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Gaza-Krieg: Ringen um eine Waffenpause

US-Außenminister Blinken wirbt in der Region für ein mehrheitsfähiges Konzept

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 4 Min.
Israelische Frauen fordern bei einer Demonstration am 24. Januar in Tel Aviv einen Waffenstillstand und eine Freilassung der Geiseln.
Israelische Frauen fordern bei einer Demonstration am 24. Januar in Tel Aviv einen Waffenstillstand und eine Freilassung der Geiseln.

Tiefes Schweigen umhüllt die Nahostreise von US-Außenminister Antony Blinken. Keine Pressekonferenzen, keine Hintergrundinfos aus seinem Team, das ist die neue Strategie, eine, die sich schon seit Jahrzehnten in der Diplomatie immer dann bewährt, wenn die Dinge festgefahren sind, kaum lösbar scheinen. Denn die Entscheidungen werden am Ende von Politikern gefällt, und die sind von der öffentlichen Meinung abhängig, richten ihr Handeln oft daran aus. Im Verborgenen entscheidet’s sich deshalb freier.

Die Dinge im Gaza-Krieg sind festgefahren. Israels Militär ist inzwischen weit in den Gazastreifen vorgedrungen und kommt trotzdem den ursprünglichen Kriegszielen doch nicht entscheidend näher: Die Hamas und vor allem die Essedin al Kassam-Brigaden, jener hochgerüstete paramilitärische, terroristische Apparat, sind immer noch da. Und auch die verbliebenen Geiseln konnte Israels Militär nicht befreien. Im Gegenteil: Am Mittwoch musste die israelische Regierung eingestehen, dass 31 der noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln mit großer Wahrscheinlichkeit tot seien. Eine Mitteilung, die die Angehörigen der Geiseln nur noch wütender machte: Sie kritisieren schon seit Monaten, dass sich die Regierung aus ihrer Sicht nicht ausreichend für die Rückkehr der Entführten einsetze, mit dem Militäreinsatz gar ihr Leben aufs Spiel setze.

Die Angehörigen sind nicht die einzigen Kritiker. Die Geheimdienste und der Nationale Sicherheitsrat warnen vor einer Eskalation im Westjordanland. Gründe dafür sind die seit Monaten andauernde Verweigerung von Arbeitsgenehmigungen für die meisten Palästinenser, die in Israel arbeiten und die Schließung des Tempelbergs und der al-Aksa-Moschee in Ost-Jerusalem für Muslime. Vor allem die Verweigerung von Arbeitsgenehmigungen hat die ohnehin schon extrem schlechte wirtschaftliche und soziale Lage in den palästinensischen Autonomiegebieten noch weiter verschärft. Seit nun schon vier Monaten stehen viele Familien ohne Geld da und die Autonomiebehörde kann ihnen auch nicht helfen: Ihre Kassen sind leer. Dass das so ist, liegt nicht etwa an der Sicherheitslage oder einer militärischen Strategie, sondern an politischen Gründen: Die rechtsradikalen »Religiösen Zionisten«, ein Parteibündnis, das Regierungschef Benjamin Netanjahu an der Macht hält, bestehen darauf und drohen, wie so oft, mit dem Koalitionsbruch und Neuwahlen, die Netanjahus Likud mit Sicherheit verlieren würde.

Das Ringen um eine Waffenruhe im Gazastreifen geht derweil weiter: Während sich Blinken in den Hauptstädten des Nahen Ostens um eine Lösung bemüht, haben beide Seiten ihre eigenen Vorschläge vorgelegt. Und die liegen wirklich weit auseinander. Israel hatte schon vor zwei Wochen eine sechswöchige Waffenruhe und einen gestaffelten Gefangenenaustausch angeboten. Die Hamas fordert einen kompletten Abzug der israelischen Truppen und eine Freilassung von 1500 palästinensischen Häftlingen für die noch lebenden Geiseln, darunter auch solche Häftlinge, die wegen Gewalttaten verurteilt wurden. Die Waffenruhe würde in drei Phasen zu je 45 Tagen insgesamt 135 Tage dauern. Am Ende solle dann, so die Vorstellung der Hamas, eine endgültige Vereinbarung über ein Kriegsende stehen.

Israels Regierung wird diesen Vorschlag mit großer Wahrscheinlichkeit ablehnen. Denn er würde auch bedeuten, dass die Hamas an der Macht bliebe, erneut ihre militärische Infrastruktur aufbauen könnte und damit der nächste Krieg schon programmiert wäre.

Es ist wahrscheinlich, dass sich US-Außenminister Blinken derzeit bemüht, ein in der gesamten Region mehrheitsfähiges Konzept für die Zukunft der palästinensischen Gebiete zu entwickeln, denn es gilt mittlerweile als sicher, dass ein dauerhafter Frieden im Gazastreifen nur mit einem langfristigen Plan funktionieren kann, also mit einer Zwei-Staaten-Lösung. Israels rechts-religiöse Regierung lehnt diese zwar vehement ab. Aber es wird auch zunehmend deutlich, dass viele westliche Regierungen, darunter die USA, nicht mehr dazu bereit sind, sich nach der politischen Wetterlage in Israel zu richten, während die arabischen Staaten nun vor allem die palästinensische Fatah bearbeiten. Bei mehreren Treffen in den vergangenen Wochen konfrontierten Vertreter Ägyptens, Jordaniens und Saudi-Arabiens die palästinensische Führung in Ramallah mit klaren Erwartungen: Sie müsse sich reformieren, dezentraler werden, neues Personal an den Start schicken. Als Voraussetzung für eine Zwei-Staaten-Lösung, die in weiter Ferne liegt.

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