Jemen: Armada fürs Rote Meer gegen Raketenangriffe

Wie die Huthi-Angriffe auf die freie Seeschifffahrt gestoppt werden sollen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Bab-Al-Mandab-Straße ist nur zwölf Kilometer breit. Pro Jahr befahren um die 230 000 Schiffe diese Passage aus dem Golf von Aden ins Rote Meer. Nachdem sie den Suezkanal hinter sich gelassen haben, steuern vor allem Containerschiffe und Rohöltanker Häfen der sogenannten westlichen Welt an. Auf diese Weise werden zwölf Prozent des Welthandels abgewickelt. Mehr als sechs Millionen Barrel Rohöl passieren täglich die Region – vor allem auf dem Weg nach Europa.

Seit Jahren bereits ließen Kapitäne in diesem Seegebiet besondere Vorsicht walten. Das hat weniger nautische Gründe, auch der Verkehr ist beherrschbar. Die wachsamen Blicke richteten sich stets auf die jemenitische Küste, die von hochgerüsteten Huthi-Milizen beherrscht wird. Sie sind mit dem Iran sowie der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah verbündet und unterstützen – so die Selbstauskunft – den Kampf des palästinensischen Volkes. Und das ganz gewiss so lange, bis Israel seine Angriffe auf Gaza einstellt und ausreichend Lebensmittel und Medikamente, »die unsere standhaften Brüder benötigen«, in den Gazastreifen lässt, betonte Huthi-Sprecher Mohammad Abdel Salam vor wenigen Tagen.

Es blieb nicht bei Drohungen. Täglich kommt es zu Angriffen auf unbewaffnete Handels- und schwer bewaffnete Marineschiffe aus verschiedenen Ländern. Noch Anfang Oktober versicherten die Huthi, alle Schiffe könnten unbehindert zu »allen Häfen auf der ganzen Welt« gelangen; jedoch werde man nicht zögern, all jene ins Visier zu nehmen, die Güter für Israel transportieren. Der erste Akt war die Kaperung eines japanischen Frachters. Inzwischen erklärten die Huthi alle Schiffe zu »legitimen Zielen unserer Streitkräfte«, es sei denn, sie befördern Hilfsgüter für die Gaza-Bewohner. Täglich werden nun Handelsschiffe, die unter der Flagge verschiedenster Staaten fahren, bedroht, zum Stoppen aufgefordert und beschossen.

Noch halten sich die Schäden in Grenzen, noch wurden keine Besatzungsmitglieder ernsthaft verletzt. Das ist vor allem drei Kriegsschiffen aus Nato-Staaten zu danken. Am Wochenende schoss der US-Lenkwaffenzerstörer »USS Carney« während einer 45-minütigen Angriffswelle 14 mutmaßliche Huthi-Drohnen ab. Auch der britische Zerstörer »HMS Diamond« holte eine anfliegende Rakete vom Himmel, die französische Fregatte »Languedoc« rettete einen unter norwegischer Flagge fahrenden Chemikalientanker.

Trotz dieser Abwehrerfolge unter nationalem Kommando sind die Auswirkungen auf den freien Seeverkehr gewaltig. Am Wochenende wies die französische Containerreederei CMA CGM Group ihre Schiffe an, »ihre Reise in sicheren Gewässern« fortzusetzen. Bereits am Freitag hatte eine der größten Reedereien der Welt, die dänische Maersk, erklärt, man werde die Straße von Bab Al-Mandab vorerst meiden. Auch die in Deutschland ansässige Hapag-Lloyd stoppt ihren Containerschiffsverkehr durch das Rote Meer. Schiffe beider Reedereien waren Angriffsziele. Immer mehr Unternehmen verlegen ihre Transportrouten um das Kap der Guten Hoffnung herum, auch die weltgrößte Containerreederei MSC. Das verschiebt die Ankunft der Waren je nach Bestimmungsort um 6 bis 14 Tage.

Ökonomen befürchten, dass die Spannungen im Roten Meer zu einem Kaskadeneffekt für die Weltwirtschaft führen können. Zudem könnte die Lage an Jemens Küste leicht außer Kontrolle geraten. US-Sicherheitsberater Jake Sullivan sagte am Freitag vor Journalisten in Tel Aviv, dass »die Huthis zwar den Abzug betätigen, doch die Waffen werden ihnen vom Iran in die Hand gedrückt«.

Was folgt? Pentagon-Insider wissen angeblich von geplanten US-Schläge gegen die Abschussbasen in Jemen und erinnern daran, dass die USA auch schon Ziele in Syrien und Irak angegriffen haben, wo sich Militante allzu solidarisch mit der Hamas gezeigt haben.

In dieser Woche werden US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sowie der Vorsitzende der Vereinten Streitkräftechefs, General C.Q. Brown, in Nahost erwartet – möglicherweise um die internationale Operation Prosperity Guardian (Hüter des Wohlstands) zu aktivieren. Die soll die in der Region operierende »Task Force 153« der US-Marine verstärken. Noch ist unklar, welche Nationen sich daran beteiligen und welche Befugnisse die Armada haben soll. Doch Irans Verteidigungsminister Mohammad Reza Qarai Aschtiani warnte bereits, dass eine multinationale Task Force zum Schutz der Schifffahrt im Roten Meer vor »außergewöhnlichen Problemen« stünde.

Noch prüft die deutsche Regierung eine Bitte der USA zur Unterstützung eines solchen Einsatzes, da spricht sich die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), bereits für die Beteiligung der Deutschen Marine aus. Infrage kämen für den Geleitschutz optimierte Fregatten der Sachsen-Klasse sowie Tross-Schiffe. Wer immer jedoch solche Operationen plant, muss damit rechnen, dass die von Teheran unterstützten Angreifer noch Asse im Ärmel haben. Sie könnten Speedboat-Schwärme losschicken, maritime Sprengdrohnen scharf machen und Minen verlegen.

Gibt es Hoffnung auf Deeskalation? Arabische Nachrichtenagenturen meldeten, Huthi-Führer hätten unter Vermittlung des Oman Gespräche mit nicht näher benannten »internationalen Parteien« über ihre Operationen im Roten Meer geführt.

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