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FC Bayern: Neues Erfolgsmodell in Bundesliga und Champions League
Mit einer Außenseitertaktik gewinnt der Rekordmeister das Spitzenspiel mit 3:0 gegen den VfB Stuttgart
Der Blick richtete sich schon am Sonntagabend auf die Champions League – und das weit über das am Montag gezogene Achtelfinallos Lazio Rom hinaus. Jedenfalls bei einem Journalisten aus Tansania, der Münchens Trainer Thomas Tuchel nach dem 3:0 (1:0)-Sieg in der Bundesliga gegen den VfB Stuttgart die frohe Botschaft überbrachte, dass in seiner Heimat viele Menschen an einen Titelgewinn des FC Bayern München in der Königsklasse glaubten. Ob diese Menschen weiter daran glauben sollten, wollte er von Tuchel wissen. Oh ja, das sollten sie absolut, das könne nicht schaden, antwortete der Trainer lächelnd und versuchte, den Bogen zu spannen zur gerade beendeten Partie. Wenn man mit solch einem guten Zusammenhalt spiele und so viele Chancen kreiere, dann könne man Spiele gewinnen.
Ob all das auch dafür reicht, dass man bis ins Finale der Champions League am 1. Juni in Wembley kommt und es ebenfalls für sich entscheidet, das ließ Thomas Tuchel selbstverständlich offen. Unabhängig davon, dass er da noch nicht wusste, dass seine Mannschaft im Februar und März in der Königsklasse zunächst auf den machbaren Gegner Lazio treffen wird, den Tabellenelften aus Italiens Serie A. »Es ist eine italienische Mannschaft, die taktisch immer gut aufgestellt ist. Aber wir haben schon positive Erfahrungen mit Lazio gemacht«, sagte Torwart und Kapitän Manuel Neuer am Montag.
Während der FC Bayern München nach der Auslosung der Champions League am Montag in Nyon sehr optimistisch auf die Aufgabe im Achtelfinale blickte und laut Torwart Manuel Neuer »als Favorit in die Spiele« gegen Lazio Rom geht, erwischten die beiden anderen verbliebenen Bundesligisten schwerere Gegner.
Wie die Münchner muss auch Borussia Dortmund Mitte Februar im Hinspiel auswärts antreten – in Eindhoven. Trainer Edin Terzic formulierte sogleich seinen Respekt: »Wir wussten, dass es weiterhin schwere Aufgaben geben wird. Eindhoven spielt in der Heimat eine perfekte Saison, mit 48 Punkten aus 16 Spielen.« BVB-Boss Hans Joachim Watzke lobte: »PSV ist eine Topmannschaft. Wir freuen uns auf diese Partien und nehmen die Herausforderung an.«
RasenBallsport Leipzig beginnt die K.o.-Runde mit einem Heimspiel. Das undankbare Los nahm Sportdirektor Rouven Schröder mit Humor: »Wir haben einen nicht ganz unbekannten Gegner erwischt. Es ist mit einer der Topfavoriten. Die Rollen sind verteilt, wir freuen uns aber. Der Favorit ist Real Madrid, aber wir sind auch ambitioniert und können ihnen wehtun. Wir werden nicht vor Ehrfurcht erstarren.« SID/nd
Die Spiele im Überblick
PSV Eindhoven – Borussia Dortmund
Lazio Rom – FC Bayern München
RB Leipzig – Real Madrid
FC Porto – FC Arsenal London
SSC Neapel – FC Barcelona
Paris St. Germain – Real Sociedad San Sebastian
Inter Mailand – Atletico Madrid
FC Kopenhagen – Manchester City
Hinspiele am 13./14. und 20./21. Februar, Rückspiele am 5./6. und 12./13. März
Die vorherige Verknüpfung des klaren Erfolgs gegen die Überflieger vom VfB Stuttgart mit der Champions League ließ sich dennoch als gerechtfertigt einstufen. Die Bayern gingen bestärkt daraus hervor, weil sie einen »absolut hochverdienten Sieg« erreicht hatten, wie Gästecoach Sebastian Hoeneß unumwunden zugab. Hinzu kam, dass die Münchner auch Lehren für das eigene Repertoire mitnehmen konnten, die sich als wertvolle Erfahrung gerade auch für die erhofften ganz großen Aufgaben in der Champions League erweisen könnten.
