Paris-Nizza: Primož Roglič enttäuscht im ersten Rennen für Bora

Der slowenische Radstar bleibt im Trikot des deutschen Teams unter den Erwartungen

  • Tom Mustroph, Nizza
  • Lesedauer: 5 Min.
Primož Roglič (r.) konnte nur phasenweise mit den Besten wie dem Gesamtdritten Brandon McNulty mithalten.
Primož Roglič (r.) konnte nur phasenweise mit den Besten wie dem Gesamtdritten Brandon McNulty mithalten.

Die Generalprobe ging in die Hose. In den Bergen in der Umgebung von Nizza, wo im Juli auch die Tour de France zu Ende geht, verlor Primož Roglič gleich vier Minuten auf die Konkurrenz. Im Sommer will der Slowene hier gern gewinnen. Die Erwartungen bei ihm sind hoch, bei seinem neuen Rennstall Bora auch und in der Öffentlichkeit sowieso. Hinzu kommt: Das Umland von Nizza ist das Trainingsgebiet des 34-Jährigen, der im nahen Monaco wohnt. Umso größer war die Enttäuschung. Nur Platz 10 sprang bei Paris–Nizza nach acht Etappen heraus – bei einem Rennen, das Roglič vor zwei Jahren noch gewinnen konnte.

»Ich bin auch jetzt mit der Einstellung angereist, gewinnen zu können«, sagte Roglič frisch geduscht am frühen Sonntagabend vor dem Bus seines neuen Teams Bora-hansgrohe zu »nd«. »Aber es ist mein erstes Rennen mit dem Team. Für mich ist das eine völlig neue Umgebung, und wir müssen uns gegenseitig Zeit geben für all die Prozesse. Und, wissen Sie, es ändert jetzt auch nicht mein Leben, ob ich Paris–Nizza gewinne«, meinte er.

Auf der Siegerstraße befand sich Roglič die gesamte Woche nicht. Beim Teamzeitfahren lag Bora 54 Sekunden auf die siegreiche Equipe von UAE Emirates zurück – und das, obwohl dort nicht einmal der zweifache Toursieger Tadej Pogačar dabei war. Auf das Team Visma mit dem späteren Gesamtsieger Matteo Jorgenson, aber ohne den zweifachen Tour-de-France-Sieger Jonas Vingegaard, betrug der Rückstand 16 Sekunden. Das Doppelte nahm Soudal Quick Step mit dem starken Belgier Remco Evenepoel dem deutschen Team ab. Bei der Zwischenzeit hatte Bora noch geführt, hintenraus gingen aber die Lichter aus.

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»Es ist mir lieber so, wenn alle mit der Mentalität ins Rennen gehen, es gewinnen zu wollen, statt dass nachher alle sagen: ›Oh, ich habe noch ein paar Reserven‹«, versuchte Sportdirektor Rolf Aldag der missglückten Performance noch eine positive Note abzugewinnen. Er lobte gegenüber »nd« ausdrücklich »die Siegermentalität« seines Teams und »den unbedingten Willen, ganz große Leistungen abzurufen«.

Das sei auf den Roglič-Effekt im Team zurückzuführen. »Jeder schlägt hier noch mal die Hacken zusammen und sagt: ›Wir haben doch bestimmt noch zwei, drei Prozent, bei denen wir noch Sachen besser machen können.‹ Sei es bei der Ernährung, sei es einfach im Set-up drumherum«, beschreibt Aldag die neue Einstellung. Teamchef Ralph Denk sprach von einer »neuen Konsequenz«, die mit dem Neuzugang ins Team gekommen sei: »Er ist schon einer, der einfordert. Nicht so sehr von den Ideen, vom Ansatz her, da waren wir wirklich auch gut. Aber vielleicht waren wir bei der einen oder anderen Umsetzung nicht ganz so hart, wie er das vielleicht von seiner anderen Mannschaft gewohnt war.«

Umso verblüffender war dann, wie sanft schließlich Roglič selbst zumindest gegenüber dem Häuflein Reportern am Teambus den Rückschlag beim ersten Rennen für den neuen Arbeitgeber bewertete: »Ich habe nicht gewonnen, klar, aber ich war auch nicht einer der Letzten«, meinte er launig.

Die vier Minuten Rückstand am Sonntag auf der Schlussetappe lassen sich immerhin erklären. Roglič war bei Temperaturen um sieben Grad und Regen durchgefroren. »Dann funktioniert der Körper nicht mehr«, erklärte Aldag. Die wärmende Jacke kam zu spät nach vorn, weil die Rennkommissäre die Teamautos zu den kleinen Gruppen nicht durchließen. »Kein Vorwurf an die Kommissäre, die haben das richtig gemacht, damit niemand im Windschatten der Fahrzeuge vorfahren kann«, so Aldag. Aber natürlich kann man das besser planen.

Mehr Sorgen sollte dem Team bereiten, dass Roglič auch an anderen Tagen kaum Akzente setzen konnte. Auf der sechsten Etappe lancierte er zwar einen Vorstoß, der die Favoritengruppe schwer durchschüttelte. Es handelte sich dann aber nur um die Vorbereitung der rennentscheidenden Attacke. Matteo Jorgenson konterte und legte so die Grundlagen für seinen Triumph.

Damit sorgte er zugleich für ein Novum: Noch nie gewann eine Mannschaft im selben Jahr die parallel stattfindenden Rundfahrten Tirreno–Adriatico und Paris–Nizza. In Italien war Vingegaard erfolgreich, in Frankreich Jorgenson. Auch der US-Amerikaner ist ein Neuzugang – offenbar ist im alten Team von Roglič die Abstimmung zwischen neuen und bewährten Kräften schon weiter fortgeschritten als bei Bora.

Fehler im Trainingsaufbau wollte man bei dem deutschen Rennstall ausschließen. »Primož hat seinen eigenen Trainer mitgebracht. Er trainiert genau so, wie er das bei Jumbo auch gemacht hat. Da gab es keine Umstellung. Auch die Werte sind ähnlich wie im letzten Jahr zum gleichen Zeitpunkt«, meinte Dan Lorang, Chef des Trainerstabs bei Bora, gegenüber »nd«. »Natürlich müssen wir das jetzt analysieren und die richtigen Rückschlüsse ziehen. Das würden wir auch machen, wenn wir gewonnen hätten. Es war sein erstes Radrennen hier mit uns, es ist eine Leistungsdiagnostik in der Praxis. Und wir haben gesehen, dass es noch einiges zu tun gibt«, fasste Lorang die Aufgaben für die kommenden Tage und Wochen zusammen.

Wie gut Trainer, Betreuer und auch der Sportler diese Zeit nutzen, wird man spätestens beim nächsten Rennen von Roglič sehen. Das ist die Baskenland-Rundfahrt vom 1. bis 6. April – auch das ein Rennen übrigens, das neben schnellen Beinen vor allem mit wärmenden Regenjacken zur rechten Zeit gewonnen wird. Mit seinem früheren Rennstall Jumbo-Visma hat Roglič die Rundfahrt schon zweimal gewonnen. Das ist der Vergleichsmaßstab.

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