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Protest gegen Sellner-Vortrag in Chemnitz

Österreichischer Rechtsextremist tritt in neuem Domizil der »Identitären Bewegung« auf

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
Im Dezember gab es eine erste Demonstration gegen das neue Domizil der »Identitären« in Chemnitz
Im Dezember gab es eine erste Demonstration gegen das neue Domizil der »Identitären« in Chemnitz

Das Lokal ist noch kein Vierteljahr in Betrieb, aber das Etikett, unter dem es vermarktet wird, hat sich bereits geändert. Als »Festung Chemnitz« bezeichneten Aktivisten der Identitären Bewegung (IB) zunächst einen im November eröffneten Treffpunkt, den sie in der selbsternannten »Hochburg des Widerstands« betreiben. Der Begriff schien den Rechtsextremen aber wohl doch zu abschreckend. Inzwischen ist vom »Zentrum Chemnitz« die Rede als einem »Ort der gelebten Gegenkultur«, wie eine Aktivistin euphorisch erklärt.

An diesem Freitag hat das Zentrum seinen bisher prominentesten Gast. Die Betreiber kündigen einen Besuch von Martin Sellner an, dem österreichischen Rechtsextremen, der zuletzt Aufmerksamkeit erregte, weil er bei dem von Correctiv enthüllten Geheimtreffen von Rechtsextremen in Potsdam seine Pläne zur »Remigration« vorstellte, die faktisch eine massenhafte Vertreibung von Menschen aus Deutschland zur Folge hätten. Sellner wurde daraufhin von der Bundespolizei Ende Januar mit einem Einreiseverbot belegt. Die Szene kommentiert das mit Spott. In der Einladung für den Chemnitzer Vortrag auf dem Twitter-Nachfolger X heißt es: »Kein Sellner ist illegal.« Der Abend solle mit einem »Empfang im Refugee-Welcome-Stil« eröffnet werden. Dazu wurde eine Kundgebung vor dem Gebäude angemeldet.

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Sellners Auftritt wird auf Protest stoßen. Das Bündnis »Chemnitz nazifrei« hat zu einer Demonstration mit dem Titel »Gegen die geistigen Brandstifter der IB und ihre Deportationspläne« aufgerufen. Die Route musste dabei kurzfristig geändert werden. Eigentlich habe man direkt am neuen IB-Domizil vorbeilaufen wollen, erklärt das Bündnis. »Das hat die Versammlungsbehörde uns nicht ermöglicht.« Dennoch werde man den Besuch Sellners »nicht unwidersprochen« lassen.

Proteste gab es bereits, nachdem die Betreiber das Projekt im Stadtteil Schönau mit einer Art Gruppenfoto samt Wunderkerzen auf Instagram erstmal öffentlich präsentiert hatten. Auf diesem waren, wie das Portal »Chemnitz Naziwatch« recherchierte, zahlreiche rechte Kader aus dem gesamten Bundesgebiet zu erkennen, außerdem militante Neonazis, Funktionäre der Jungen Alternative und der AfD-Bundestagsabgeordnete Roger Beckamp aus Köln. »Chemnitz nazifrei« äußerte daraufhin die Befürchtung, die Lokalität könne zu einem »bundesweiten Dreh- und Angelpunkt der Identitären Bewegung« werden und zog Parallelen zu einem Hausprojekt in Halle (Saale). Das von der dortigen Gruppe »Kontrakultur« 2017 direkt am Universitätscampus eröffnete Haus sollte rechte Ideologie und Lifestyle propagieren, war aber auch Ausgangspunkt für gewalttätige Übergriffe. 2020 wurde es nach massiven Protesten der Zivilgesellschaft aufgegeben.

Das Domizil in Chemnitz sei indes »kein Halle 2.0«, sagt Steven Seiffert vom Mobilen Beratungsteam des Kulturbüros Sachsen. Er verweist darauf, dass die IB in dem dreistöckigen Eckhaus mit Zierfriesen aus Rochlitzer Porphyr nur ein Ladenlokal im Parterre nutze. »Da sind die Möglichkeiten begrenzt.« Die Betreiber kündigen Stammtische, Vorträge und Buchvorstellungen an. Ein festes Wohnprojekt wie in Halle deutet sich nicht an. Seiffert warnt davor, die szenetypische »Selbstüberhöhung« bei der Präsentation in den sozialen Medien ungefiltert zu übernehmen. Gleichzeitig hält er es aber durchaus für problematisch, dass mit der IB eine weitere extrem rechte Gruppe in Chemnitz eine eigene Immobilie besitzt. In der Stadt schaffe sich »das volle Spektrum der rechtsextremen Szene eigene Refugien«.

Die »Identitären« haben darauf lange hingearbeitet. Die jetzt genutzten Räume wurden schon 2022 von einer Immobiliengesellschaft gekauft, die der langjährige IB-Kader Philip Thaler und der Chemnitzer Aktivist Vincenzo Richter gründeten. Nach einem Bericht des »Spiegel« von Mitte Januar ermittelt die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit dem Deal inzwischen gegen beide wegen des Verdachts der Geldwäsche. Das Nachrichtenmagazin nannte auch einen möglichen Sponsor für das Projekt: den früheren CDU-Politiker und Berliner Finanzsenator Peter Kurth. Sicherheitskreise hätten bestätigt, dass dieser »eine hohe Summe in das Projekt investiert« habe, schrieb der »Spiegel«.

Die Chemnitzer Ortsgruppe der »Identitären«, die sachsenweit 50 Mitglieder zählen, war nach Angaben des Verfassungsschutzes, der den Zusammenschluss beobachtet, bisher vor allem mit Plakat- und Flyeraktionen aktiv. Sie propagiere die Verschwörungstheorie des »Großen Austauschs« und schüre »Ängste und Vorurteile gegenüber Migranten«. Sellners Vortrag dürfte somit auf offene Ohren stoßen.

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