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  • Regenschirm-Revolution

Vom Verlust eines geliebten Menschen

Die Serie »Expats« erzählt von drei US-Amerikanerinnen in Hongkong und einem verschwundenen Kind

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.
Gewohnt exzellent in ihrer Rolle: Nicole Kidman als Margarete
Gewohnt exzellent in ihrer Rolle: Nicole Kidman als Margarete

Auch wenn die Streamingdienste massenhaft Serien und dabei immer wieder anspruchsvolle Inhalte produzieren, sind die Arthouse-Perlen in diesem Bereich rar gesät. Nun wartet aber Amazon Prime mit Lulu Wangs sehenswerter Verfilmung des Romans »Expatriates« von Janice Y. K. Lee auf.

Der starbesetzte Sechsteiler mit dem Titel »Expats« unter anderem mit Nicole Kidman erzählt die Geschichte von drei US-Amerikanerinnen, die in Hongkong leben und durch eine tragische Geschichte miteinander verbunden sind. Der vierjährige Sohn von Margarete (Nicole Kidman) wird auf einem belebten Markt entführt, als die aus New York stammende koreanischstämmige Studentin Mercy (Ji-young Yoo) auf ihn aufpasst. Margaretes aus Indien stammende Nachbarin Hilary (Sarayu Blue) versucht derweil vergeblich von ihrem Mann David (Jack Houston) schwanger zu werden, der eine Affäre mit Mercy beginnt. Dieses Drama um den Verlust geliebter Menschen, um sexuelles Begehren, enttäuschte Hoffnungen, Klassenunterschiede und psychische Ausnahmezustände wird vor dem Hintergrund der sogenannten Regenschirm-Revolution vor zehn Jahren erzählt, als die Demokratie-Bewegung Hongkong über Wochen in Atem hielt.

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Lulu Wangs »Expats« fächert kammerspielartig diese albtraumhafte Geschichte um ein verlorenes Kind auf, über dessen Verbleib niemand etwas weiß. Margaretes Familie will eigentlich zurück in die USA, bleibt aber noch ein ganzes Jahr in Hongkong, falls das Kind doch noch gefunden werden sollte. Der Druck innerhalb der Familie steigt und steuert einer Eskalation entgegen. Margarete wird immer obsessiver und verdächtigt bald auch andere Bewohner ihres Wohnhauses, mit dem Verschwinden des Kindes etwas zu tun zu haben, unter anderem den Ehemann ihrer Freundin Hilary. Gleichzeitig geht deren Ehe immer mehr in die Brüche, auch wegen des unerfüllten Kinderwunsches. Und Mercy, von Gewissensbissen wegen des verschwundenen Kindes geplagt, lässt sich auf eine Liebesgeschichte mit einer Politaktivistin ein.

Dieses Drama spielt sich in der Upperclass Hongkongs ab. Die titelgebenden »Expats« sind sehr gut verdienende leitende Angestellte oder Unternehmer, die sich vom eigenen Chauffeur durch die Gegend fahren lassen, in Luxusapartments wohnen und Hausangestellte die Arbeit machen lassen. Genau um dieses Verhältnis geht es auch bei der jungen Mercy, die als mögliches Kindermädchen an ihrem ersten Tag den nur ganz kurz in ihre Obhut gegebenen Sohn Margaretes verliert.

Wo verläuft die Grenze zwischen Angestellten und Arbeitgebern? Diese Frage wirft die Serie immer wieder auf und erzählt eine der sechs Episoden auch komplett aus der Perspektive der Hausangestellten. Die werden vermeintlich wie Familienmitglieder behandelt, bleiben aber trotzdem immer Untergebene und sollen mit Empathie ihre Care-Arbeit verrichten. Ob sie ihre eigenen Belange dabei zurückstellen müssen, spielt für die Arbeitgeber keine Rolle. Denen fehlt dafür jegliche Sensibilität, da sie nur ihre eigenen Bedürfnisse im Blick haben.

Dieses klassistische und zum Teil auch rassistische Verhältnis inszeniert Lulu Wang ungemein pointiert. Etwa wenn sich Hilary an einem Abend mit ihrer Angestellten betrinkt, um tags darauf im Bett liegen zu bleiben und sich wieder das Frühstück servieren zu lassen. Margaretes Kindermädchen will eigentlich zurück zur eigenen Familie auf die Philippinen, wird aber emotional erpresst, um als Arbeitskraft maximal verfügbar zu sein. Und Mercys schlechtes Gewissen konterkariert ihre Rolle als mögliches Kindermädchen, das eigentlich keinerlei Verbindlichkeiten erwarten kann, aber sich so schuldig fühlt, als hätte sie ihr eigenes Kind verloren.

Um die Serie »Expats« entstand in Hongkong während der Dreharbeiten eine heftige Debatte, da eine Sondergenehmigung während des Lockdowns Schauspielerin und Produzentin Nicole Kidman die 21-tägige Hotelquarantäne ersparte – gegen alle sonst üblichen Zero-Covid-Bestimmungen in Hongkong.

Angesichts der eskalativen und militanten politischen Kämpfe der Protestbewegung in Hongkong 2019/20 ist der zeitgeschichtliche Hintergrund der Serie zwar ungemein spannend, wirkt aber nicht wirklich aktuell. Wobei der Fokus dieser unter die Haut gehenden filmischen Erzählung zum einen auf den psychischen Abgründen verzweifelter und trauernder Menschen liegt, zum anderen aber auch auf den hierarchischen Klassenverhältnissen, die auf faszinierende und komplexe Art inszeniert werden.

»Expats« auf Amazon Prime

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