Vorsitz-Kandidaten: In Giffeys Fußstapfen

Martin Hikel und Böcker-Giannini geben Kandidatur für den SPD-Landesvorsitz vorzeitig bekannt

  • Moritz Lang
  • Lesedauer: 4 Min.
Der logische Nachfolger für das konservative Giffey-Lager der Berliner SPD: Martin Hikel.
Der logische Nachfolger für das konservative Giffey-Lager der Berliner SPD: Martin Hikel.

Auf Karrierepfad Giffeys, doch politisch noch mehr in Richtung Buschkowsky: Der Neuköllner Bezirksbürgermeister Martin Hikel hat am Mittwoch gemeinsam mit der ehemaligen Sport-Staatssekretärin Nicola Böcker-Giannini seine Kandidatur für den Berliner Landesvorsitz der SPD bekannt gegeben. Auf dem Landesparteitag im Mai soll eine neue Doppelspitze festgelegt werden, nachdem Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey vergangenes Jahr ihren Rücktritt von ihrer Position an der Seite von Raed Saleh (beide SPD) bekannt gab. Ob dies durch eine Wahl der Funktionäre oder ein Mitgliedervotum geschieht, ist noch offen.

Auch wenn das Duo bereits seit einigen Wochen im Gespräch ist, kommt die Bekanntmachung zu diesem Zeitpunkt überraschend: Parteiintern war sich wohl zuvor geeinigt worden, die Kandidaturen erst nach der Wiederholung der Bundestagswahl zu Beginn des Bewerbungsprozesses am 12. Februar bekannt zu geben.

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In einem Interview mit dem »Tagesspiegel« zeigen sich Hikel und Böcker-Giannini als die Nachfolger Giffeys. Beide unterstützen die Koalition mit der CDU, während Rot-Grün-Rot habe es zu viele nach außen sichtbare Bruchstellen gegeben. »Das hat der SPD nicht gutgetan«, so Böcker-Giannini. Hikel beschreibt sich als »pragmatischen Kommunalpolitiker«.

Die ehemalige Sportstaatssekretärin ist bislang medial nicht groß aufgefallen, bis sie vergangenes Jahr von Innensenatorin Iris Spranger (SPD) abgesetzt wurde – wohl aber nur aufgrund persönlicher Differenzen.

Hikel hat sich dagegen schon öffentlichkeitswirksamer durch seinen Spagat aus Stigmatisierung und Instrumentalisierung der migrantischen Community in Neukölln hervorgetan. Dabei orientiert er sich politisch eher an Giffeys Vorgänger und Springer-Liebling Heinz Buschkowsky (SPD), die CDU hatte es durch die SPD-besetzte Law-and-Order-Politik in Neukölln bislang schwer.

Um seine harte Hand gegen sogenannte Clan-Kriminalität vorzuführen, ließ sich Hikel ein Jahr nach seinem Antritt als Bezirksbürgermeister für eine TV-Doku dabei filmen, wie er die Polizei bei der Schikane von Gewerbetreibenden auf der Sonnenallee begleitet. Ausgestattet mit Schutzweste sieht er zu, wie maskierte Beamte bei Razzien in Shisha-Bars schwerkriminelle Dinge wie falsch platzierte Spielautomaten oder ordnungswidrig ausgerichtete Kameras feststellen. Laut den Besuchern nur die letzte von vielen einschüchternden Razzien, bei denen nichts gefunden worden sei.

Um demokratischen Protest gegen diese Stigmatisierung zu sabotieren, bedient er sich dann am 1. Mai 2022 der muslimischen Kultur: Vorbei an allen Verantwortlichen im Bezirk und ohne Austausch mit der Community meldet er auf der Sonnenallee ein öffentliches Fastenbrechen an – vor Sonnenuntergang und auf der Route der Revolutionären 1. Mai-Demonstration, welche anders laufen muss.

Auf der Landesebene wird das Duo seine Themen breiter fächern müssen. Sie nennen bezahlbaren Wohnraum und Stärkung des ÖPNV als zentral, lassen aber konkrete Vorschläge vermissen. Nicht fehlen tut es natürlich an der Beteuerung, die ganze Partei zusammenzubringen. »Dazu braucht es alle in der SPD, auch die Jusos«, sagt Böcker-Giannini.

Doch von den Jusos scheint zunächst wenig Unterstützung zu erwarten sein: »Die beiden verkörpern keinen Aufbruch«, sagt Kari Lenke, Ko-Vorsitzende der Jusos Berlin. Dieses Team würde nicht die 45 Prozent der Mitglieder ansprechen, die gegen die schwarz-rote Koalition gestimmt hätten. Als ein linkes Duo sieht Lenke Kian Niroomand und Jana Bertels als wahrscheinlich. Auch von Saleh wird eine Kandidatur erwartet.

Eine SPD-Abteilung aus Pankow hatte im Dezember den Prozess für eine Mitgliederbefragung zur Vorsitz-Frage angestoßen. Von der Meinung der Basis dürften bekannte, konservativere Kandidaten wie das Hikel-Böcker-Giannini-Gespann profitieren, sie befürworten auch ein Mitgliedervotum. Die Jusos lehnen dies ab: »Ein Mitgliedervotum ist falsch, die Entscheidung muss auf dem Landesparteitag getroffen werden«, so Lenke. Man wünsche sich vor allem ein faires Verfahren: Es dürfe nicht sein, dass Ämter wie das von Saleh ausgenutzt werden, um andere Ressourcen bewegen zu können.

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