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Kuba: Die Wirtschaft wird überholt
Kuba will Preise anpassen und zielgerichteter subventionieren
Das Jahr 2023 müsse ein besseres werden, hatte Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel seinen Landsleuten vor Jahresfrist erklärt. »Wir haben alle Grundlagen und die Überzeugung, dass es ein besseres Jahr werden kann.« Zwölf Monate später schaut Kuba auf ein weiteres schweres Krisenjahr zurück. Galoppierende Inflation, der Mangel an Treibstoff und Medikamenten sowie häufige Stromausfälle in Teilen des Landes bestimmen den Alltag und haben zu einer beispiellosen Auswanderungswelle geführt.
Die tiefgreifenden strukturellen Verzerrungen und Abweichungen zu korrigieren, die die Wirtschaftsleistung des Landes behindern, müsse eine Prämisse für das Jahr 2024 sein, sagte Díaz-Canel dieser Tage vor der Nationalversammlung. Hauptaufgabe sei die Erholung der Wirtschaft.
Dafür hat die kubanische Regierung für 2024 einen der größten makroökonomischen Anpassungspläne der vergangenen Jahrzehnte angekündigt. Dieser sieht Erhöhungen der Energiepreise und das Ende der allgemeinen Subventionen für Grundnahrungsmittel vor. Kubas Premierminister Manuel Marrero stellte den Plan kurz vor Weihnachten überraschend im Parlament vor.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Subventionen nicht mehr mit der Gießkanne
Der Plan zur makroökonomischen Stabilisierung zielt darauf ab, die Staatsausgaben zu senken, indem die vom Staat gedeckelten Preise angehoben werden. Gleichzeitig sollen die öffentlichen Ausgaben für Subventionen gesenkt werden, indem von einem Sozialmodell, das Produkte subventioniert, zu einem Modell übergegangen wird, das sozial schwache Gruppen finanziell unterstützt – ein Paradigmenwechsel. Das betrifft vor allem die »libreta«, das Rationierungsheftchen, über das Grundnahrungsmittel wie Reis, Bohnen, Speiseöl, Hühnchen und andere Waren gleichmäßig an alle Kubaner verteilt werden – zu stark subventionierten Preisen. Laut Wirtschaftsminister Alejandro Gil bedeutet das für Kuba jährliche Ausgaben in Höhe von 1,6 Milliarden US-Dollar. Das Ziel bestehe darin, »ein gerechteres und effizienteres System« zu schaffen, um »niemanden schutzlos zu lassen«, erklärte Marrero, womit er stillschweigend die Zunahme der sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten im Land anerkannte. »Es ist nicht gerecht, dass diejenigen, die viel haben, dasselbe erhalten wie diejenigen, die sehr wenig haben. Heute subventionieren wir einen kleinen Rentner genauso wie den Besitzer eines großen Privatunternehmens, der viel Geld hat«, argumentierte er.
Der Premierminister erklärte zudem, dass der Staat nicht mit der »Verschwendung« bestimmter Subventionen, etwa für Wasser, Strom, Flüssiggas und Treibstoff, fortfahren könne, und kündigte Tariferhöhungen an. Der Verkauf von Benzin und Diesel an Touristen soll künftig in Devisen erfolgen; der öffentliche Nahverkehr wird teurer werden. Zudem werde die Regierung im nächsten Jahr den offiziellen Wechselkurs des kubanischen Pesos (CUP) zum US-Dollar anpassen, so Marrero. Dazu wurde eine Arbeitsgruppe mit der Zentralbank gebildet. Derzeit liegt der offizielle Wechselkurs bei 24 CUP pro US-Dollar für juristische Personen und bei 120 CUP für Privatpersonen. Auf dem informellen Markt ist der US-Dollar inzwischen auf 270 CUP angestiegen.
Vor der Sitzung der Nationalversammlung veröffentlichte die Regierung mehrere makroökonomische Daten. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird 2023 um ein bis zwei Prozent schrumpfen, schätzt die Regierung, nachdem sie zu Jahresbeginn noch ein Wachstum von drei Prozent prognostiziert hat. Die Inflation wird zum Jahresende bei rund 30 Prozent liegen; die informelle Inflation dürfte um einiges höher sein. Der Tourismus bleibt mit knapp 2,45 Millionen Reisenden weit hinter den Erwartungen zurück.
Stabilisierung über Tourismus und Exporte
Weitere Maßnahmen des makroökonomischen Stabilisierungsplans zielen daher auf die Wiederbelebung des Tourismus, die Förderung der Produktion exportfähiger Produkte wie Nickel, Tabak und Rum sowie des Imports von Rohmaterialien und Zwischenprodukten zur Ankurbelung der heimischen Produktion. Der Zugang von Unternehmen zu Devisen soll verbessert werden, indem der Online-Handel mit Zahlungen aus dem Ausland ausgeweitet wird, ausländische Investitionen sollen weiter gefördert werden, insbesondere in die Nahrungsmittelproduktion und den Ausbau erneuerbarer Energien.
Präsident Diaz-Canel versicherte, dass die angekündigten Maßnahmen nicht die Umsetzung eines »neoliberalen Pakets gegen das Volk« sind. Befürchtungen, die libreta könnte ganz abgeschafft werden, trat er entgegen. »Nichts würde uns glücklicher machen, als ihnen zu verkünden, dass die Gehälter erhöht und dass wir genug Devisen und Treibstoff haben werden, um der Last des Mangels ein Ende zu setzen«, sagte Díaz-Canel. Aber, so fügte er hinzu, »leider wissen wir alle, dass dies nicht möglich ist«. Dennoch zeigte sich Díaz-Canel zuversichtlich, dass »diese letzte Sitzung der Nationalversammlung 2023 den Beginn eines neuen Trends im Verhalten der kubanischen Wirtschaft markieren kann«. Die Kubaner hoffen, dass er diesmal Recht behält.
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