Boris Kagarlitzky wieder frei

Linker russischer Soziologe zu Geldstrafe verurteilt

  • Daniel Säwert
  • Lesedauer: 2 Min.
Boris Kagarlitzky (r) und sein Anwalt Sergej Jerochow im Gericht in Syktywkar. Seine Bekanntheit habe ihm vor dem Gegängnis bewahrt, sagt Kagarlitzky.
Boris Kagarlitzky (r) und sein Anwalt Sergej Jerochow im Gericht in Syktywkar. Seine Bekanntheit habe ihm vor dem Gegängnis bewahrt, sagt Kagarlitzky.

Der russische Soziologe und Publizist Boris Kagarlitzky ist vom Obersten Gericht der Republik Komi zu einer Geldstrafe von 609 000 Rubel (6200 Euro) verurteilt worden. Kagarlitzy darf außerdem in den kommenden zwei Jahren nicht Administrator einer Homepage sein. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von 5,5 Jahren gefordert. In einem Statement für das russische Onlinemedium »Sota« zeigte sich Kagarlitzkys Anwalt Sergej Jerochow mit dem Urteilsspruch zufrieden.

Bekanntheit rettet Kagarlitzky

Das Gericht habe aufgrund des Alters seines Mandanten von 65 Jahren von einer Gefängnisstrafe abgesehen, erklärte Jerochow und ließ zunächst offen, ob man gegen das Urteil Einspruch einlegen werde. Die Staatsanwaltschaft hatte während des zweitägigen Verfahrens auf der Freiheitsstrafe bestanden, weil Kagarlitzky, der sich momentan in der Privatinsolvenz befindet, die Strafsumme ihrer Meinung nach nicht aufbringen kann.

Kagarlitzky, der den Gerichtssaal nach dem Urteil als freier Mann verlassen durfte, nannte seine Bekanntheit als Grund für das relativ milde Urteil. Sein Fall sei aufsehenerregender gewesen, weil er im Gegensatz zu vielen anderen Angeklagten bekannt sei und das Verfahren deshalb mehr politische Aufmerksamkeit erhalten habe, sagte Kargalitzky. »Leider ist das Schicksal derjenigen, die in dieselbe Mühle in einer kleinen Stadt, vor einem lokalen Gericht, mit lokalen Mitarbeitern der Strafverfolgungsbehörden geraten, um einiges dramatischer, einfach weil man selten etwas über das Verfahren erfährt, auch die wichtigen Behördenleiter nicht«, so Kargalitzky zu »Sota«.

Soziologe zu »Extremist und Terrorist« erklärt

Kagarlitzky, Dozent an der Moskauer Schule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und linker Theoretiker, wurde die Verherrlichung von Terrorismus vorgeworfen. Auslöser war ein Video, das der Soziologe im Oktober 2022 auf der Plattform »Rabkor« zu den Anschlägen auf die Krim-Brücke veröffentlichte. Angeschwärzt wurde Kagarlitzky von Leonid Krasnoperow, einem lokalen Abgeordneten aus Uchta, einer Stadt in der Republik Komi. Krasnoperow trat während des Verfahrens als Zeuge der Anklage auf. Vor Gericht hatte Kagarlitzky die Verherrlichung von Terrorismus abgestritten. »Das widerspricht meinen Prinzipien, meiner Reputation«, sagte Kagarlitzky.

Im Juli 2023 wurde Kagarlitzky an seinem Wohnort Moskau verhaftet und ins Untersuchungsgefängnis ins 1300 Kilometer entfernte Syktywkar gebracht. Kagarlitzky, seit 2018 bereits »ausländischer Agent«, erhielt während seiner Haftzeit eine Strafe, weil er angeblich die Auflagen als »ausländischer Agent« verstoßen habe. Im August wurde er zudem durch die föderale Finanzaufsicht Rosfinmonitoring zudem in die Liste der »Extremisten und Terroristen« aufgenommen.

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