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100 Jahre Rote Hilfe: Das Prinzip der Solidarität
Die Rote Hilfe feiert ihr 100-jähriges Bestehen und zeigt auf, wie sie Unterstützung leistet
Eine schwarze und eine rote Fahne am Tor wiesen den Weg zur Jubiläumsgala der Gefangenensolidaritätsorganisation Rote Hilfe. Sie feierte am Samstag im Ballsaal des Hamburger Millerntorstadions ihren 100. Geburtstag.
»Das Prinzip der Solidarität ist das rote Band, das uns durch das Jahrhundert getragen hat«, erklärten Heinz und Sam vom Vorstand der Roten Hilfe. Sie wollen ihre richtigen Namen nicht nennen, weil die Organisation noch immer vom Verfassungsschutz überwacht wird. Nach den militanten Auseinandersetzungen bei den Protesten gegen den G20-Gipfel 2007 in Hamburg wollte der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die Rote Hilfe sogar verbieten lassen. Das hatte zur Folge, dass sich die Mitgliederzahl erhöhte.
Sam und Heinz erinnerte an die Zeiten, als während der Nazi-Herrschaft Aktivist*innen der Roten Hilfe in den Konzentrationslagern verschwanden. Viele überlebten den NS-Terror nicht. Doch das Prinzip Solidarität lebte weiter. In den 70er Jahren entstanden in der Bundesrepublik und Westberlin wieder Rote Hilfe-Gruppen. Heute gehört sie zu den mitgliederstärksten Organisationen der außerparlamentarischen Linken. Sie gibt regelmäßig die Rote-Hilfe-Zeitung heraus, die über aktuelle Repressionsfälle, aber auch über die Geschichte der internationalen Solidaritätsbewegung informiert.
Wie wichtig die Existenz der Roten Hilfe ist, schilderte Katharina König-Preuss, Landtagsabgeordnete der Linken in Thüringen, die zugeschaltet wurde. Sie berichtet über eine Gruppe von jungen Antifaschist*innen, die nach einer Aktion gegen Neonazis mit juristischen Ermittlungen konfrontiert ist. »Sie waren sehr verunsichert und machten sich Sorgen über die Folgen. Es beruhigte sie sehr, als sie erfuhren, dass es da die Rote Hilfe gibt, die sie unterstützt«, zeigte König-Preuss auf, wie Solidarität wirkt. Eine Grußadresse an die Rote Hilfe kam auch von der Rechtsanwältin Waltraud Verleih vom Republikanischen Anwält*innenverein.
Auf der Jubiläumsveranstaltung kamen auch betroffene Aktivist*innen zu Wort, die von einer Strafverfolgung bedroht waren und von der Roten Hilfe unterstützt wurden. Dazu gehört Alassa Mfouapon, der aus Kamerun geflohen war und in einer Flüchtlingsunterkunft in Ellwangen lebte. Im April 2018 wollte die Polizei dort einen Mann aus Togo abschieben. Aber mehrere Bewohner*innen stellten sich dem entgegen und protestierten gegen die Abschiebung, woraufhin sich die Polizei zurückzog und die Abschiebung abbrach. Diese Solidarität der Bewohner*innen wurde in den Medien als Gewalt bezeichnet. Mfouapon soll ein Rädelsführer gewesen sein, und gegen ihn gab es eine regelrechte Hetzkampagne von Politiker*innen und Medien.
Auf der Gala schilderte er, wie es gelang, die Repression in Solidarität umzuwandeln. Er wurde nach Italien abgeschoben und kehrte legal wieder nach Deutschland zurück. Mittlerweile habe er Prozesse sowohl gegen die »Bild«-Zeitung als auch die AfD-Politikerin Alice Weidel gewonnen, und auch die zweifelhafte Polizeirazzia in der Flüchtlingsunterkunft Ellwangen sei mittlerweile gerichtlich für unrechtmäßig erklärt worden. Mfouapon erklärte, dass er zwar noch immer keinen deutschen Pass habe, aber weiterhin sich für Geflüchtete einsetze und auch Mitglied der Roten Hilfe sei.
Ein weiterer Höhepunkt der Gala war der Auftritt von Thomas Meyer-Falk, der im letzten Jahr nach 27 Jahren das Gefängnis verlassen konnte. Davon verbrachte er fast 10 Jahre in Isolationshaft. Thomas Meyer-Falk kam 1996 wegen eines Bankraubs mit Geiselnahme in Haft. Da war er 25 Jahre alt. Er wollte Geld für linke politische Projekte beschaffen.
Meyer-Falk schilderte, dass er sich nach seiner Freilassung am Hamburger Bahnhof alleine gefühlt habe – und isolierter, als in der Isolationshaft selbst. »Denn im Knast wusste ich, draußen sind Menschen, die mich unterstützten.« Von diesem Gefühl berichtete auch Lina E., die als Hauptangeklagte im Antifa-Ost-Verfahren längere Zeit in Untersuchungshaft verbringen musste. Sie berichtete, dass nach kurzer Zeit Geld auf ihrem Konto war, damit sie sich im Gefängnis persönliche Dinge kaufen konnte, und auch für die Miete ihrer Wohnung kamen solidarische Menschen auf. »Es war schon gleich zu Beginn meiner Haft eine große Erleichterung zu wissen, da gibt es Menschen, die mich unterstützen«, betonte Lina E. Zudem hat sie eine solidarische Mutter, die sich mit einer eigenen Grußadresse an die Rote-Hilfe-Gala wandte. In der betonte sie, »wie wichtig solidarisches Handeln im mühsamen Alltag ist«.
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