Scholz in Washington: Vorbereitung für den Ernstfall

Was passiert, wenn Trump wiederkommt? Beim USA-Besuch des Kanzlers dreht sich viel um diese Frage

  • Julian Hitschler
  • Lesedauer: 4 Min.

Es wird voraussichtlich nicht das letzte Mal sein, dass Olaf Scholz und Joe Biden im Amt aufeinandertreffen: Zum Nato-Gipfel im Juli wird der Bundeskanzler wohl wieder nach Washington D.C. reisen. Dennoch wissen beide Politiker, dass sie nicht alle Zeit der Welt im Amt haben. Ihr Gespräch im Weißen Haus wird sich deshalb wohl auch um Vorbereitungen für eine nahe Zukunft gehen, in der beide nicht mehr regieren könnten.

Eine Neuauflage der Ampel-Regierung erscheint außer Frage, und nach derzeitigem Stand ist es nicht unwahrscheinlich, dass Biden im November wieder durch seinen Amtsvorgänger Donald Trump abgelöst werden wird. Insbesondere seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres ist Biden noch eindeutiger in die Defensive geraten, seine ohnehin nicht überragenden Zustimmungswerte sind eingebrochen. In Europa beginnt man sich nun gezwungenermaßen auf das Szenario einer Trump-Rückkehr einzurichten, dass für die Nato und damit die Bündnispolitik auf dem Kontinent einen Einschnitt darstellen könnte.

Einen Vorgeschmack darauf liefern die derzeitigen Auseinandersetzungen im US-Kongress, in deren Zentrum die Einwanderungspolitik sowie die Militärhilfen an die Ukraine stehen. Insbesondere der Trump-nahe Flügel der Republikanischen Partei sieht letztere äußerst skeptisch. Biden und die Demokraten, die im Senat die Mehrheit stellen, versuchen bereits seit Monaten, den Konservativen ein Hilfspaket irgendwie schmackhaft zu machen.

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Bisher waren alle diese Initiativen erfolglos. Insbesondere boten die Demokraten den Republikanern enorme Zugeständnisse bei der Asylpolitik, die Biden ohnehin in Grundzügen von seinem Vorgänger übernommen hat. Doch entsprechende Deals scheiterten mehrfach. Auch ein Hilfspaket, das zwar Gelder für Israel, nicht aber für die Ukraine enthielt, erzielte am Dienstag im Repräsentantenhaus nicht die aus prozeduralen Gründen erforderliche Zweidrittelmehrheit – eine Blamage für den republikanischen Parlamentssprecher Mike Johnson.

Mehr Waffen und zivile Hilfe für die Ukraine ist aus Washington kurzfristig nicht zu erwarten. Umso wichtiger für Biden ist, dass die Europäer in die Bresche springen. Gemessen am Volumen der Transfers ist die Bundesrepublik bisher zweitgrößter Unterstützer für die Ukraine neben den USA. Das Weiße Haus hat großes Interesse daran, die Nato-Partner bei der Stange zu halten – auch in Erwartung, dass die USA ab Januar unter einem neuen Präsidenten ganz ausfallen könnten. Vergangene Woche einigte man sich in Brüssel auf 50 zusätzliche Milliarden für die Ukraine, Scholz erscheint also nicht mit leeren Händen in Washington und will sich auch mit Vertretern der beiden großen Parteien im Kongress treffen. Doch dass sich dadurch an der Haltung der Republikaner, insbesondere im Repräsentantenhaus, etwas ändern wird, glauben die wenigsten.

Nicht umsonst heißt es in dem kurzen Vorab-Statement des Weißen Hauses, Scholz und Biden beabsichtigten, ihre »standhafte Unterstützung« der Ukraine gegen den Angriff Russlands zu bekräftigen. Zu einer möglichen Konfliktlösung hört man hingegen wenig. Dabei steht die Frage im Raum, ob Europa überhaupt willens oder in der Lage wäre, die Verteidigung der Ukraine längerfristig eigenständig aufrechtzuerhalten. Das Thema der Nato-Beitrittsperspektiven der Ukraine, dass beim Gipfel im Juli in Washington zur Sprache kommen dürfte, wurden hingegen im Vorfeld nicht angesprochen. Scholz und Biden gelten beide als Skeptiker, was diesen Schritt anbelangt.

Neben der Ukraine steht der Krieg im Nahen Osten als weiterer wichtiger Punkt auf der Tagesordnung. Scholz und Biden dürften auch in dieser Frage wenig substantielle Differenzen haben. Beide verteidigen Israels Recht, sich nach dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober militärisch zu wehren – und beide betonen, die Notwendigkeit, die Zivilbevölkerung im Gazastreifen müsse geschützt werden, wobei unklar ist, welche konkreten Maßgaben daraus folgen. Auch eint den Präsidenten und den Kanzler, dass sie wohl eigentlich kein Interesse an einer weiteren Ausbreitung und Intensivierung des Konflikts in der Region haben. Doch ebenso wie in der Ukraine ist eine mittelfristige Deeskalationsstrategie bisher nicht zu erkennen. Die Angst davor, dem Iran und seinen Verbündeten das Feld zu überlassen, überwiegt.

Doch der Kanzler ist nicht nur in diplomatischer Mission unterwegs: Vor Vertretern der US-amerikanischen Wirtschaft will Scholz in Washington Werbung für den Standort Deutschland machen. Dem Vorbild des Elektronikkonzerns Intel, dessen neues Mikrochipwerk in Magdeburg vom Bund mit rund zehn Milliarden Euro bezuschusst wird, sollen weitere US-Konzerne folgen. Mit der massiven Förderung für Schlüsselindustrien im Energie- und Elektroniksektor in den USA kann Europa aber zunehmend nicht mehr mithalten; Unternehmen wie der Solarhersteller Meyer Burger drohen mit der Abwanderung in die USA. Die Skepsis in der US-Wirtschaft dürfte überwiegen und warme Worte des Bundeskanzlers werden daran kaum etwas ändern: Die Bedingungen für Investitionen sind in den USA derzeit wohl einfach günstiger. Auch der geplante Ausbau der US-Erdgaslieferungen nach Deutschland wackelt. In wirtschaftlichen Fragen scheint sich die so oft beschworene transatlantische Partnerschaft gegenwärtig eher zur Rivalität zu entwickeln.

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