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Der Afrika-Cup soll Côte d’Ivoire voranbringen
Côte d’Ivoire richtet den 34. Afrika-Cup aus. Regierung und Bevölkerung hoffen auf mehr als nur ein Fußballfest
In Abidjan ist es auch im Januar heiß. In der Wirtschaftsmetropole von Côte d’Ivoire, die heute gebräuchliche Bezeichung der Elfenbeinküste, scheint die Sonne den ganzen Tag lang, das Thermometer zeigt nicht selten 35 Grad Celsius an. Der Klimawandel hat nichts damit zu tun, die westafrikanische Republik liegt nun einmal zwischen dem nördlichen Wendekreis und dem Äquator. Hier gibt es keine klassischen Jahreszeiten, lediglich die Trockenzeit, die von Dezember bis April andauert, und die Regenzeit von Mai bis November. Vielleicht war das Wetter einer der Gründe, warum die Afrikanische Fußballkonföderation (Caf) im vergangenen Jahr entschied, den Afrika-Cup auf Januar 2024 zu verschieben, anstatt ihn sechs Monate davor unter ständiger Angst vor Regengüssen austragen zu müssen. Andererseits war es nicht der erste Aufschub.
Schon 2014 gab die Caf bekannt, dass Kamerun 2019 den wichtigsten Sportwettbewerb des Kontinents veranstalten sollte, Côte d’Ivoire dann 2021. Verzögerungen bei Bauarbeiten an den Spielorten und die Corona-Pandemie änderten jedoch die Situation in Kamerun, dementsprechend verschoben sich beide Turniere um zwei Jahre. »Hätten wir es 2021 veranstalten müssen, wären wir trotzdem bereit gewesen«, versichert ein Sprecher des Sportministeriums »nd«. Mag sein. Vielleicht aber hätte Staatspräsident Alassane Ouattara dann nicht vollmundig den »besten Afrika-Cup, der je organisiert wurde«, versprochen.
Immerhin hat das Warten nun ein Ende. Nach neun Jahren und Gesamtinvestitionen von umgerechnet knapp 1,4 Milliarden Euro steigt an diesem Sonnabend (21 Uhr) das Eröffnungsspiel zwischen Gastgeber Côte d’Ivoire und Guinea-Bissau. Für das Team von Nationaltrainer Jean-Louis Gasset ein recht einfacher Gegner, auch wenn die heimischen »Elefanten« nicht als Topfavorit des Turniers gelten. Da sind eher Algerien, Marokko, Ägypten, Nigeria und Senegal aufzulisten. Nach zwei Triumphen 1992 und 2015 scheint ein dritter Stern auf dem orangefarbenen Nationaltrikot der Gastgeber eher unrealistisch.
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»Unser Ziel ist es, so weit wie möglich zu kommen«, sagt der Vorsitzende des ivorischen Fußballverbands Yacine Idriss Diallo. »Dafür haben wir seit einem Jahr eine Mannschaft aufgebaut. Viele Spieler haben zwar kaum internationale Erfahrung, jedoch agieren sie als Team und geben 100 Prozent, um die ivorische Fahne hochzuhalten.«
Diallo muss die Fragen des nd-Autors mit lauter Stimme beantworten, um den Höllenlärm des tropischen Regens zu übertönen, der gerade hinter ihm in Ebimpé herunterprasselt, einem Dorf nördlich von Abidjan. Hier herrscht ein Mikroklima, das sich vom Traumwetter im 20 Kilometer entfernten Stadtzentrum deutlich unterscheidet. In Ebimpé wurde vor drei Jahren das Stade Olympique Alassane Ouattara aus dem Boden gestampft, eine der sechs Arenen, in denen insgesamt 52 Turnierspiele ausgetragen werden. Kosten und Bauarbeiten hat ein chinesisches Unternehmen übernommen, »im Namen der ivorisch-chinesischen Kooperation«, so Diallo.
Kurz nach Eröffnung erlebte die Arena aber ein Fiasko nach dem anderen. So wurde im September das Freundschaftsspiel gegen Mali zur Halbzeit abgebrochen. Starker Regen hatte den Rasen komplett unter Wasser gesetzt. Wenige Monate vor dem Afrika-Cup, zu dem 1,5 Millionen Besucher erwartet werden, galt das als Blamage für das Organisationskomitee. Vor allem, weil allein das Spielfeld inmitten der 60 000 Sitzplätze fast zwei Millionen Euro gekostet hat.
