AfD gibt Steilvorlage für Satire

Rechtsextreme Partei ist trotz lächerlicher Argumente eine ernste Gefahr für die Demokratie

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 6 Min.

Es spricht viel gegen Lars Hünich, vor allem die Tatsache, dass er 2014 von einem zum anderen Tag aus der Linken in die AfD übergetreten ist und seit September 2019 deren Politik als Abgeordneter im Potsdamer Landtag vertritt. Aber eins kann man ihm nicht vorwerfen: dass er keinen Humor hätte. Der 53-Jährige kann über sich selbst lachen und auch über jeden Ulk über seine Partei, wenn die Pointe gut ist. Der in Borkwalde lebende Abgeordnete verdiente sich seinen Lebensunterhalt früher als Marktschreier mit dem Anpreisen von Wurstwaren. Flotte Sprüche klopfen und derbe Witze reißen gehört da zum Geschäft.

Hünich ist keine Witzfigur, aber man kann leicht eine aus ihm machen, wenn man es darauf anlegt. Er trägt gern Pullunder und mag diese ärmellosen Pullover in grellen Farben – er hat eine ganze Kollektion davon sogar in den Ampelfarben Rot, Gelb und Grün. Für die Landtagssitzung am Donnerstag hat er einen lila Pullunder übergestreift. Neulich in der ZDF-Satiresendung »Heute Show« führte Moderator Oliver Welke den Politiker vor und hatte die Lacher auf seiner Seite. Unter dem eingeblendeten Foto von Hünich stand: »Plunder-Pullunder.«

Ende Januar hatte Hünich bei einem AfD-Stammtisch in einer Gastwirtschaft in Falkensee ohne jede Ironie angekündigt: »Wenn wir morgen Regierungsverantwortung haben, dann muss ein Großteil von den Leuten, die hier sind, wieder nach Hause.« Und da meinte er nicht etwa die Anhänger seiner Partei, die sich dort auf ein Bier und unzählige Stammtischparolen versammelt hatten, sondern Flüchtlinge. Außerdem verkündete Hünich in vollem Ernst: »Wenn wir morgen in Regierungsverantwortung sind, dann müssen wir diesen Parteienstaat abschaffen.«

Das fordert natürlich Späße heraus, die AfD solle doch mit gutem Beispiel vorangehen und sich selbst auflösen. Dies musste sich Hünich vor der Landtagssitzung am Donnerstag anhören und währenddessen auch. Seine eigene Partei lieferte die Steilvorlage, indem sie in der aktuellen Stunde des Parlaments unbedingt über das Thema »Vertrauen in die Demokratie sinkt – ›Parteienstaat‹ in der Krise?« diskutieren wollte. In Verbindung damit hatte die AfD-Fraktion dann auch noch beantragt, die Landesregierung solle die Intendantin des Senders RBB anweisen, die Verstöße gegen die Pflicht zur unabhängigen, sachlichen und wahrheitsgemäßen Berichterstattung »unverzüglich abzustellen«. Bezogen war dies auf das berüchtigte Treffen im Potsdamer Landhaus Adlon, bei dem am 25. November Politiker von AfD und CDU zugegen gewesen waren und bei dem der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner über »Remigration« doziert hatte, also über den Rauswurf von Ausländern. Seit das Rechercheteam Correctiv dies am 10. Januar enthüllte, haben Millionen Menschen in Deutschland und Zehntausende in Brandenburg gegen rechts demonstriert.

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Die AfD behauptet, es sei alles ganz anders gewesen. Auch die Sache mit dem Parteienstaat – selbstverständlich wieder nur ein Missverständnis. Der Parteienstaat sei ein in der Staatstheorie feststehender Begriff. »Parlamente werden im Parteienstaat von Volksvertretungen zu reinen Zustimmungsgremien für parteipolitische Interessen«, versucht Hünich seine Äußerung zu rechtfertigen. Ja, diesen Parteienstaat wolle die AfD abschaffen und mehr direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild einführen. AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt sekundiert, dies sei »kein Verbrechen, sondern ein Versprechen«.