Die Bayern hatten Stuttgart mit einer für sie untypischen Außenseitertaktik überrumpelt, mit einer konzentrierten, kompakten Verteidigung und zielstrebigem Konterfußball. Zumindest situativ könnte sich das auch gegen andere Ballbesitzmannschaften als Erfolgsmodell erweisen. Ob in der Champions League, in der sie im weiteren Verlauf auf Titelverteidiger Manchester City treffen könnten – oder auch in der Bundesliga schon im Februar beim Tabellenführer Bayer Leverkusen.
»Natürlich wollen wir Dominanz. Aber gerade gegen solche Gegner ist es auch schön zu sehen, dass wir uns anpassen können im Sinne des Erfolgs«, sagte Thomas Müller nach dem Sieg gegen Stuttgart. »Es hat gut funktioniert, was wir uns vorgenommen haben. Wir waren nicht so eitel zu sagen, wir brauchen jetzt unbedingt 80 Prozent Ballbesitz.« Stattdessen waren es bis weit in die zweite Halbzeit hinein gerade einmal rund 30 Prozent. Die abwartende Haltung war zwar auch auf die vielen Ausfälle zurückzuführen. Statt Joshua Kimmich und Leon Goretzka, die kurzfristig krankheitsbedingt ausgefallen waren, bildeten Raphaël Guerreiro und der 19-jährige Aleksandar Pavlovic eine improvisierte Doppel-Sechs im zentralen Mittelfeld.
Doch die Lauerstellung des FC Bayern folgte einem klaren Plan. Man habe wegen Stuttgarts Ballsicherheit gewusst, »dass wir mal über Strecken Ballbesitz abgeben«, erklärte Tuchel – und deshalb habe man oft tief verteidigt und »den Teamgedanken in den Vordergrund gestellt«. Und das mit »Fleiß, Disziplin und ganz engen Abständen«. Anders als früher habe man diesmal »viel aktiver« verteidigt und die Zweikämpfe geführt, ergänzte Müller. »Dass wir dann super umschalten können, das ist eine unserer großen Stärken in diesem Halbjahr.«
Exemplarisch für Bayerns ungewohnten Stil stand Harry Kanes 1:0 in der zweiten Minute nach einem Ballgewinn im Mittelfeld und Müllers schnellem Zuspiel auf Leroy Sané. Viele Chancen erspielten sich die Münchner nach diesem Muster, allerdings mit dem Makel, diese ungenutzt zu lassen. »An einem anderen Tag hätten wir wahrscheinlich drei oder vier Tore mehr schießen können«, befand Kane. Zufrieden war er dennoch. Denn hinzu kam auch dank des jungen Pavlovic eine Standardstärke, aus der in der 55. Minute Kanes 20. Saisontor und acht Minuten später Minjae Kims erstes jeweils per Kopfball hervorgingen. Manchmal bedürfe es eben einer anderen Taktik als gewohnt, sagte Kane. »In einer Saison muss man verschiedene Wege finden, um zu gewinnen.«
Es ist aber nicht so, dass die Bayern zur reinen Kontermannschaft werden. Sie werden meist eine Ballbesitzmannschaft bleiben und sich wahrscheinlich schon am Mittwoch in Wolfsburg wieder als solche zu erkennen geben. Die abwartende Haltung »passt nicht auf jeden Gegner. Wir können uns nicht gegen Gegner, die es nicht so lieben, den Ball selber zu haben, hinten rein oder an die Mittellinie stellen«, sagte Müller. Aber situativ, das war die wertvolle Erfahrung für die ganz großen Saisonziele, kann sich auch mal eine listige und abwartende Variante als Erfolgsmodell erweisen. Wenn es optimal läuft aus Sicht der Bayern vielleicht sogar am 1. Juni in Wembley. In Tansania glauben jedenfalls viele Menschen daran.
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