Krieg in Gaza geht weiter

Entgegen den Erwartungen wurde die Waffenruhe nicht verlängert, doch hinter den Kulissen wird weiter verhandelt

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 5 Min.

Die Hoffnungen auf einen Verlängerung der Feuerpause haben sich nicht erfüllt, die israelische Armee hat die Kämpfe wieder aufgenommen. Bis Freitagnachmittag sollen seit Ende der Feuerpause, die am Freitag um 7 Uhr Ortszeit (6 Uhr MEZ) auslief, 200 Ziele im Gazastreifen angegriffen worden sein, darunter auch Ziele im Süden in den Städten Khan Junis und Rafah. Dabei seien mindestens 109 Menschen getötet worden, teilte der Sprecher des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, Aschraf Al-Kudra, mit.

Auch die islamistische Hamas hat nach Ende der Kampfpause eigenen Angaben zufolge erstmals wieder Raketen auf das Zentrum Israels abgefeuert. Laut israelischer Armee wurde dort Alarm ausgelöst. Im Zentrum der Küstenstadt Tel Aviv waren aus der Ferne dumpfe Explosionen zu hören. Auch aus dem Libanon seien Raketen in Richtung Israel abgefeuert worden.

Am Ende haben sich in der israelischen Führung diejenigen durchgesetzt, die den Krieg gegen die Hamas um jeden Preis fortführen wollen. Die Regierung macht die Hamas dafür verantwortlich, dass die Waffenruhe nicht verlängert wurde. Die Palästinensergruppierung »wird jetzt die Mutter aller Schläge einstecken«, sagte Regierungssprecher Eylon Levy am Freitag vor Journalisten. Levy schrieb die Schuld für das Ende der Waffenruhe der Hamas zu, weil diese »nicht alle entführten Frauen freigelassen« habe. Der Regierungssprecher sagte, die Hamas habe vor Ablauf der Feuerpause keine neue Liste von Geiseln übergeben, die freigelassen werden sollen. Zudem habe sie vor Ende der Waffenruhe eine Rakete auf israelisches Gebiet abgefeuert.

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Die Hamas schiebt die Schuld hingegen auf Israel. Man habe einen Austausch von »älteren Menschen« sowie die Übergabe der Leichen israelischer Geiseln vorgeschlagen, aber Israel habe nicht reagiert, sondern sich die ganze Nacht über in den Verhandlungen zur Fortsetzung der Feuerpause geweigert, sämtliche Angebote mit dem Ziel der Freilassung weiterer Geiseln anzunehmen.

Auch in der sogenannten internationalen Gemeinschaft macht Hamas einen Schuldigen aus, angeführt von den USA. Diese trage die Verantwortung für »die Fortsetzung des brutalen Krieges gegen Zivilisten, Kinder und Frauen«. Das palästinensische Volk habe »das Recht, sich mit allen Mitteln zu verteidigen, und es hat das Recht, seine Freiheit und Unabhängigkeit zu erlangen«, heißt in der Erklärung der Hamas weiter.

Die internationalen Reaktionen auf die Wiederaufnahme der Kampfhandlungen sind geprägt von Sorge vor den Folgen für die Bevölkerung im Gazastreifen. Frankreichs Außenministerin Catherine Colonna hat die Rückkehr zu einer Feuerpause als »unerlässlich« bezeichnet. Das Ende der einwöchigen Waffenruhe sei »eine sehr schlechte, bedauerliche Nachricht«, sagte Colonna am Freitag am Rande der Klimakonferenz in Dubai. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock forderte internationale Anstrengungen: »In diesen Minuten müssen wir alles dafür tun, dass die humanitäre Feuerpause fortgeführt wird«, verlangte sie am Freitag in Berlin.

UN-Generalsekretär António Guterres kritisierte die Fortsetzung des Kriegs und mahnte eine erneute Feuerpause im Gazastreifen an. »Ich bedauere zutiefst, dass die Militäroperationen in Gaza wieder aufgenommen wurden«, schrieb Guterres am Freitag im Onlinedienst X (vormals Twitter). Er hoffe darauf, dass die Kampfpause nochmals verlängert werden könne. »Die Wiederaufnahme der Kampfhandlungen zeigt nur, wie wichtig eine echte humanitäre Waffenruhe ist«, fügte Guterres hinzu. Etwas Hoffnung bietet die Nachricht, wonach hinter den Kulissen weiter an einer erneuten Waffenruhe gearbeitet werde, die Gespräche würden fortgesetzt. »Die Verhandlungen mit den katarischen und ägyptischen Vermittlern dauern trotz der Wiederaufnahme der israelischen Luftangriffe auf den Gazastreifen an«, sagte eine mit den Gesprächen vertraute Quelle am Freitag der Nachrichtenagentur AFP.

Der UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk bezeichnete die Fortsetzung der Kämpfe als »katastrophal«. Er appellierte an die Konfliktparteien und alle Staaten, »die Einfluss auf sie haben, ihre Anstrengungen zu verstärken, um eine Waffenruhe zu gewährleisten«. Das UN-Kinderhilfswerk Unicef kritisierte das Ende der Feuerpause ebenfalls scharf. Die verantwortlichen Akteure hätten damit »im Grunde grünes Licht gegeben für das Töten von Kindern« im Gazastreifen, sagte Unicef-Sprecher James Elder. »Es ist unverantwortlich zu glauben, dass weitere Angriffe auf die Menschen in Gaza zu etwas anderem als einem Gemetzel führen könnten«, fügte er hinzu. US-Außenminister Antony Blinken hatte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu aufgefordert, mehr zum Schutz der Zivilbevölkerung zu tun.

Ein großes Problem bleibt die Versorgungslage. Das UN-Nothilfebüro OCHA fordert trotz der neuen Kämpfe freien Zugang für Hilfskonvois. »Die humanitäre Hilfe muss ohne Vorbedingungen weitergehen«, schrieb die OCHA-Vertreterin vor Ort, Lynn Hastings, am Freitag auf X. Ebenso müsse die Palästinenserorganisation Hamas bedingungslos alle Geiseln freilassen.

Während der Waffenruhe seien Tausende Tonnen an Nahrungsmitteln, Wasser, Treibstoff, Medizin und Decken für Palästinenser verteilt worden, berichtete OCHA-Sprecher Jens Laerke in Genf. Doch seit Freitagmorgen sei der Gazastreifen erneut »die Hölle auf Erden«, sagte Laerke. Die Fortsetzung der Lieferungen sei nun ungewiss.

Unterdessen sind Informationen bekannt geworden, dass Israel mehr als ein Jahr vor den Terrorangriffen der Hamas am 7. Oktober Hinweise darauf vorgelegen hätten. Das berichtet zumindest die »New York Times«. Demnach gab es einen umfassenden Austausch israelischer Behörden zu einem 40 Seiten langen Dokument mit dem Codenamen »Jericho-Mauer«, das einen Gefechtsplan der Hamas skizzierte.

Dieser soll bis ins Details dem Angriff geähnelt haben, den Hamas-Terroristen dann Anfang Oktober aus dem Gazastreifen heraus ausführten. Das Szenario sei von israelischen Militär- und Geheimdienstmitarbeitern als zu anspruchsvoll und schwierig in der Ausführung abgetan worden, berichtet die US-Zeitung.

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