Klimakonferenz in Dubai: »Auf die Stimme der Betroffenen hören«

Kirsten Stubenrauch von Extinction Rebellion über die Bedeutung von Klimakonferenzen und die Frage eines Boykotts von COP28

  • Interview: Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 6 Min.
Klimaaktivisten in New York gegen neue Projekte für fossile Brennstoffe
Klimaaktivisten in New York gegen neue Projekte für fossile Brennstoffe

Wie stehen Sie generell zu den Weltklimakonferenzen? Sollten sich Menschen aus der Klimabewegung daran beteiligen, um die COP-Verhandlungen möglichst positiv zu beeinflussen, oder sie lieber boykottieren und dagegen protestieren, weil mit den Konferenzen sowieso nicht genug bewegt wird?

Ich sehe da vor allen Dingen ein Problem mit dem Lobbyismus. Letztes Jahr reisten ungefähr 600 Lobbyist*innen aus der Öl- und Gasindustrie zur COP, um die Verhandlungen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Das sind mehr Menschen, als die Weltregionen, die am meisten von der Klimakrise betroffen sind, Delegierte entsenden können. Das führt natürlich dazu, dass die Bedürfnisse der Betroffenen bei diesen Konferenzen überhaupt nicht zum Tragen kommen. Aber die Weltklimakonferenz hat eben auch das Pariser Klimaabkommen hervorgebracht, das wegweisend war und dessen Umsetzung bei der jetzt anstehenden COP mit der »Global Stocktake« (globalen Bestandsaufnahme, d.Red.) überprüft wird. Diese Klimakonferenzen sind immer noch der größte und wichtigste Veranstaltungsort für das Thema und die einzige Möglichkeit, bei der Bewältigung der Klimakrise zu einer internationalen Einigung zu kommen.

Interview

Kirsten Stubenrauch (31) ist bei der Klimagruppe Extinction Rebellion aktiv und lebt in Hamburg. 2014 lebte und arbeitete sie ein halbes Jahr in Dubai, dem Austragsungsort der 28. Weltklimakonferenz.

Und was ist mit der bevorstehenden Klimakonferenz COP 28?

Was die aktuelle COP in den Vereinigten Arabischen Emiraten betrifft, finde ich einen Boykott grundsätzlich legitim, angesichts der frustrierenden Situation, dass die Klimakonferenz jetzt in einem autokratischen Ölstaat stattfindet, also quasi von der fossilen Lobby ausgerichtet wird. Das ist, als würde die Waffenlobby Friedensverhandlungen führen oder die Tabakindustrie die Weltgesundheitsorganisation.

Auch beim Pariser Klimaabkommen können Verstöße bislang nicht sanktioniert werden. Gibt es Dinge, die sich an den Klimakonferenzen ändern sollten?

Transparenz wäre auf jeden Fall super wichtig. Es sollte nicht mehr hinter verschlossenen Türen verhandelt werden, es sollte öffentlich bekannt gemacht werden, wer an den jeweiligen Verhandlungen überhaupt teilnehmen kann. Es wäre aber auch gut zu wissen, wie der Veranstaltungsort ausgewählt wird. So etwas müsste unter öffentlicher Beteiligung besprochen werden. Vor allem müssten bei den Klimakonferenzen aber die Stimmen derer im Zentrum stehen, die jetzt schon unter der Klimakrise leiden.

Sie haben 2014 ein halbes Jahr in Dubai gelebt und gearbeitet. Wie haben Sie die Vereinigten Arabischen Emirate, die Lebens- und Arbeitsbedingungen dort wahrgenommen?

