Machtkampf statt Einigkeit bei Syriza

Zerstrittener griechischer Linkspartei gelingt auf ihrem Athener Parteitag kein gemeinsamer Neuanfang

  • John Malamatinas, Athen
  • Lesedauer: 4 Min.

Stefanos Kasselakis, der neue Vorsitzende der griechischen Linkspartei Syriza, segelt auch nach diesem Kongress weiter in unruhigen Gewässern. Lange sah es am vergangenen Wochenende danach aus, dass er sich in den kommenden Wochen einem Mitgliedervotum zu seiner Bestätigung im Amt zu stellen hätte. Dies wurde aber von den Delegierten in letzter Minute gekippt.

Es sollte eigentlich der langersehnte Parteitag einer neuen Einheit werden, wenige Monate vor der Europawahl. Hunderte Delegierte trafen sich im olympischen Taekwondo-Stadion in Athen, um über die Zukunft der griechischen Linken zu beraten. Statt konstruktiver Zukunftsplanung wurde auf dem vierten Kongress seit Gründung der Partei aber der innerparteiliche Streit der vergangenen Monate weitergeführt.

Seit der Wahlniederlage im Juni vergangenen Jahres, mit 18 gegen 41 Prozent für die regierende rechtskonservative Nea Dimokratia, und dem anschließenden Rücktritt des langjährigen Vorsitzenden Alexis Tsipras kommt die Partei nicht zur Ruhe. Nach einem erbittert geführten innerparteilichen Wahlkampf um seine Nachfolge konnte sich der politische Newcomer Stefanos Kasselakis mit 54 Prozent gegen Ex-Arbeitsministerin Efi Achtsioglou durchsetzen. Sie und andere namhafte Parteikader verließen daraufhin Syriza und gründeten das Parteiprojekt Neue Linke.

Der Parteitag machte deutlich, dass Kasselakis seine Partei längst nicht im Griff hat. In seiner volle 90 Minuten langen Eröffnungsrede stellte er klar, dass er kein Vorsitzender auf Abruf sein will. Damit spielte er auf die kommenden Europawahlen an – bei denen er im Falle eines erneut schlechten Ergebnisses einen Vertrauensvorschuss einfordert: »Wer glaubt, er könne eine Partei wiederbeleben, die innerhalb weniger Monate zweimal abgestürzt ist und die gespalten ist, sollte kommen und die Partei übernehmen.« Er werde ausgerechnet von denjenigen, die für Syrizas Absturz von vorher 32 Prozent auf 18 Prozent nie zur Rechenschaft gezogen wurden, aufgefordert, für die derzeit schlechten Umfragewerte geradezustehen, verpasste Kasselakis seinem Vorgänger einen Seitenhieb.

Am Ende seiner Rede forderte er: »Lasst uns die kleinen Dinge erledigen, um uns den großen Dingen zuwenden zu können« – der Auseinandersetzung mit der Rechten von Ministerpräsident Mitsotakis. Man solle ihm einen Herausforderer präsentieren, erklärte Kasselakis sich dazu bereit, sich zeitnah einer neuer Vorsitzendenwahl zu stellen.

Dieser Vorschlag kam nicht von ungefähr. Vor dem Parteitag hatte Alexis Tsipras im andauernden Streit um die Parteiführung mit einem Post in den sozialen Medien interveniert. Es war seine erste öffentliche Stellungnahme seit seinem Rücktritt. Tsipras kritisierte den gesamten Vorstand von Syriza: »Was wir sehen, ist ein interner Konflikt, bei dem es mehr um persönliche Agenden und weniger um die Gesellschaft geht. Phänomene wie Eigennutz, Narzissmus, die Verletzung der Prinzipien von Kollektivität und Geschlossenheit haben die Parteiorganisation gelähmt. Infolgedessen ist der Eindruck entstanden, dass uns die Gesellschaft und der Ausgang der bevorstehenden Wahlen gleichgültig sind.« Kasselakis forderte er auf, sich der Basis zu stellen, um den Diskussionen um seine Person ein Ende zu bereiten.

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Tsipras’ Eingreifen erfolgte, nachdem ein von Kasselakis kurz vor dem Parteitag in Umlauf gebrachter Fragenkatalog für Unruhe gesorgt hatte. Der Vorsitzende stellt darin unter anderem den Parteinamen und die Strukturen von Syriza in Frage. Das Fass zum Überlaufen brachte ein Streit mit dem Funktionär und Arbeitswissenschaftler Dionisis Temponeras. Seinen Platz als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fraktion im Parlament musste er räumen. Dies sorgte für einen Eklat, da Temponeras als Hoffnungsträger der kriselnden Partei und damit als möglicher Konkurrent von Kasselakis gilt.

Auf dem Parteitag vermied es Temponeras trotz des Appells von Kasselakis, seine Bereitschaft zur Kandidatur zu erklären. Anders als Parlamentsvizepräsidentin Olga Gerovasili, die in Absprache mit der sogenannten »präsidialen Garde« – dem engsten Kreis um Tsipras – ihren Hut in den Ring warf. Da sich aber die Unstimmigkeiten zwischen Kasselakis und Gerovasili, was den Termin und die Modalitäten der Wahl angeht, nicht ausräumen ließen, setzten sich am Sonntag diejenigen Delegierten des Parteitags durch, die eine Wahl für eine schlechte Idee halten. Somit findet erst einmal keine statt.

Im Anschluss an den Kongress betonte Gerovasili, dass es »für niemanden einen Blankoscheck« gebe. Jeder bei Syriza trage eigene Verantwortung für diese Europawahlen. Und er fügte hinzu: »Ich werde jedoch nicht aufhören, darauf hinzuweisen, dass die entscheidende Voraussetzung für einen erfolgreichen Kurs ist, dass der Vorsitzende aufhört, zu spalten und zu polarisieren.«

Nach Einschätzung von Griechenlands größter linker Zeitung »Efsyn« hat der Kongress für Syriza keine Fortschritte gebracht: Die Konfrontation und ihre Lager seien sichtbarer, die Identitätskrise sei tiefer und die Zukunft der Partei ungewisser geworden. Der Fraktionsvorsitzende Sokratis Famellos bringt die Lage auf den Punkt: Derzeit befänden sich mit den Studierenden, die gegen die Privatisierung der Unis kämpfen, und den protestierenden Landwirten wichtige Teile der griechischen Gesellschaft auf der Straße. Diese bräuchten dringend die Unterstützung einer stabilen Opposition.

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