Sportminister Claude Paulin Danho wurde daraufhin entlassen, die Beaufsichtigung des Turniers direkt dem neuen Regierungschef Robert Beugré Mambé übertragen. »Irgendwie bin ich froh, dass es heute so stark regnet«, sagt Idriss Diallo. »So sehen Sie live den Beweis, dass der Rasen zu 100 Prozent in Ordnung ist.«
Am Spielfeldrand überwacht der französische Bauleiter Didier Pascal ein halbes Dutzend Angestellte, die hockend sorgfältig überprüfen, dass auch ja kein Halm Unkraut wächst. »Seitdem wir im September mit der Renovierung beauftragt wurden, kommen wir jeden Tag vorbei, um den Zustand des Rasens zu überprüfen«, so Pascal. Ihm zufolge war das Grün zuvor nicht abschüssig und durchlässig genug. »Deswegen haben sich Pfützen gebildet. Wir haben Sickerschlitze angebracht, dazu gesäubert, neu gesät.« Harte Arbeit: eine Woche lang, 20 Stunden am Tag. »Aber heute bildet sich keine einzige Pfütze mehr«, zeigt Pascal stolz.
Die anderen fünf Stadien erwiesen sich als weniger problematisch. Zwei davon wurden renoviert, eins in Abidjan (30 000 Plätze), das andere in Bouaké (40 000), der zweitgrößten Stadt des Landes. Die drei restlichen (je 20 000), in der Hauptstadt Yamoussoukro, Korhogo und in San Pedro an der Atlantikküste, wurden neu gebaut. Hinzu kamen 24 neue Trainingsplätze, einer pro Teilnehmernation. Für größenwahnsinnig hält Verbandspräsident Diallo das alles keineswegs: »15 Jahre hatten wir keine modernen Stadien. Die Nationalmannschaft musste ihre Pflichtspiele oft im Ausland austragen. Das wird sich jetzt ändern. Côte d’Ivoire wird nun ein Hub für die Nachbarländer, deren Stadien die internationalen Normen nicht erfüllen. Wir sind sozusagen Sportdiplomaten.«
Daheim aber soll der ganze ivorische Fußball vom Turnier profitieren. »Aktuell spielen 15 der 16 Erstligavereine in Abidjan«, erzählt Diallo, und erinnert daran, dass die Wurzeln der Klubs überall im Land liegen. Dewegen kämen auch kaum Zuschauer in die Stadien. »Das kann nicht so weitergehen. Die Klubs wieder in ihren Heimatstädten spielen, das wird sich dann positiv auf die Begeisterung für die Liga, aber auch auf die Infrastruktur auswirken.«
Viele Menschen im Land befürchten jedoch, dass diese monumentalen Projekte zu sogenannten Eléphants blancs (weiße Elefanten) werden – Investitionsruinen, die kurz nach Turnierende schon ungenutzt in der Landschaft stehen. François Amichia, ehemaliger Sportminister und heute Präsident des Organisationskomitees, kennt derlei Befürchtungen, doch im Gespräch mit »nd« am Sitz des OK im populären Kiez Treichville betont er, dass das Turnier noch viel mehr in Gang gesetzt habe.
Das Gebäude liegt in einer Gasse, die wegen des hier alltäglichen Staus schwer zu erreichen ist. Von hier bis nach Ebimpé, lediglich 20 Kilometer entfernt, kann es mit dem Auto mehr als zwei Stunden dauern. Nach den Stadien hatten daher Straßenbauarbeiten die höchste Priorität. So wurde die Küstenautobahn in voller Länge saniert. Für die 350 Kilometer bis San Pedro braucht man jetzt fünf Stunden. Früher waren es zwölf. Ins Landesinnere nach Norden verbindet eine brandneue Maut-Autobahn die Handelszentren Abidjan und Bouaké.
Neue Brücken und Ringautobahnen sollen Abidjans Straßenverkehr flüssiger machen. »Außerdem haben wir neue Krankenhäuser gebaut«, berichtet Amichia. So profitiere die gesamte Bevölkerung vom Entwicklungsbeschleuniger Afrika-Cup. Zwingend notwendig, da sich laut Prognosen die Einwohnerzahl von derzeit 5,5 Millionen bis zum Ende des Jahrzehnts fast verdoppeln wird.
Dann wird vielleicht auch die erste U-Bahn Westafrikas endlich eröffnet, deren Bau seit 2015 geplant ist. Offiziell soll sie 2027 fertiggestellt werden. Doch auch in Côte d’Ivoire muss man Geduld haben. »Wir bauen gerade Projekte, die schon vor 15 Jahren fertig sein sollten«, sagt ein einheimischer Journalist. »Das Land hat eine tiefe politische Krise erlebt, die erst seit etwa zehn Jahren vorbei ist. Deswegen braucht das alles noch Zeit.« Wenn der Fußball einiges ein bisschen beschleunigt, sind aber alle Gewinner – ganz egal, wer am 11. Februar Afrikameister wird.
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