Ich war im Rahmen meines Studiums als Housekeeping Supervisorin in einem Fünf-Sterne-Hotel. Viele der Angestellten, mit denen ich zusammenarbeitete, kamen aus Indien, Pakistan oder den Philippinen und haben wirklich unter sehr prekären Bedingungen gelebt und gearbeitet. Der Arbeitgeber hat zum Beispiel deren Reisepässe einbehalten. Das ist eigentlich verboten, wird aber immer noch gemacht, damit die Menschen das Land nicht so einfach wieder verlassen können. Im Vergleich zu den Einheimischen oder den hochqualifizierten Menschen aus westlichen Staaten haben sie viel weniger Rechte. In den Vereinigten Arabischen Emiraten leben ja nur zu etwa zehn Prozent Staatsangehörige. Die meisten Menschen, die sich dort aufhalten, sind Arbeitsmigrant*innen, die hergeholt werden, um diese Wolkenkratzer und Einkaufszentren zu errichten und das Land am Laufen zu halten. Sie kommen her, weil sie in den Emiraten immer noch mehr verdienen als in ihren Heimatländern. Aber die Arbeitsbedingungen sind wirklich schlecht. Dubai ist schon viel liberaler als Saudi-Arabien oder der Iran. Als weiße westliche Frau konnte ich mich dort relativ frei bewegen. Ein Outing kam allerdings nicht infrage, weil Homosexualität dort immer noch strafbar ist.

Nun soll in Dubai die COP 28 stattfinden. Deren Vorsitzender ist Sultan Ahmed Al-Jaber, der nicht nur Industrieminister in den Vereinigten Arabischen Emiraten ist, sondern auch Chef des staatlichen Ölkonzerns Adnoc. Wie beurteilen Sie diese Bedingungen, wenn es um mehr Klimaschutz gehen soll?

Es ist absurd, dass der CEO der staatlichen Ölgesellschaft nun Sondergesandter für Klimaschutz ist. Die fossilen Öl- und Gaskonzerne wollen einfach nur dafür kämpfen, dass ihr klimaschädliches Geschäftsmodell so lange wie möglich weiter geht – und dabei noch ihr grünes Image aufpolieren. Zum Beispiel wird die Capture-und-Storage-Technologie, also die Abscheidung und unterirdische Speicherung von CO2, immer wieder auf den Tisch gebracht und der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen verschoben. Das ist reines Greenwashing.

Hinzu kommt, dass in den Vereinigten Arabischen Emiraten Meinungs- und Pressefreiheit verletzt werden und Demonstrationen nur schwer möglich sind. Wie bewerten Sie das aus aktivistischer Perspektive?

Da auf einer Weltklimakonferenz so große Aufmerksamkeit liegt, ist es eigentlich schon wichtig, den Anlass auch für Protest zu nutzen. Jetzt muss man eben mal sehen, inwiefern das in diesem Jahr vor Ort möglich ist. Wir versuchen mit Extinction Rebellion hier in Deutschland zu protestieren und Debatten anzustoßen.

Haben Sie Erwartungen oder auch Forderungen an die anstehende COP, und wie optimistisch sind Sie diesbezüglich?

Ich fordere Klimagerechtigkeit, und dass auf die Stimme der Betroffenen gehört wird. Ich würde mir einen sofortigen Ausstieg aus fossilen Energien wünschen, aber das wird unter dem Konferenzpräsidenten sicher nicht beschlossen – vielleicht ja auf der nächsten Klimakonferenz. Es ist schwer, optimistisch zu sein, weil die fossile Lobby so übermächtig scheint. Aber je dreister diese Lobby sich aufführt, desto deutlicher wird diese Absurdität vielleicht auch für Menschen, die sich nicht so viel mit dem Thema beschäftigen. Da können wir eine Debatte anstoßen, um dafür zu kämpfen, dass die Weltklimakonferenzen wichtig bleiben und nicht von Lobbyismus zerstört werden.

Extinction Rebellion hat bereits bundesweit protestiert unter dem Motto »COP ad absurdum«, womit Sie auf humorvolle Art und Weise auf die Probleme der Weltklimakonferenz hingewiesen haben. Warum haben Sie diesen satirischen Ansatz gewählt für so ein ernstes Thema?

Satire ist ja nicht nur witzig, sondern auch tragisch. Wie absurd es ist, dass die fossile Lobby eine Klimakonferenz ausrichtet, das wollen wir bildstark kommentieren, um verständlich und greifbar zu machen, was da gerade passiert.

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