AfD-Verbot: Fulminante Scheindebatte

Ein AfD-Verbot wird von der bürgerlichen Gesellschaft nicht ernsthaft angestrebt, meint Leo Fischer

Soll man die AfD verbieten? Derzeit wird darüber eine fulminante Scheindebatte geführt. In drei Bundesländern kann die Partei, die mit jeder Erneuerung rechtsradikaler geworden ist, mit Wahlergebnissen um 30 Prozent und mehr rechnen. In drei Ländern wird sie vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft. Die ideologische Nähe deutscher Rechtsterroristen der letzten Jahre zu dieser Partei ist vielfach belegt. Die Argumente für ein Verbot sind gewichtig.

Eine Scheindebatte ist es nicht, weil man, wie Merz behauptet, eine Partei, die in Umfragen 30 Prozent erreicht, »nicht einfach verbieten« könnte. Es ist eine Scheindebatte, weil niemand ernsthaft beabsichtigt, die AfD zu verbieten. Das liegt schon in der paradoxen Begründungspraxis der obersten Gerichtsbarkeit, wie sie sich im NPD-Verbotsverfahren zeigte: Die NPD war zu klein, um verboten zu werden, die AfD hingegen ist zu groß. Eine rechtsradikale Partei, die an den Grundfesten des Staates sägt, müsste genau richtig groß sein! In der NPD waren zu viele V-Männer, die AfD hingegen stellt umgekehrt wesentliches Personal der Sicherheitsbehörden.

In der CDU will schon deshalb niemand die AfD verbieten, weil man sich darin einrichtet, die AfD light zu sein, die Alternative der Alternative: Man kopiert ihre Themen, macht sie aber präsentabel, mainstreamt rechte Diskurse und drängt die sozialdemokratischen Parteien ideologisch in die Ecke. Die CDU braucht die AfD als ideologischen Themenmotor. SPD und Grüne hingegen würden mit einem Verbotsverfahren in der aktuellen Stimmung implodieren – entsprechende Vorschläge sind deshalb nur Gedankenexperimente, gestischer Antifaschismus.

Leo Fischer

Leo Fischer ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chef des Satiremagazins »Titanic«. In seiner Kolumne »Die Stimme der Vernunft« unterbreitet er der aufgeregten Öffentlichkeit nützliche Vorschläge. Alle Texte auf: dasnd.de/vernunft

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Sinnvoll wäre ein Verbot, weil die AfD politisch nicht zu schlagen ist. All die öffentlichen Versuche der Entzauberung in Talkshows haben nur ihre Sichtbarkeit erhöht. Die AfD ist nur in der Struktur anzugreifen, sie muss zerschlagen werden. Ist sie doch vor allem Plattform und Netzwerk: Hier versammeln sich unterschiedlichste rechtsradikale Milieus, von Waffennarren und Männerrechtlern über alte Nationale bis zu jungen Marktradikalen und identitären Instagram-Kaspern. Die AfD ist eine Ansammlung von Sektierern und Selbstdarstellern, die, auf sich allein gestellt, schnell ins rechte Paralleluniversum auf Social Media verschwinden würden. Die Partei gibt ihnen Legitimität, Ressourcen, Kontakte. Diese zu erhalten und zu mehren, darauf können sich die rechten Milieus, untereinander oft spinnefeind, immer einigen. Die AfD als Partei hat fast nichts zu sagen, sie interessiert nur als Label, als Marke.

Denn das ist die Frage: Warum haben gesichert rechtsextreme Parteiverbände noch Facebook-Accounts, Bankkonten, Sendezeit im Öffentlich-Rechtlichen, können Hotels und Sitzungssäle mieten, Büromaterial bestellen? Die bürgerliche Gesellschaft glaubt sich selbst nicht, glaubt ihren eigenen Expert*innen und Behörden nicht. Sie distanziert sich rhetorisch, während sie performativ alles weiterlaufen lässt.

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