Brandenburg: Ins Café gehen, auch wenn der Kaffee nicht schmeckt

Neuer Innenstadtwettbewerb winkt mit 116.000 Euro und soll die Zentren beleben

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Arbeitsgemeinschaft Städteforum Brandenburg hat gemeinsam mit Partnern zum zweiten Mal den Innenstadtwettbewerb ausgelobt. Wie die insgesamt 116.000 Euro verteilt werden, soll Ende April 2024 feststehen.

Nein, man fange nicht beim Urschleim an, sagte Staatssekretär Rainer Genilke (CDU), der am Mittwoch im Potsdam-Museum den Startschuss gab. »Viele attraktive Innenstadtzentren stehen schon zur Verfügung.« Er nannte Luckenwalde als Beispiel, »bei dem man sieht: Fördergeld ist gut angelegt.« Wenn nun zum zweiten Mal der Innenstadtwettbewerb in Gang gesetzt werde, dann sollten Projekte der Zusammenarbeit im Mittelpunkt stehen.

In Brandenburg gibt es zwei Grundtypen von Stadtzentren: Die Mitte von Städten, die im Berliner Speckgürtel liegen und sich über mangelnden Zuzug und mangelnde Entwicklungsmöglichkeiten nicht beschweren können. Und die vielfach auch sehenswert hergerichteten Stadtzentren in Regionen, die weiterhin Einwohner verlieren und die im sogenannten äußeren Entwicklungsraum liegen. Für sie gilt häufig: »Zu DDR-Zeiten: räudig, aber lebendig – heute: schön, aber tot.« Eher auf letztere ist der Satz des Staatssekretärs gemünzt: »Der Wohnungsmarkt ist fast überall entspannt.«

Der diesjährige Innenstadtwettbewerb hat die Kategorien »Räume weiterdenken«, »Stadtraum beleben« und als neuste Idee: »Junge Innenstadtzentren«. Alle drei Komplexe werden einmal für größere und einmal für kleinere Kommunen ausgeschrieben. Der Edeka-Konzern und die Sparkassen haben finanzielle Mittel beigesteuert. Bis Mitte Februar sollen die Wettbewerbsbeiträge eingereicht werden, Ende April wird dann die Jury verkünden, wer die diesjährigen Preisträger sind.

In Zeiten des Einkaufs im Internet erreiche der Handel nur noch bedingt eine Wiederbelebung der Stadtzentren, fügte Staatssekretär Genilke hinzu, der in den Startlöchern steht, um die Nachfolge für den zurückgetretenen Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU) anzutreten. Es sei darauf zu achten, dass Stadtzentren, die »Herzkammern«, keine Museen werden, sondern vielfältige Funktionen erfüllen: neben dem Einkauf auch Gewerbe, Sport, Erholung und Gastronomie. »Eine lebendige Innenstadt lässt sich nicht verordnen«, weiß Genilke. Bürgermeisterin Ines Hübner (SPD) aus der Ofenstadt Velten bestätigt: »Wenn sie gelingt, ist es das Werk vieler Beteiligter.«

Ein überraschendes Angebot für die Belebung unter Abwanderung leidender Kommunen unterbreitete danach der Rotterdamer Professor Ton Matton. Unter der Überschrift »Stadt machen durch Aktion und Events« stellte er regelrecht anarchistische Wege aus der Tristesse und der Verlassenheit vor. »Finger weg vom Pflaster«, lautete eine seiner Botschaften. Den Stadtraum unter Stein und Beton zu begraben, sei »rausgeschmissenes Geld«. Den Besitzern von leer stehenden Häusern in Städten auf dem Lande, die nur dem Verfall ihrer Immobilien zusehen, empfahl er: »Gebt es ab, lasst es los.« Hier müssten Initiativen, Faxenmacher, Kreative und Ideenumsetzer ihr Feld bekommen.

Die einzige Möglichkeit, der städtischen Verödung entgegenzutreten, seien die verbliebenen Einwohner selbst. Sie müssten zu beinahe jedem Preis aktiviert und zu Zusammenschlüssen gedrängt werden. Und ja, wenn ein Café eröffnet, dann sei es die Pflicht der Anwohner, dort einzukehren. »Auch wenn der Kaffee nicht schmeckt und der Kuchen alt ist. Sonst macht es wieder zu.«

Ein Jahr lang habe er im kleinen vorpommerschen Ort Tribsees mit nur noch rund 3000 Einwohnern mit Studenten die Aktivierung modelliert. »Mit jungen Menschen geht das, die haben so viel Energie, da kann auch mal was danebengehen.« Und er habe erreicht, dass Frauenvereine sich um die Stadtgesellschaft kümmern und es ein gemeinsames Fest aller Interessenverbände in diesem Örtchen gebe, wo heute nur noch halb so viele Menschen wohnen wie zu DDR-Zeiten.

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