Doch Linksfraktionschef Sebastian Walter lässt sich mit solchen Ausreden nicht beschwichtigen. »Tun Sie doch hier nicht so unschuldig«, hält er dem AfD-Fraktionschef am Donnerstag entgegen. Berndt solle ehrlich sagen, dass seine Partei bewusst Begriffe von Propagandaminister Joseph Goebbels und Co. verwende. »Sie denken wie die NSDAP, Sie reden wie die NSDAP, und am Ende handeln Sie wie die NSDAP.« Walter erklärt, mit dem Gerede vom Parteienstaat sei schon in der Weimarer Republik die Demokratie verunglimpft worden, was die AfD weggelassen habe, als sie zum Beweis der angeblichen Harmlosigkeit von Hünichs These das Online-Lexikon Wikipedia zitierte. Den prompten Ausflüchten der AfD, diese Passage sei bei Wikipedia erst nachträglich hinzugefügt worden, begegnet Walter mit dem Hinweis, man hätte es auch ohne Wikipedia aus den Geschichtsbüchern wissen können.

CDU-Fraktionschef Jan Redmann stellt klar, Hünich habe gar keinen Grund, sich zu beschweren. Denn seine Partei habe sich zu ihrer Verteidigung selbst auf Carl Schmitt bezogen, der doch aber der »Kronjurist der NSDAP« und »Vordenker eines Führerstaats« gewesen sei.

Auch auf den Philosophen Oswald Spengler hatte sich die AfD berufen. Der Autor von »Der Untergang des Abendlandes« war allerdings ein ausgewiesener Antidemokrat, obgleich er immerhin die primitive Rassenideologie der Faschisten ablehnte.

Die Abgeordnete Tina Fischer (SPD) gesteht am Donnerstag, die Demokratie befinde sich »unbestritten in schweren Zeiten«. Es gebe die Wut der Bauern und des Mittelstandes. Die Proteste gehörten aber zum Wesen der Demokratie. Diese sei ein »Mitmachformat«. Wer die Demokratie wirklich wolle, der müsse sie verbessern. Das wolle die AfD aber nicht, ganz im Gegenteil. »Das eigentliche Ziel der AfD ist es hier heute, die Arbeit der Medien zu diskreditieren und damit eine Säule unserer Demokratie einzureißen«, sagt Fischer. Die AfD habe ein Problem mit der vielfältigen Parteienlandschaft und wolle wie ihre »geistigen Vorläufer« den Einparteienstaat.

Es ist eine hitzige Debatte, die um 9.30 Uhr beginnt und laut Tagesordnung um 10.50 Uhr hätte beendet sein sollen. Doch mit zahlreichen Zwischenfragen und Zwischenrufen zieht sie sich bis 11.55 Uhr hin. Alle anderen Fraktionen lehnen das Ansinnen der AfD ab, dem RBB vorzuschreiben, was und wie er zu berichten habe. Der AfD-Abgeordnete Lars Günther kassiert einen Ordnungsruf wegen seiner Krakeelerei. Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) will noch prüfen, ob Günther tatsächlich einem anderen Parlamentarier Gewalt androhte. Er soll diesem mit einer Geste bedeutet haben, doch herzukommen.

Indessen wird am Donnerstag vom Verein Opferperspektive gemeldet, dass Paul-Philipp Neumann, der im Landesvorstand der Grünen sitzt und am 18. Februar bei einer Kundgebung »Für Demokratie und Vielfalt« in Elsterwerda als Redner auftrat, dort von einem Rechtsextremisten geschubst worden sei. Der Täter habe ihm auch das Telefon aus der Hand geschlagen, berichtet Neumann. Er habe die Polizei zuvor auf Rechtsextremisten am Rande der Versammlung hingewiesen und erklärt, »dass sich Menschen hierdurch eingeschüchtert fühlen könnten«. Die Polizei habe ihm das auch bestätigt, aber bedauert, nicht genug Kollegen da zu haben, um das zu unterbinden. Christian Nürbchen vom Netzwerk gegen rechts Elbe-Elster, der die Kundgebung mitorganisierte, beklagt jetzt: Man habe der Polizei vorab gemeldet, dass Rechtsextremisten zum Stören der Kundgebung mobilisierten. Trotzdem sei nur eine Handvoll Beamte an Ort und Stelle gewesen.

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