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Fahndung nach RAF-Mitgliedern: Armselige Unterwerfungsgesten
Bei der Jagd auf ehemalige RAF-Mitglieder offenbart sich vor allem der »autoritäre Charakter«
Woran liegt es eigentlich, dass Sicherheitsbehörden, Öffentlichkeit und selbst linksliberale Journalist*innen bei der Fahndung nach ehemaligen RAF-Mitgliedern eine Tatkraft an den Tag legen, die bei den 600 bis 900 flüchtigen Rechtsextremist*innen noch nie zu beobachten gewesen ist? Was die Polizei angeht, liegt die Antwort auf der Hand. Die politischen Sympathien des »Helfers in Uniform« sind extrem ungleich verteilt: Von den hessischen SEK-Beamten, die 2020 bei dem rassistischen Anschlag in Hanau eingesetzt wurden, waren 13 in rechtsextremen Chats aktiv. Davon, dass Polizist*innen mit der radikalen Linken sympathisieren, hat hingegen noch niemand etwas gehört.
Aber was ist mit jenen klimabewegten Jung-Journalist*innen, die das Internet im Netz nach ehemaligen RAF-Mitgliedern durchforsteten und sich jetzt für ihren Spürsinn auf die Schulter klopfen lassen? Warum beteiligen sie sich an diesem unwürdigen Aktenzeichen-XY-Spektakel, bei dem Staatsmacht und Springer-Presse gemeinsam ihre Beute hetzen?
Es muss daran liegen, dass die RAF am Ende eben doch etwas völlig anderes war als »normale Kriminalität« oder gar der Nazi-Terror. Sicher: Gewalt gegen Menschen ist immer ein Verbrechen, das in jeder lebenswerten Gesellschaft geächtet werden muss. Doch die Gewalt der RAF unterschied sich von der Gewalt, wie sie in der Gesellschaft ansonsten üblich ist. Mit einigen Ausnahmen, die der Gruppe heftig vorgeworfen wurden, richteten sich die RAF-Aktionen gegen die Mächtigen: Banker, Arbeitgeberpräsidenten, Manager.
Die Argumentation der bewaffneten Gruppe lautete dabei, dass dieses Führungspersonal strukturelle Gewaltverhältnisse zu verantworten habe, die Menschen überall in der Welt das Leben kosteten. Völlig aus der Luft gegriffen war das nicht: Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer, der den Gewerkschaften 1963 mit einer »Totalaussperrung« das Rückgrat zu brechen versuchte, hatte sich seine Sporen als SS-Offizier und glühender Antisemit verdient. Der Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen gehörte zum internationalen Finanz-Management, das den Ländern des globalen Südens in den 1980er Jahren die ersten neoliberalen Spardiktate aufzwang. Und Carsten Rohwedder sorgte als Leiter der berüchtigten Treuhandanstalt dafür, dass Millionen DDR-Bürger*innen in absolute Existenzangst gestürzt wurden.
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Die Attentate der RAF haben an den strukturellen Gewaltverhältnissen nichts geändert. Und wahrscheinlich würde man sich an Schleyer, Herrhausen und Rohwedder auch kritischer erinnern, wenn die RAF sich nicht angemaßt hätte, über ihr Leben zu richten. Aber umgekehrt bleibt eben doch auch wahr: Was Staat und Öffentlichkeit heute mobilisiert, ist der Umstand, dass die RAF nicht den Imbissbudenbesitzer, sondern den Konzernchef ermordete. Während die Gewalt der Rechten bestehende Machtverhältnisse bekräftigt, indem nach unten getreten und die Spaltung zwischen Ohnmächtigen vertieft wird – Bürgergeldempfänger gegen Geflüchtete, Fließbandarbeiter gegen Transsexuelle –, hat die Gewalt der RAF wirklich »die da oben« adressiert.
Genau das verzeiht man ihr nicht. Bei vielen Polizist*innen und Staatsanwälten ist nun der berüchtigte »autoritäre Charakter« geweckt, der – wie es Erich Fromm in den 1930er Jahren analysierte – Gewissheit sucht, indem er sich an Autoritäten orientiert. Grüne und Linksliberale hingegen fühlen sich zu Unterwerfungsgesten bemüßigt. Um keinen Preis der Welt möchten sie, die an den Verhältnissen vielleicht auch schon einmal Kritik geäußert haben, von der Macht als Gegner gesehen werden. Im Kotau zeigen sie, dass sie letztlich doch auf der richtigen Seite stehen: auf der Seite der Stärkeren.
Die RAF war kein Glanzlicht linker Geschichte. Ihre Analyse des Staates und der Klassenverhältnisse war, gelinde gesagt, oberflächlich. Der Umgang mit fremdem (und eigenem) Leben leichtfertig und elitär. Ihr Internationalismus schablonenhaft, ihre Sprache oft kryptisch. Aber trotzdem sollte man den politischen Zusammenhang erkennen, aus dem heraus sie entstand. In den 1960er bis 1980er Jahren gab es eine Welle von Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt, und der Zusammenbruch der internationalen Ungleichheitsordnung schien greifbar nahe. Die RAF war der Ansicht, dass man im privilegierten Norden zum Kampf des Südens etwas beitragen müsse.
Im historischen Rückblick in wird man sich an die Taten einer versprengten Gruppe in Deutschland nicht mehr erinnern. Doch auf das Gewaltregime, das die Gesellschaften des Nordens über jene des Südens errichteten, wird man vermutlich voller Empörung zurückblicken.
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