri Schaffranek vom Sozialarbeitsverein Gangway über die Ausbreitung von Crack in der Drogenszene. Die Droge kann bei Nutzer*innen öfters zu aggressivem Verhalten führen als das bisher konsumierte Heroin. Die Anwohnerin Monika Obrecht beobachtet, dass »vermehrt hoch psychotische Menschen durch die Straßen laufen«.

Da der sozialpsychatrische Dienst der Bezirke chronisch unterbesetzt sei, bleibe oft nur die Polizei als Ansprechpartner, sagt die selbst psychiatrisch geschulte Monika Obrecht. Dabei haben Beamte oft bewiesen, dass sie mit psychischen Ausnahmesituationen nicht umgehen können und in den letzten Jahren mehrere Menschen in solch einer Lage beim Einsatz getötet haben. Nur gut drei Prozent der Beschäftigten im Polizeivollzugsdienst haben seit 2014 eine Schulung zum Umgang mit Menschen mit Verhaltensauffälligkeiten besucht.

Doch wie löst man das Problem? »Die können sich nicht einfach in Luft auflösen«, sagt Obrecht. Es dürfe keine Entmenschlichung stattfinden, drogenabhängige Obdachlose seien immer noch Menschen in Notsituationen, denen geholfen werden müsse. Ihre Lage macht vielen Kiezbewohner*innen zu schaffen: »Wir sind hilflos, wenn wir uns dieses Elend anschauen«, sagt Esther Borkam vom Nachbarschaftszentrum KiezAnker 36.

Dabei sei der Kiez besonders durch das starke gesellschaftliche Engagement geprägt. Das müsse gestärkt werden. Auf lokaler Ebene fordert das Bündnis langfristige Finanzierung und mehr Personal für die Sozialarbeit. Es sollen ganzjährige Notübernachtungen, rund um die Uhr geöffnete Konsumräume und ein besserer Zugang zum Gesundheitssystem geschaffen werden. Aufenthaltsmöglichkeiten im öffentlichen Raum müssten bestehen bleiben und die Vorschriften des Grünflächenamtes entbürokratisiert werden. So könnte der Park durch mehr Kultur- und Sportangebote zurückerobert werden: »Wenn der Spielwagen vor Ort ist, gibt es gleich eine ganz andere Atmosphäre«, sagt Schaffranek.

»Es gibt Probleme, die wir angehen können, manche aber auch nicht«, sagt Storck. Auf höherer Ebene sei eine lange geforderte einfachere Arbeitserlaubnis nötig: »Der Park ist eine Informationsbörse für Flüchtlinge.« Wenn sie dann aber keine andere Perspektive als Dealen hätten, sei das nicht gut. Auch Wohnungsnot sei ein Auslöser: »Der Park ist immer Projektionsfläche für die Probleme der Gesellschaft«, sagt Storck.

Im Zaun sieht eine Anwohnerin nur Symbolpolitik und »Parteiwerbung auf dem Rücken vom Kiez«. Das Bündnis sieht darin ein migrations- und sicherheitspolitisches Abschreckungsinstrument. Die Bezirksregierung spricht sich auch gegen den Zaun aus, das Bündnis erwartet, dass sie sich »in ihrer Hoheit über den Park durchsetzt.«

Manche Anwohner*innen hätten auch Sorge, dass verstärkte Angebote für Obdachlose und Suchtkranke nur noch mehr Probleme anziehen würden, sagt Schaffranek. Aber die Probleme gäbe es auch in anderen Teilen der Stadt, deshalb müssten dezentrale Strukturen her: »Wir brauchen ein gesamtstädtisches Konzept.«

Hinter dem Fokus auf den Görlitzer Park sieht die Jugendorganisation Kreuzberg United besonders wirtschaftliche Interessen: »Das Elend darf ruhig weiter bestehen bleiben, es soll nur heraus aus der Innenstadt. Hier ist es Touristifizierung und Verwertung im Weg.«

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