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ZDF-Serie »Pumpen«: Die »rauchende Renate« an der Hantel

In der Serie »Pumpen« erben ungleiche Geschwister eine Muckibude und verhandeln über oberflächliche Körperideale

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 4 Min.
So trashig, dass es schon wieder gut ist: Justin (Jarno Mindner) post vor einem Spiegel auf der Trainingsfläche.
So trashig, dass es schon wieder gut ist: Justin (Jarno Mindner) post vor einem Spiegel auf der Trainingsfläche.

Es gibt Orte, an denen sich die Bandbreite moderner Gesellschaften repräsentativ versammelt. Das Fußballstadion ist so ein Makrokosmus. Der Glühweinstand auf dem Weihnachtsmarkt auch oder die Kassenzone beliebiger Supermärkte. Ob Muckibuden buchstäblich Ballungsräume soziokultureller Vielfalt sind, hängt zwar schwer von ihrer Lage ab. In »Jutta’s Fit & Fun« aber trainiert das ganze Spektrum menschlicher Eigenarten Körper, Geist und Seele.

Ob jung oder alt, groß oder klein, dick oder dünn, cool oder spießig, eingeboren oder zugezogen, m/w/d oder alles dazwischen und ringsum: sie alle arbeiten sich Seite an Seite im Magdeburger Fitnessstudio an echten oder angeblichen Problemzonen ab. Da fragt man sich schon früh in der ZDFneo-Serie »Pumpen«, ob ein halbes Dutzend Regisseure um Daniel Vogelmann sein Personal repräsentativ oder dramaturgisch gecastet hat.

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Schon die Belegschaft vereint auf 150 Quadratmetern Einsatzfläche nahezu alle Facetten individueller Diversität: Die Personal-Trainerin Flora (Lo Rivera) ist eine queerfeministische Domina, ihr schwarzer Kollege Papis (Tino Führer) eher Typ sanfter Riese. Die esoterische Yoga-Lehrerin Shae (Taynara Silva-Wolf) könnte dagegen ebenso gut im Auenland lehren, während der Lifestyle-Influencer Justin (Jarno Minder) vier bis fünf Stufen metrosexueller ist als sein Vater, der stinknormale Studio-Koch Jean (Jesse Albert).

Besonders verschieden sind allerdings ihre Vorgesetzten Mia (Lotte Becker) und Tom (Timur Bartels). Radikal ungleiche Geschwister, die zu Beginn der Sitcom Mutter Jutta beerben. Nach deren Tod muss ihr Sohn das defizitäre Gym also gemeinsam mit seiner Schwester leiten, die Fitness noch mehr hasst als Familie und auch deshalb Konditorin in Köln ist.

Headautorin Tanja Sawitzki gibt der Serie also den genretypischen Rucksack an Widrigkeiten mit auf den Weg, der erstaunliche 25 Episoden Zeit zur Entwicklung hat. Viel Stoff, um darzustellen, was auch den gelernten Schauspielern Anna-Lena Schwing (»Sløborn«) und Maximilian Mundt (»How to sell Drugs online fast«) bei ihrem Regiedebüt (Teile 11 bis 15) wichtig ist: Wie verhandelt man die kapitalistische Körperkultur ausgerechnet da, wo sie profitabel ausgebeutet werden soll?

Dieser Frage geht die für Neo produzierte Serie 22 Minuten pro Folge trotz (oder dank) der schäbigen Ausstattung erstaunlich tiefschürfend nach. Mia hat Mamas Muckibude ja nicht ohne Grund früh verlassen. Ihre Jugend, das zeigen ständige Rückblenden, stand im Zeichen einer Erziehungsmethode, die damals unter Perfektionszwang firmierte und heute neudeutsch »Bodyshaming« heißt. Denn Mia war und ist das, wozu man mittlerweile mehrgewichtig sagt.

Im Umfeld strukturierter Selbstoptimierung arbeitet sie somit das Kindheitstrauma der mangelhaften Tochter ab, von einer makellosen Mutter auf Perfektion gedrillt worden zu sein. »Schatzi, du musst nur so schnell machen, wie du’s schaffst, aber n’ bisschen schneller schaffst du schon«, hört man Mutti aus dem Off sagen, während ihr Pappaufsteller an der Kasse bisweilen zum Leben erwacht und Mia Disziplin abringt.

Es ist eine lebenskluge Konstellation – die an ihrer Ausstattung krankt. Das Budget ist so spürbar gering, dass es nur für Dutzend gebrauchter Fitnessgeräte reichte, die zudem in den Sperrholzkulissen einer Dorfturnhalle aus dem »Lindenstraßen«-Fundus von 1993 stehen. Dass sich in diesem Billigambiente vom ausdifferenzierten Bodybuildingprofi bis zum stilsicheren Berghain-Hipster eine Art Querschnittspersonal der Bundesrepublik Baujahr 2023 tummelt, bleibt demnach fast schon lächerliche Schutzbehauptung.

Einerseits. Andererseits lenkt der Look alle Aufmerksamkeit aufs (ebenfalls eher zweitklassige) Ensemble. Und das macht seine Sache mit Abstrichen ziemlich gut. Besonders Lotte Becker, bisher allenfalls in der RTL-Serie »Die Klempnerin« verhaltensauffällig geworden, adelt ihr couragiert physisches Spiel durch exzellentes Timing. Und Tino Führer kauft man den empathisch-ehrgeizigen Fitness-Junkie ebenso ab wie Christine Wilhelmi ihren Running-Gag der »rauchenden Renate«. Dass der Humor dabei gelegentlich ins Zotige abgleitet und Sheas Esoterik offenbar aus der Mottenkiste von »Sketch-up« stammt: geschenkt.

Wichtiger an dieser Low-Budget-Serie ist, dass sie mit geringsten Mitteln größtmögliche Wirkung erzielt. Das Preisleistungsverhältnis – in Zeiten leerer öffentlich-rechtlicher Kassen ein Totschlagargument – kompensiert inszenatorische Schwächen spielend. Und die Botschaft, innere Werte sind wichtiger als äußere, tut der selbstoptimierten Aufmerksamkeitsökonomie ungeheuer gut.

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