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Premier League sendet Dauerwerbesendung von der Insel
Die Fußball-Bundesliga überlässt in der Winterpause das Spielfeld der Konkurrenz
Schön war die Zeit: Vielleicht denkt Wataru Endo manchmal wehmütig an die deutsche Bundesliga zurück, als es rund um den Jahreswechsel noch besinnlich zuging. Damit ist es für ihn vorbei, seit der japanische Nationalspieler vom VfB Stuttgart zum FC Liverpool gewechselt ist. Kaum war am Neujahrstag in einem atemberaubenden Match an der Anfield Road der Kontrahent Newcastle United (4:2) niedergerungen, entschuldigte sich der 30-Jährige fast dafür, dass er als Kapitän der japanischen Auswahl die nächsten Wochen beim Asien-Cup in Katar gefordert ist. Wie vor gut einem Jahr mit der WM ruft ihn erneut ein Turnier in die Wüste. »Sie wissen, dass ich auch für meine Nationalmannschaft spielen muss«, sagte Endo gegenüber Liverpools Klubmedien. »Also gehe ich nach Katar, erziele hoffentlich ein gutes Ergebnis und komme dann hierher zurück.«
Ein globales Publikum staunte über die Feiertage, was dieser Musterprofi im Mittelfeld beim Tabellenführer der Premier League leistet. Aber nicht nur in England, sondern auch in Spanien und Italien mit ihren 20 Teams umfassenden Ligen wird durchgespielt. Deutschland gönnt sich aus der Historie, als die Winter wirklich noch von Schnee und Eis geprägt waren, eine Unterbrechung, auch wenn diese gegenüber früher deutlich geschrumpft ist. Bereits zu Zeiten eines Christian Seifert an der Spitze der Deutschen Fußball-Liga (DFL) war es im vergangenen Jahrzehnt immer mal wieder ein Thema, darauf zu verzichten. Nur durchgerungen hat man sich mit dem Verweis auf eine notwendige Erholungsphase für die Spieler nie.
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Insbesondere Seifert hat dabei gern angemerkt, dass fußballinteressierte Kinder und Jugendliche in dieser Zeitspanne oft die englische Liga für sich entdecken. Denn das Wetter daheim ist schlecht, aber es sind Ferien, Schwimmbäder oder Eislaufbahnen meist überfüllt – und nicht jede Familie kann und will sich einen Skiurlaub leisten. Tatsächlich konsumieren hierzulande immer mehr Fans die Dauerwerbesendung von der Insel – besonders Jugendliche am Smartphone. Nicht wenige bleiben beim Zappen durch die Fußballnews an der Premier League hängen, die sich auch digital viel mehr als die Bundesliga geöffnet hat.
Selbst wer nicht den Bezahlsender Sky mit seinen exklusiven Premier-League-Übertragungen abonniert hat, wird mit wenigen Klicks ordentlich versorgt. Allein Liverpool hat 9,1 Millionen Abonnenten bei Youtube, erreicht mehr als 17 Millionen Menschen mit Tiktok und sogar fast 44 Millionen auf Instagram. Zum Vergleich: Bei Borussia Dortmund sind es auf all diesen Plattformen nicht mal die Hälfte. Gerade erst hat Bernd Leno als Torwart des FC Fulham der Funke Mediengruppe gesagt: »Ich habe das Gefühl, in England ist der Fußball in Sachen Vermarktung, Digitalisierung und der Art und Weise, wie das Produkt im Ausland verkauft wird, zehn Jahre voraus.«
Auch aufgrund der durch seine Kolonialgeschichte gebrochenen Sprachbarriere hat sich die englische Liga eine über den gesamten Globus spannende Reichweite aufgebaut. Der in London lebende deutsche Korrespondent Sven Haist hat in einem Beitrag zuletzt treffend festgehalten: »Die rasant voranschreitende Globalisierung und das damit auch durch die Decke gehende Fußball-Interesse beschleunigte die Bekanntheit der Premier League. Diese Entwicklung zog vermögende Investoren aus aller Welt an, die der privatwirtschaftlich organisierte englische Fußballbetrieb mit offenen Armen empfing. Die Klubstrukturen in England wirken in vielerlei Hinsicht wie ein Abbild der freien angelsächsischen Marktwirtschaft. So schufen sich die Vereine in Verbindung mit der englischen Tradition als Mutterland des Fußballs einen finanziellen Vorsprung.«
Die Macher reizen den Kalender fast komplett aus. Damit nach einem halben Dutzend Partien am 23. Dezember erst gar keine Ruhe aufkam, musste der FC Chelsea am Heiligabend in Wolverhampton antreten – erstmals seit 28 Jahren. Der Testballon sei gut geflogen, hieß es danach. Warum auch nicht, die Geschenke werden auf der Insel schließlich erst am 25. Dezember geöffnet. Traditionell starke Quoten verbuchen Spiele am Boxing Day, dem zweiten Weihnachtstag, danach rollte der Ball mit Ausnahme des 29. Dezembers täglich bis zum 2. Januar in mindestens einem englischen Stadion.
Luft geholt wird auch an diesem Wochenende. Über fünf Tage verteilt sich die 3. Runde im FA-Cup, vergleichbar mit dem deutschen DFB-Pokal, der die Spitzenteams Arsenal und Liverpool beim nächsten Hit am Sonntagabend aufeinandertreffen lässt. Die pausenlos beanspruchten Protagonisten auf dem Rasen werden so gut bezahlt, dass sie über die Terminhatz kaum klagen.
Fußball in Endlosschleife gehört nicht erst seit gestern zum Geschäftsmodell. Die Premier League hat jüngst einen neuen TV-Vertrag abgeschlossen, der ihr ab 2025/2026 aus den nationalen Medienrechten pro Saison umgerechnet fast zwei Milliarden Euro einbringt. Das sind aber nur die nationalen Erlöse, hinzu kommen aus der Auslandsvermarktung weitere 1,85 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die Bundesligaklubs verdienen insgesamt 1,3 Milliarden Euro, weil gerade international noch viel aufzuholen ist. Gerade mal 200 Millionen Euro zahlen Sender aus dem Ausland für die Übertragungsrechte.
Eine richtige Strategie ist noch nicht entworfen, wie der Rückstand aufzuholen ist. Angeblich will die neue DFL-Geschäftsführung aber den zuletzt mühsam durchgebrachten und bei den meisten organisierten Fans verhassten Investorendeal genau dazu nutzen. Noch wird am »Winterpäuschen« festgehalten: Laut Rahmenspielplan für 2024/2025 wird letztmals am 22. Dezember gespielt, weiter geht’s dann in der dritten Januarwoche 2025.
Die Liga ist sich derzeit nicht mal einig, wie man sich am besten auf den Neustart nach der Auszeit über die Feiertage vorbereitet. Viele Klubs sind daheimgeblieben, andere wie Borussia Dortmund, RB Leipzig, FSV Mainz 05 oder SV Darmstadt 98 üben gerade in Spanien. Einen Sonderweg beschreitet der FC Bayern, der sich fürs erste Bundesligaspiel 2024 gegen die TSG Hoffenheim (12. Januar) zwar noch »dahoam« präpariert, danach aber in ein Trainingslager in Faro nach Portugal jettet. Die vergangenen Jahre war es für die Münchner immer nach Katar gegangen, was zu heftigen sportpolitischen Debatten auch mit den eigenen Fans führte. Für die Bayern wäre dort in diesem Jahr ohnehin kaum Platz, denn die besten 24 asiatischen Nationalmannschaften nehmen fast alle Einrichtungen in Beschlag, die gut ein Jahr nach der WM noch stehen.
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