El Salvador: Bukeles Trumpfkarte ist die Sicherheit

Bei den Wahlen in El Salvador setzt der amtierende Präsident Nayib Bukele auf seine Politik der harten Hand

  • Lya Cuéllar, San Salvador
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Ausnahmezustand in El Salvador ist zur Regel geworden: Im März 2022 für 30 Tage verhängt und seitdem immer wieder verlängert. Bald sind es zwei Jahre.
Der Ausnahmezustand in El Salvador ist zur Regel geworden: Im März 2022 für 30 Tage verhängt und seitdem immer wieder verlängert. Bald sind es zwei Jahre.

In den Straßen von San Salvador ist die Spannung in der Luft zu spüren. In der Woche vor dem Wahlsonntag in El Salvador wurde die Militärpräsenz in allen Stadtvierteln der Hauptstadt erheblich verstärkt. In Parks, Kirchen, Geschäften oder Wohngebieten: An jeder Straße sind Gruppen von Soldaten mit Gewehren zu sehen.

»Wir können nicht in die Vergangenheit zurückkehren. Der Weg soll unumkehrbar sein. Lasst uns am 4. Februar alle wählen gehen.« Die Stimme des salvadorianischen Präsidenten Nayib Bukele wiederholt diese Botschaft in allen Radiosendern, im öffentlichen Fernsehen und in sozialen Medien ständig. Im Werbespot warnt Bukele, dass die Opposition Zehntausende von Gangmitgliedern freilassen möchte, um Terror auf den Straßen zu verbreiten. Deshalb solle seine Partei Nuevas Ideas nicht die absolute Mehrheit im Kongress erhalten. Eine Kampagne der Angst.

Und der Gewinner heißt Bukele

Am 4. Februar finden Wahlen zum nationalen Kongress und für das Zentralamerikanische Parlament (PARLACEN) sowie Präsidentschaftswahlen statt. Es sind keine Überraschungen zu erwarten: Laut aller Wahlumfragen soll Bukele mit über 70 Prozent der Stimmen für eine zweite Präsidentschaftsperiode wiedergewählt werden.

Die Partei Neue Ideen (NI) von Bukele, die den Kongress absolut kontrolliert, hat eine wichtige Rolle dabei gespielt, seinen Sieg zu garantieren: Sie änderte die Spielregeln. Eine der ersten Maßnahmen der Legislative im Jahr 2021 war die illegale Absetzung der damaligen Verfassungsrichter. Das unrechtmäßig neu besetzte Verfassungsgericht hat dann in einer Resolution die Verfassung neu interpretiert, um eine bis dato verbotene Wiederwahl Bukeles zu ermöglichen. Sechs verschiedene Verfassungsartikel verbieten die aufeinanderfolgende Wiederwahl eines Präsidenten und sehen sogar Strafen für die Bewerbung zur Wiederwahl vor. Das Wahlgericht hat die Kandidatur Bukeles dennoch ohne Einwände zugelassen.

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Um den Erfolg bei der Parlamentswahl zu sichern, reformierte der Kongress nur neun Monate vor der Wahl in einer gegen das Wahlgesetzbuch verstoßenden Weise das komplette Wahlsystem. Statt 84 Abgeordneten wird der am 4. Februar gewählte Kongresss nur noch 60 Abgeordnete haben. Die Änderung der Anzahl der Sitze im Kongress wird kleinere Parteien benachteiligen und der Partei des Präsidenten ermöglichen, eine absolute Mehrheit weiterhin zu sichern.

USA und EU halten sich mit Kritik an Bukele zurück

Der verfassungswidrige Kandidat Bukele hat diese Reihe von Tricks und illegale Reformen mit aller Wahrscheinlichkeit nicht nötig: Alle Wahlumfragen seit Beginn seiner Amtszeit zeigen bis heute deutlich, dass Bukele noch immer mit der Unterstützung eines Großteils der Bevölkerung rechnen kann. Die politische Opposition hat keine Chancen bei der Präsidentschaftswahl: Der stärkste oppositionelle Kandidat, Manuel Flores, der für die linke Partei FMLN (Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí, die ehemalige Guerrilla) kandidiert, liegt sogar in den für ihn positivisten Umfragen bei weniger als fünf Prozent.

Bukele würde ein Erdrutschsieg entgegenkommen, um seine autoritäre Macht zu legitimieren, besonders gegenüber der internationalen Gemeinschaft. Bisher hemmt die große Unterstützung unter der Bevölkerung die US-Regierung und die Europäische Union bei Kritik. Widerstand gegen Bukele kommt nur noch aus der Zivilgesellschaft und dem unabhängigen Journalismus.

Der Rückgang der Ganggewalt während der Amtszeit Bukeles ist unwiderlegbar. Nachdem El Salvador im vergangenen Jahrzehnt eine der höchsten Mordraten der Welt hatte, konnte die Regierung Bukeles die Zahl der Tötungsdelikte auf einen historischen Tiefstand senken. Dieser Erfolg wurde allerdings teuer erkauft, die Grundrechte wurden aufgehoben und die Repression undifferenziert ausgeweitet. Seit Ende März 2022 herrscht in El Salvador der Ausnahmezustand. Eine Maßnahme, die nur im Rahmen eines Notstands eingesetzt werden sollte, wurde zur permanenten Repressionsstrategie. In weniger als zwei Jahren wurden über 75 000 Menschen verhaftet: Etwa zwei Prozent der Bevölkerung, wodurch El Salvador das Land mit der höchsten Inhaftierungsrate der Welt geworden ist. Es gibt zahlreiche Berichte von willkürlichen Inhaftierungen, Misshandlungen, Folter und sexueller Gewalt durch Soldaten und Polizisten innerhalb und außerhalb der Gefängnisse. Laut einem gemeinsamen Bericht von zivilgesellschaftlichen Organisationen aus 2023 sind die Sicherheitskräfte der Regierung mittlerweile der wichtigste Faktor, der Zivilisten in die Flucht von ihrem Wohnort treibt. Bisher waren dafür vor allem die kriminellen Banden verantwortlich gewesen.

»Ich unterstütze Bukele, weil ich jetzt keine Angst mehr haben muss«, erklärt ein 40-jähriger Taxifahrer. »Vorher musste ich bei der Arbeit jeden Tag um mein Leben fürchten und stellte mir die Frage, wer kümmert sich um mein Kind, wenn ich sterbe?« Viele Salvadorianer*innen nehmen die Repression in Kauf, weil sich die Sicherheit im alltäglichen Leben spürbar verbessert hat. Rechte und Freiheiten gegen eine oberflächliche Ruhe. Eine junge Frau, deren Mann vor einem Jahr willkürlich verhaftet wurde, bringt es auf den Punkt: »Ich finde es in Ordnung, was der Präsident getan hat. Ich vermisse meinen Mann, aber mein Alltag ist jetzt ohne Gangs ruhiger.«. Am 4. Februar wird sie Bukele wählen.

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