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Arbeitspflicht macht Arbeit – auch für Deutsche
Seit einigen Wochen müssen Geflüchtete im Saale-Orla-Kreis gemeinnützige Tätigkeiten übernehmen. Die CDU fordert das für ganz Thüringen
Gemeinden haben theoretisch seit Jahrzehnten die gesetzlich verankerte Möglichkeit, Asylbewerber zu gemeinnütziger Arbeit heranzuziehen. Neuerdings macht der seit kurzem von dem CDU-Landrat Christian Herrgott geführte Thüringer Saale-Orla-Kreis davon Gebrauch, was für viele Debatten und Schlagzeilen sorgte. Denn die Geflüchteten erhalten für vier Stunden Arbeit pro Tag nur eine symbolische Aufwandsentschädigung von 80 Cent pro Stunde. Weigern sie sich, drohen ihnen Geldkürzungen von bis zu 180 Euro im Monat.
Am Mittwochnachmittag hatte die CDU im Thüringer Landtag dieses Thema auf die Tagesordnung der Plenarsitzung gesetzt. In einer Aktuelle Stunde forderten die Christdemokraten: »Solidarität ist keine Einbahnstraße: Asylbewerber in Thüringen zu gemeinnützigen Arbeitsgelegenheiten verpflichten.« Die Debatte war indes in vielerlei Hinsicht aufschlussreich. Denn die Umsetzung der von Seiten der CDU eher populistisch motivierten Forderung ist letztlich mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden.
Die Argumentation der CDU geht im Kern so: Jeder, der – egal in welcher Form – Unterstützung vom deutschen Staat bekommt, der soll diesem Staat in Form von Arbeit auch etwas zurückgeben, wenn nicht gesundheitliche Gründe dagegen sprechen. Das sei doch einer der Pfeiler des Zusammenlebens in Deutschland, sagte der Abgeordnete Stefan Schard. Dass die von seinem Parteifreund Herrgott umgesetzte Möglichkeit für so viele Debatten sorgte, findet er absurd. »Wo ist überhaupt das Problem?«, fragt er. Dass Flüchtlinge etwa bei der Reinigung ihrer Unterkünfte mithelfen sollten, sei doch besser, als wenn sie sich langweilten.
Natürlich ist die Sache aber nicht so einfach, wie Schard sie an diesem Tag darstellt, worauf zum Beispiel Thomas Hartung (SPD) verweist. Das Problem, sagt er, sei die Art und Weise, wie die CDU über diese Arbeitspflicht spreche. Sie erwecke den Eindruck, Flüchtlinge wollten nicht arbeiten und müssten erst dazu gezwungen werden. Das sei »schamlos« und »reiner Populismus«, ruft Hartung in Richtung von Schard. Denn, so der SPD-Politiker: In aller Regel dürfen Asylbewerber nach ihrer Ankunft in Deutschland über Monate hinweg gar nicht erwerbstätig sein, also für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen. Hier müsse man ansetzen, wenn man wirklich wolle, dass Flüchtlinge sich besser integrieren können, fordert Hartung: »Lassen Sie uns Nägel mit Köpfen machen: Lassen Sie uns alle Arbeitsverbote aufheben!«
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Nun mag man einwenden, dass es sich nicht ausschließen muss, Geflüchtete in bestimmten Situationen zur Mitarbeit zu verpflichten und gleichzeitig mehr dafür zu tun, dass sie einen besseren Zugang zu Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt bekommen. Das aber berührt einen Punkt, der im Landtag gleich mehrfach zur Sprache kam: die Leistungsfähigkeit deutscher Verwaltungen. Der Bürgerbeauftragte Thüringens, Kurt Herzberg, hatte ihnen erst am Dienstag bescheinigt, völlig überlastet und stellenweise kaum noch arbeitsfähig zu sein.
Gerade die Arbeitspflicht für Asylbewerber ist für Mitarbeiter in der Verwaltung mit einem teilweise erheblichen Aufwand verbunden. Anders ausgedrückt: Sie sorgt auch bei Deutschen für ziemlich viel Arbeit. Neben der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Astrid Rothe-Beinlich wies darauf in der Debatte auch Innenminister Georg Maier (SPD) hin. Für jede Person, die zur Arbeit verpflichtet werde, müsse ein eigener Bescheid ausgestellt werden, in dem diese unter anderem über bei Verweigerung drohende Konsequenzen aufgeklärt werden müssen, sagt Maier.
Rothe-Beinlich wiederum betont, es brauche eben auch Personal, um die Menschen zu betreuen und anzuleiten, die man zur Arbeit verpflichte. So müssten Menschen, die in einer Gemeinschaftsunterkunft Müll sammeln sollen, auch Handschuhe und Müllsäcke bekommen, zudem müsse ihnen erklärt werden, wie die Mülltrennung funktioniert. Dass entsprechendes Personal vielerorts fehlt, ist ein Grund dafür, dass von der Möglichkeit zur Dienstverpflichtung Geflüchteter in den vergangenen Jahren kaum Gebrauch gemacht wurde.
Die Linke-Abgeordnete Katharina König-Preuss warf der CDU vor, den Begriff Solidarität zu missbrauchen. Solidarität bedeute Zusammengehörigkeit, die CDU aber misstraue den Menschen, die nach Deutschland kommen, grundsätzlich.
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