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AfD und CDU: Schwarz zu Blau
Das neue Grundsatzprogramm der CDU deckt sich in weiten Teilen mit den Forderungen der rechten Konkurrenz
Wenn Generalsekretär Carsten Linnemann über seine Partei spricht, darf eine Floskel nicht fehlen. »Wir brauchen wieder CDU pur«, sagt der konservative Politiker gern vor Journalisten. Dieser Satz bedeutet auch, dass die Union nach einem möglichen Sieg bei der Bundestagswahl 2025 keine Kompromisse mehr machen soll, die das konservative Profil der Partei verwässern. Dieser Vorwurf wird in der CDU immer wieder gegen Angela Merkel erhoben, die 16 Jahre als Bundeskanzlerin regierte. Im Jahr 2015 verzichtete sie darauf, die Grenzen für Geflüchtete zu schließen. Einige Jahre zuvor hatte Merkel wegen des GAU im japanischen Kernkraftwerk Fukushima den Plan ihrer rot-grünen Vorgängerregierung, aus der Atomenergie auszusteigen, wieder in Kraft gesetzt.
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz und Carsten Linnemann bewerten diese Entscheidungen als schwere Fehler, die der Partei geschadet hätten. Sie wollen zurück zu einem stramm konservativen Kurs, zur CDU pur eben. Diese Haltung zeigt sich auch im Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm, das der CDU-Bundesvorstand an diesem Wochenende auf seiner Klausur in Heidelberg abschließend beraten und dann an den Bundesparteitag überweisen will. Dieser tagt Anfang Mai in Berlin und soll das neue Programm beschließen.
In dem Papier werben die Konservativen im Unternehmerlager mit niedrigeren Steuern. Da eine Gegenfinanzierung fehlt, würde es unter einer CDU-Regierung weitere Kürzungen im Sozialstaat geben. Eine Rückkehr zur Atomenergie ist angedacht. Merz hatte kürzlich den französischen Präsidenten Emmanuel Macron gelobt, weil dieser neue Kernkraftwerke bauen will. Damit grenzt sich der CDU-Chef deutlich von den Grünen ab, die gegen eine Renaissance der Atomenergie sind.
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Geflüchtete sollen laut dem Programmentwurf der CDU möglichst weit weg von der Europäischen Union bleiben. Die Konservativen wollen sie in Drittstaaten bringen, wo die Asylanträge bearbeitet werden. Im Falle eines positiven Ausgangs werde dieser Drittstaat dem Antragsteller vor Ort Schutz gewähren. Wo es für die Betroffenen hingehen soll, hatte Unionsfraktionsvize Jens Spahn kürzlich erklärt. Er plädierte dafür, Schutzsuchende nach Ghana, Ruanda oder in osteuropäische Nicht-EU-Länder, zum Beispiel in die Republik Moldau, zu bringen. Länder also, aus denen zurzeit viele Menschen vor Verfolgung, Ausgrenzung und damit verbundener Armut fliehen. Von »sicheren Drittstaaten« kann nicht die Rede sein. Trotzdem lässt auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zurzeit prüfen, ob es möglich ist, Asylverfahren in Staaten außerhalb der EU zu verlagern.
Gemeinsame Mehrheit im Bund
Die guten Umfragewerte der Union, die seit Monaten mit mehr als 30 Prozent auf Platz eins liegt, führen zu einem Rechtsruck in der rot-grün-gelben Bundesregierung, die hofft, somit Stimmen zurückgewinnen zu können. Ob dieser Plan aufgeht, ist allerdings sehr zweifelhaft. Zumal die Verschärfungen in der Asylpolitik in den vergangenen Jahren nicht dazu geführt haben, dass die AfD schwächer wird. Sie kommt in den bundesweiten Umfragen auf mehr als 20 Prozent und rangiert auf dem zweiten Platz. Die AfD sieht sich angesichts des zunehmend menschenfeindlichen Diskurses über Geflüchtete in der Bundesrepublik bestätigt.
Theoretisch hätte die Union zusammen mit der AfD eine komfortable konservativ-rechte Mehrheit im Bundestag, wenn sich das derzeitige Stimmungsbild bei der Bundestagswahl 2025 bestätigen sollte. Doch wie die Konservativen mit ihrer rechten Konkurrenz umgehen werden, ist noch nicht entschieden. Auf ihrem Hamburger Bundesparteitag im Dezember 2018 hatte die CDU beschlossen, Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland abzulehnen.
