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Berliner Grüne zu Silvesterbilanz: Böllerei trotz Polizei
CDU und SPD beglückwünschen sich zur Silvesternacht, Grüne und Linke sehen das kritisch
Ob die vergangene Silvesternacht als Erfolg verbucht werden kann, darüber waren sich die Abgeordneten am Montag in der ersten Sitzung des Innenausschusses im neuen Jahr uneinig. »Für mich ist die wichtigste Botschaft dieser Silvesternacht, dass der Kontrollverlust beendet worden ist und der demokratische Rechtsstaat sich durchgesetzt hat«, sagte der innenpolitische Sprecher der CDU Burkard Dregger. Er hatte auch gleich eine Erklärung parat, warum Silvester 2023 im Gegensatz zum Vorjahr nicht von Angriffen auf Rettungs- und Polizeikräfte überschattet wurde: Weil seine Partei nun in der Regierung sitzt.
Tatsächlich verzeichnete die Feuerwehr keine verletzten Einsatzkräfte, die Polizei meldete 34 durch Pyrotechnik verletzte Beamt*innen – ein deutlicher Rückgang im Vergleich zum Vorjahr. Der Sprecher der Feuerwehr lobte deshalb die Einsatzstrategie: »Das gemeinsame Kommunikationskonzept hat sich bewährt, Einsatzkräfte konnten frühzeitig gewarnt werden.« Es sei zwar trotzdem zu rund 30 Angriffen auf Einsatzwagen gekommen, »aber die Qualität war nicht vergleichbar«. Der Einsatz von 3200 Polizeikräften zu Silvester solle zwar nicht zum Standard werden – »aber wenn es nötig ist, um den Schutz unserer Einsatzkräfte sicherzustellen, ist es richtig«.
Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion Vasili Franco stimmte zwar zu, dass die Einsatzstrategie der Polizei gut funktioniert und wahrscheinlich zum Schutz der Rettungskräfte beigetragen habe. »Trotzdem ist es vielleicht nicht die beste Lösung, wenn man dann immer 4000 Einsatzkräfte braucht, die Überstunden leisten«, bezog er sich auf die Gesamtzahl von Polizei und Feuerwehr im Dienst. Zugleich machte er auf das weiterhin hohe Aufkommen von Verletzungen und Beschüssen untereinander und auf ein Klima der Unsicherheit aufmerksam: »Viele Berliner trauen sich nicht vor die Tür. Für mich war es der ganz normale Ausnahmezustand.«
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Seine Parteikollegion Antje Kapek erinnerte zudem an Angriffe auf den öffentlichen Nahverkehr. »Ganze fünf Buslinien wurden ausgesetzt, 40 Haltestellen wurden demoliert, 15 Fahrzeuge beschädigt und BVG-Personal sogar direkt mit Schreckschusspistolen beschossen«, zog sie eine weniger euphorische Bilanz.
»Letztes Jahr hätte das Herr Dregger noch als Niederlage des Rechtsstaates kommentiert«, machte sich Franco über die Selbstbeweihräucherung der Koalition lustig. Als nachhaltige Lösung forderten er und Kapek zum wiederholten Male ein Verkaufsverbot für Pyrotechnik. Ein derartiges Verbot müsste zwar auf Bundesebene beschlossen werden, doch Innensenatorin Iris Spranger (SPD) könnte sich in der Innenminister*innenkonferenz für eine Gesetzesinitiative starkmachen. Die CDU stemmte sich jedoch erneut gegen ein Verbot.
Ein Verkaufsverbot würde alle Berliner*innen gleichermaßen treffen – im Gegensatz zu den Böllerverbotszonen, von denen an diesem Silvester zum ersten Mal das migrantisch geprägte Neukölln betroffen war. Der Linke-Abgeordnete Ferat Koçak bezeichnete die Verbotszone auf der Sonnenallee als »Rassifizierung des Problems« – schließlich hätten an Silvester 2022 die Attacken auch in einigen anderen Bezirken stattgefunden. »Aber vor allem migrantische Anwohner mussten durch Zäune und Kontrollpunkte gehen.«
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