Carlo Ancelotti: Der lässigste Trainer der Welt

Zirkus Europa: Carlo Ancelotti soll die Königlichen noch einmal zu höchsten Weihen führen, am Mittwoch gehts gegen den Ex-Arbeitgeber SSC Neapel

  • Sven Goldmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Mann, der alles sieht: Carlo Ancelotti als Napoli-Coach im Dezember 2019 im Stadio San Paolo
Der Mann, der alles sieht: Carlo Ancelotti als Napoli-Coach im Dezember 2019 im Stadio San Paolo

Zum Abschied geht es am Mittwoch noch mal gegen die alten, nun ja, Freunde aus Neapel. Im kommenden Sommer wird Carlo Ancelotti wohl seinen Abschied bei Real Madrid nehmen und das Traineramt der brasilianischen Nationalmannschaft übernehmen. Philipp Lahm hat ihn mal den »vielleicht besten, in jedem Fall lässigsten Trainer der Welt« genannt. Cristiano Ronaldo und Zlatan Ibrahimovic schwärmen noch heute von Ancelotti wie sonst nur von sich selbst. Der Genussmensch aus der Emilia Romagna steht vor seinem 64. Geburtstag, und wer weiß schon, ob er noch einmal in den europäischen Fußballzirkus zurückkehren wird.

Ancelotti hat viermal die Champions League gewonnen und dazu Meisterschaften in Italien, England, Frankreich, Deutschland und Spanien. Es liegt in der Natur seiner Vergangenheit, dass auf der Abschiedstournee reichlich Hände zu schütteln sind. Nicht überall ist Ancelotti im besten Einvernehmen gegangen. In jungen Jahren musste er in Turin aufhören, weil sich die Fans der Juve an seiner Vergangenheit als Profi des AC Mailand störten. Der FC Bayern schickte ihn zurück über die Alpen, nachdem er in der Champions-League-Vorrunde gegen Paris Saint-Germain die Meinungsführer Mats Hummels, Jerome Boateng, Franck Ribéry und Arjen Robben aus der Mannschaft verbannt und in der Folge eine 0:3-Niederlage kassiert hatte. Aber kein Klub hat Carlo Ancelotti in dessen jetzt 31 Jahre währender Karriere so stillos entlassen wie der SSC Neapel. Mitten in der Nacht mit einem Tweet, der Kurznachricht auf einer Plattform, die im Dezember 2019 noch nicht »X« hieß.

Zirkus Europa

Früher schlicht Pokal der Landesmeister, heute Champions League: ein inszeniertes Spektakel und Gelddruckmaschine des Fußballs. Sven Goldmann blickt auf den kommenden Spieltag.

Es war kein gedeihliches Zusammenarbeiten zwischen dem Trainer und seinem Klubpräsidenten, dem Filmproduzenten Aurelio de Laurentiis. Der wollte die Mannschaft mal nach einem dürftigen Remis gegen RB Salzburg direkt aus dem Stadion in ein Straftrainingslager schicken. Ancelotti lehnte ab und fortan wartete de Laurentiis auf eine günstige Gelegenheit zur Rache. Als diese nicht kam, verschaffte sich der Präsident zu anderer Gelegenheit Satisfaktion. Nach einem 4:0-Sieg gegen KRC Genk und der damit verbunden Qualifikation für das Achtelfinale der Champions League bat de Laurentiis erst zum Dinner ins Grand Hotel Vesuvio und ließ dann jenen Tweet absetzen, mit dem er Ancelotti vom Hof jagte und dessen Freund und Vertrauten Gennaro Gattuso zum Nachfolger bestellte.

Der Neue scheiterte mit Napoli erst im Achtelfinale am FC Barcelona und nach der folgenden Saison an den Ansprüchen seines Präsidenten, als Napoli am letzten Spieltag die Qualifikation für die Champions League verpasste. Seitdem tingelt Gattuso mit bescheidenem Erfolg durch Europa, zurzeit versucht er sich im Niemandsland der französischen Liga bei Olympique Marseille. Ein neuer Ancelotti ist er nicht geworden.

Der Maestro selbst fand über den FC Everton ein zweites Mal zu Real Madrid, wo er gleich im ersten Jahr die spanische Meisterschaft und die Champions League gewann, nach einem spektakulären 1:0-Sieg über den FC Liverpool im Finale von Paris. Also in jener Stadt, wo fünf Jahre zuvor seine Zeit beim FC Bayern München zu Ende gegangen war. Jetzt, in seiner nun wohl letzten Saison in Europa, lässt er Real auch ohne den Weltfußballer Karim Benzema wieder von der spanischen Meisterschaft träumen und vielleicht sogar von einem erneuten Triumph in der Champions League, nach bisher vier Siegen in vier Spielen in der Vorrundengruppe C. Der fünfte soll am Mittwoch im Estadio Santiago Bernabeu folgen, gegen die alten, nun ja, Freunde aus Neapel.

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