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Waldbesetzung gegen Tesla: Baumhäuser fürs Grundwasser
Aktivisten besetzen Waldstück neben Tesla-Fabrik in Grünheide als Protest gegen Werkserweiterung
»Water is a human right, one struggle, one fight!«, rufen die Aktivist*innen im Chor: Wasser ist ein Menschenrecht – dieser Slogan steht auch auf dem riesigen Banner, das Kaja entrollt, während die Person rund sechs Meter über dem Boden in der Traverse hängt. Der sogenannte Bannerdrop, dekoriert von buntem Bengalo-Rauch, markiert den offiziellen Beginn einer Waldbesetzung mit einem großen Ziel: Tesla stoppen.
Am Donnerstagmorgen haben Aktivist*innen der Initiative »Tesla Stoppen« die Waldbesetzung öffentlich gemacht. Rund 80 Menschen haben es sich laut Mitteilung in dem Waldstück nahe der »Giga-Factory« des US-amerikanischen Elektroauto-Herstellers Tesla in rund zehn Baumhäusern und ein paar Hängematten gemütlich gemacht. Sie wollen einerseits die Rodung von etwa 120 Hektar Wald verhindern, die im Falle einer genehmigten Werkserweiterung anstünde. Zudem weisen die Aktivist*innen auf den Ressourcenverbrauch von Elektroautos etwa bei der Batterieherstellung hin. »Ein Tesla wird erst nach 100 000 Kilometern nachhaltiger als ein Benziner, solange halten diese Schrottkarren gar nicht durch«, sagt eine Besetzerin.
»Aber der Fokus liegt auf dem Grundwasser«, sagt Caro Weber von »Tesla Stoppen«. Wie schon Teile der bestehenden Tesla-Fabrik läge auch das Areal der geplanten Erweiterung teilweise im Wasserschutzgebiet. Die Erweiterung steht seit einer Abstimmung der Bewohner*innen von Grünheide vergangene Woche ohnehin auf der Kippe. 65 Prozent stimmten gegen den Bebauungsplan 60, der es Tesla erlauben würde, das aktuell 300 Hektar große Gelände auf 420 Hektar auszuweiten und dort einen Güterbahnhof, eine Kita und Lagerhallen zu errichten.
Doch die Bürgerbefragung hat keine rechtliche Bindung, am Ende muss die Gemeindevertretung Grünheide darüber entscheiden. Der Bürgermeister Arne Christiani (parteilos) sagte zwar zu »nd«, dass der Plan in seiner ursprünglichen Form nicht mehr zur Abstimmung stünde. Ein veränderter Bebauungsplan kann jedoch sehr wohl verabschiedet werden.
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Die Initiative will nicht auf den guten Willen der Gemeindevertretung bauen, »da es bereits beim Bau des bestehenden Werks zu zahlreichen Sondergenehmigungen kam.« Mit der Besetzung auf unbestimmte Zeit sorgen die Aktivist*innen nun schon einmal vorsorglich für politischen Druck.
Am Vormittag herrscht im Wald geschäftiges Treiben. Menschen hängen in Klettergurten an Bäumen, besprechen sich im Plenum oder laufen zwischen den Fichten hin und her. Kaja hat die Besetzung mit vorbereitet. »Die erste Nacht war extrem schlaflos, weil wir bis zum Sonnenaufgang gewerkelt haben«, erzählt der*die nichtbinäre Aktivist*in. Kaja schläft in einer Hängematte, die weit oben zwischen zwei Baumstämmen hängt. »Ich liebe das, das Schwanken zwischen den Bäumen, aber die Kälte ist krass und es ist richtig feucht. Heute morgen war ich klatschnass.«
Kaja hofft, in den kommenden Tagen auch mit Tesla-Beschäftigen am nahegelegenen Bahnhof Fangschleuse in Kontakt zu kommen – die Initiative will Klimaaktivismus mit Arbeitskämpfen verbinden und auf schlechte Arbeitsbedingungen und mögliches Union Busting durch Tesla aufmerksam machen. Im Büro der IG Metall direkt am Bahnhof seien sie bereits herzlich empfangen worden.
Dabei stellt sich die Gewerkschaft offiziell hinter die Erweiterungspläne von Tesla. Es sei zwar wichtig, auf die Bedenken der Bürger*innen einzugehen, sagte Dirk Schulze, IG Metall-Bezirksleiter Berlin-Brandenburg am Dienstag der DPA. Aber »eine Erweiterung mit einer Nahezu-Verdoppelung an Industrie-Arbeitsplätzen« hielte er für einen Gewinn.
Solidarität mit den Besetzer*innen kommt dafür von der Bürgerinitiative Grünheide. Manu Hoyer macht sich am Donnerstag selbst ein Bild von dem Camp. »Ich habe das heute Morgen aus dem Radio erfahren, ich finde das richtig, richtig toll, dass sich so viele junge Menschen für das Wasser und den Wald einsetzen«, sagt sie zu »nd«. Von der Gemeinde erwarte sie, sich mit den Aktivist*innen zu solidarisieren und der Tesla-Erweiterung wirklich eine Absage zu erteilen. Und sie erklärt noch einmal, warum eine Erweiterung das Grundwasser gefährde: Auf versiegelten Flächen könnte kein Regenwasser mehr versickern, zudem wolle Tesla für den Bau riesiger Hallen Pfähle in den Waldboden bis ins Grundwasser rammen. »Dass das von einem grünen Umweltminister genehmigt wurde, ist für mich ein Unding.«
Eine weitere Anwohnerin kommt mit Unterstützung vorbei. Sie bringt den Waldbesetzer*innen Kaffee und Schmalzstullen, »ich hab auch an die Veganer gedacht«, sagt sie und lacht. Sie habe natürlich gegen den Bebauungsplan gestimmt, »ich finde die Arroganz von Musk so furchtbar.« Nicht nur die drohende Wasserknappheit, auch die Entscheidungen von oben herab ohne Rücksicht auf die Meinung der Anwohner*innen ärgere sie. »Das verändert unser Leben ganz dolle.«
Wie lange die Besetzung tatsächlich bestehen bleibt, lässt sich am Donnerstag noch nicht einschätzen. Laut Manu Hoyer gehört das Waldstück dem Landesbetrieb Forst, der wiederum dem Umweltministerium untersteht. Eine Räumung würde also nur auf deren Initiative hin erfolgen. Auf die Frage, wie der Landesbetrieb mit der Besetzung umgehen werde, kam bis Redaktionsschluss keine Antwort.
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