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Millionenschaden durch Sabotage an Gaspipeline bei Brunsbüttel
Mindestens acht Löcher wurden in die Gasleitung gebohrt. Mögliches Motiv ist laut Ende Gelände der Kampf gegen den Ausbau fossiler Infrastruktur
Die Schäden an der Gaspipeline zwischen Brunsbüttel und Hetlingen in Schleswig-Holstein sind schwerwiegender als bislang bekannt. Laut Informationen des »Spiegel« wurde die im Bau befindliche Leitung an mindestens acht Stellen angebohrt, die sich über eine Strecke von mehr als einem Kilometer verteilen – bisher war von mindestens drei Löchern die Rede gewesen. Dadurch wurde demnach ein Schaden von schätzungsweise 1,6 Millionen Euro oder mehr verursacht. Die Pipeline soll das neue Flüssigerdgasterminal bei Brunsbüttel mit dem deutschen Energienetz verbinden.
Nach Ermittlungen des schleswig-holsteinischen Landeskriminalamts soll die Sabotage mit professioneller Ausrüstung wie Spezialbohrern durchgeführt worden sein. Die Löcher in der stählernen Gasleitung seien von außen kaum zu erkennen gewesen, da sich der darüber liegende Kunststoffüberzug nach dem Bohren wieder zusammengezogen habe. Ende November seien die Löcher bei einer Druckprobe der Pipeline im Raum Pinneberg festgestellt und der Polizei gemeldet worden, wie der Betreiber Gasunie mitteilt. Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen des Anfangsverdachts der verfassungsfeindlichen Sabotage, da die Trasse zur »kritischen Infrastruktur« der deutschen Energieversorgung zählt.
Betrieb voraussichtlich ab Februar
»Die zuständigen Behörden ermitteln in alle Richtungen«, sagt ein Sprecher von Gasunie. Inzwischen seien alle Fehlstellen an der rund 55 Kilometer langen Leitung lokalisiert, ein Großteil sei bereits repariert worden. Die letzten Reparaturen sollen in den kommenden Tagen vorgenommen werden, sofern das Wetter es erlaubt. Nach der geplanten Unterbrechung zum Jahreswechsel sollen die restlichen etwa 300 Meter Rohrlänge verlegt werden.
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Wenn die Trasse fertiggestellt sei, werde sie einer zusätzlichen Überprüfung unterzogen. »Wir planen, die Leitung im Februar in Betrieb nehmen zu können«, erklärt das Unternehmen. Die Einspeisung von Flüssiggas aus dem schwimmenden Terminal in Brunsbüttel sei derweil über eine rund drei Kilometer lange Gasleitung in das regionalen Gasverteilnetz in Schleswig-Holstein gesichert.
Angriff auf fossilen Kapitalismus
Die für die Sabotage Verantwortlichen sind bislang unbekannt, doch das Bündnis Ende Gelände liefert eine Erklärung für mögliche Beweggründe. Ende Gelände richtet sich gegen den fossilen Kapitalismus, also gegen die Nutzung fossiler Energien wie Kohle, Erdgas und Öl. Sabotage sei schon lange ein Mittel des Protests, sagt Bündnissprecherin Jule Fink zu »nd« und verweist auf das »Castor Schottern« der Anti-Atomkraft-Bewegung. Nun werde neue fossile Infrastruktur gebaut und die Politik übernehme »die Lügen der Industrie«, wenn es heißt, die Energieversorgungssicherheit sei andernfalls gefährdet.
So lässt die Bundesregierung in Brunsbüttel und an vier weiteren Standorten in Deutschland Flüssiggasterminals errichten, die mit extremen Eingriffen in die Natur verbunden sind und die Energieversorgung auf Jahrzehnte an klimaschädliches Erdgas fesseln. Begründet wird dies damit, dass es andernfalls infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und des Wegfalls russischer Gaslieferungen zu einer Gasmangellage kommen könnte – was laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) nicht stimmt. Durchgesetzt werden die Terminals gegen vehemente Proteste von Umwelt- und Klimaschützer*innen sowie der lokalen Bevölkerung.
Bei der Vermarktung fossiler Energie als innovativ werde »extremes Greenwashing« betrieben, kritisiert Fink. Eine Stellungnahme zur Sabotage, die Ende Gelände über einen Social-Media-Kanal geteilt hat, beginnt mit der Beschreibung einer klassischen Bewegungsbiografie: von der Organisation von Demos über die Blockade symbolischer Orte, zum Beispiel Firmenzentralen, bis hin zur Blockade von Klimakillern wie beispielsweise Kohlegruben.
Die Reaktionen reichen von »Die Grünen können dich irgendwie verstehen« über »Es passiert weiter nichts« bis zu »Die Cops werden gewalttätig«. Schließlich würden Dörfer und Wälder besetzt, um sie vor Abbaggerung und Rodung zu schützen, während die Klimakrise mit Dürre und Fluten in Deutschland ankomme – und von Seiten der Politik überhaupt nichts mehr zu erwarten sei.
»Sabotage ist legitim«
Ende Gelände beschreibt den Frust vieler Aktivist*innen und die Notwendigkeit, zu radikaleren Mitteln zu greifen: »Wo Appelle verhallen, greifen wir zu Blockaden. Da wir nicht überall blockieren können, ist Sabotage gegen die Zerstörung unseres Klimas legitim.« Die Strategie sei, so erklärt es Jule Fink, die Klimagerechtigkeitsbewegung zum »Investitionsrisiko« fossiler Unternehmen und deren Technologie durch Sabotage unprofitabel zu machen. Wer Flüssiggasterminals, Autobahnen oder sonstige fossile Infrastruktur baue, solle wissen: »Wir werden keine Ruhe lassen. Es braucht ein Feuerwerk an Aktionen.« mit dpa
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