Doch dieser Beschluss kann schnell durch einen neuen ersetzt werden. Das Grundsatzprogramm ist zweifellos eine inhaltliche Annäherung der CDU an die AfD. Das gilt nicht nur für die Asyl- und die Energiepolitik. Ebenso wichtig ist für beide Parteien der Kulturkampf gegen Grüne und Teile der Linken. Dieser entzündet sich etwa an der Frage, ob ein Gendersternchen verwendet werden sollte oder nicht. »Wir wollen, dass in allen Behörden, Schulen, Universitäten und anderen staatlichen Einrichtungen sowie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk keine grammatikalisch falsche Gender-Sprache verwendet wird«, heißt es im Entwurf für das neue CDU-Grundsatzprogramm.
Union und AfD könnten sich bei diesem Thema und weiteren schnell einigen. Zudem hätte eine Zusammenarbeit auf Bundesebene den Vorteil für die Konservativen, dass die AfD staatstragend auftreten und ihre Pöbeleien im Parlament, die bei Protestwählern gut ankommen, zumindest reduzieren müsste. Auch den wütenden Mob, den die AfD auf den Straßen mobilisieren kann, wenn es etwa um Geflüchtete geht, würde die Union sehr gerne besänftigen. Für Macht und Posten wären viele Rechte dazu sicherlich bereit. Parteiführerin Alice Weidel hat die Union bereits mehrfach zu einer Zusammenarbeit aufgerufen.
Wichtigstes Konfliktthema: Russland
Doch auf Bundesebene gibt es auch Differenzen zwischen den Konservativen und der AfD. Das wichtigste Konfliktthema ist der Umgang mit Russland. Einflussreiche Kräfte in der AfD wollen Präsident Wladimir Putin die Hand reichen und die frühere Zusammenarbeit in der Energiepolitik wiederbeleben, damit günstiges Öl und Gas aus Russland nach Deutschland fließen.
Die Union ist strikt dagegen, solange der Krieg in der Ukraine tobt. Sie setzt auf Sanktionen gegen Russland und will im Unterschied zur AfD die Regierung in Kiew weiterhin mit Waffen unterstützen. Ein Kompromiss zwischen Union und AfD ist in der Ostpolitik zurzeit nicht denkbar.
Diese Situation will der frühere Inlandsgeheimdienstchef Hans-Georg Maaßen für sich nutzen und eine neue konservative Partei gründen, die mit der AfD koalieren kann. Er ist Vorsitzender der sogenannten Werteunion, einem Basisverein, der sich in der CDU für ein neoliberales und flüchtlingsfeindliches Programm eingesetzt hat. Obwohl viele Wünsche der Werteunion nun durch das neue Grundsatzprogramm in Erfüllung gehen, will Maaßen aus dem Verein eine eigene Partei machen, die bei den diesjährigen drei Landtagswahlen im Osten antritt. Das hat auch persönliche Gründe. In der CDU läuft ein Ausschlussverfahren gegen ihn.
Was in der Bundesrepublik droht, wenn Maaßen mit seinen Plänen erfolgreich sein sollte, zeigt ein Bericht des Recherchezentrums Correctiv. Demnach waren zwei Mitglieder der Werteunion im November bei einem Treffen mit AfD-Politikern, weiteren Rechtsradikalen und finanzstarken Unterstützern der rechten Szene in einem Landhotel in der Nähe von Potsdam zugegen. Die Teilnehmer sollen über die massenhafte Vertreibung von Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund aus der Bundesrepublik diskutiert haben.
Allerdings wird es für Maaßen nicht leicht. Die Werteunion hat nach eigenen Angaben 4000 Mitglieder, prominente Köpfe fehlen bislang, und nicht jeder ist begeistert von der Idee, eine neue Partei zu gründen. Die Heimatunion Sachsen winkt bereits ab. Maaßen führt aber offenbar auch Gespräche mit gescheiterten AfD-Politikern wie dem früheren Parteichef Jörg Meuthen und umwirbt enttäuschte FDP-Mitglieder. Wenn Maaßen diese Leute für sich gewinnen sollte, werden auch die Debatten über konservativ-rechte Bündnisse in Deutschland zunehmen.
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