Hand in Hand gegen die AfD

Protestdemonstration zieht zum Landesparteitag in Jüterbog

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Vom Bahnhof aus die Schloßstraße von Jüterbog entlang sind jede Menge frischer Naziaufkleber zu finden. Sie werden nun gleich wieder entfernt. Eine Demonstration gegen die AfD zieht hier am Samstagmittag zur Wiesenhalle, in der sich diese Partei zu einem Landesparteitag trifft. Für 150 Teilnehmer hat Tom Ritter, Stadtverordneter der Grünen aus Luckenwalde, die Demonstration angemeldet. Knapp 300 Menschen sind gekommen, vom Kind bis zur Oma gegen rechts. Etliche haben den Zug aus Berlin genommen, der im Kreis Teltow-Fläming vor Jüterbog etwa auch in Ludwigsfelde und Luckenwalde hält.

Gekommen ist auch die in Brandenburgs Landesregierung für den Verbraucherschutz zuständige Staatssekretärin Antje Töpfer. Sie ist Spitzenkandidatin der Grünen für die Landtagswahl am 22. September. »Hand in Hand gegen die AfD – Kein Bock auf Nazis in Jüterbog!«, so lautet das Motto der Demonstration, an deren Rand sich ein Dutzend stadtbekannter Neonazis drohend aufbaut, aber von Polizisten abgeschirmt wird. »Wir dürfen eine Normalisierung der rechten und zum Teil verfassungsfeindlichen Partei nicht zulassen«, erklärt Staatssekretärin Töpfer.

In dem Aufzug läuft der Landtagsabgeordnete Erik Stohn (SPD) an seinem Wohnhaus vorbei. In einer Kleinstadt wie Jüterbog sei es »nicht so ganz einfach, Flagge zu zeigen«, sagt er. Den extra Angereisten dankt er für ihre Unterstützung.

Aber wird es etwas nützen? »Ich glaube schon, dass Demonstrationen immer einen Sinn haben«, denkt der Linke-Vizekreisvorsitzende Tom Siedenberg, der im zur Stadt Jüterbog gehörenden Markendorf lebt. »Man kann damit etwas bewegen«, sagt er. »Aber man kann natürlich AfD-Wähler nicht umstimmen«, ist ihm klar.

Eine fast düstere Rede hält Rosa Hurm von der Grünen Jugend. »An vielen Tagen fühle ich eine krasse Schwere in mir«, gesteht sie, spricht von Panik und Angst beim Blick in die Zukunft. »Dennoch stehe ich heute hier. Ich bin nicht hoffnungslos«, versichert Hurm.

Den Lautsprecherwagen stellt der Landesverband der Linken – und dieser Transporter fährt inmitten der Demonstration nicht nur zur Wiesenhalle, sondern vorher auch zum Rathaus von Jüterbog. »Bürgermeister Arne Raue ist parteilos, aber AfD-nah«, begründet Anmelder Tom Ritter den Umweg zum Rathaus. Inhaltliche Überschneidungen sind unübersehbar. Raue will im hiesigen Wahlkreis als unabhängiger Einzelbewerber für den Landtag kandidieren. Die AfD stellt hier diesmal keinen eigenen Kandidaten auf. Raue dürfte somit der härteste Konkurrent des SPD-Abgeordneten Erik Stohn werden, der den Wahlkreis 2019 gewann.

Mit dem Sprechchor »AfD – Faschistenpack, wir haben euch zum Kotzen satt« der an der Spitze marschierenden Antifa zieht die Demonstration kurz nach 12 Uhr am Bahnhof los. Mit »Ganz Brandenburg hasst die AfD« trifft sie gegen 13.30 Uhr an der Wiesenhalle ein. Wegen des strömenden Regens zwischendurch haben sich die Reihen schon etwas gelichtet. Bis die AfD den Bundestagsabgeordneten René Springer zu ihrem neuen Landesvorsitzenden wählt, dauert es noch fast zwei Stunden. Um 15.16 Uhr zeigt ein Bildschirm in der Wiesenhalle dann das Ergebnis der elektronischen Abstimmung an: Mit 368 zu 74 Stimmen bei sechs Enthaltungen gelangt Springer an die Spitze des Landesverbandes.

Die bisherige Landesvorsitzende Birgit Bessin hat verkündet: »Nein, ich kandidiere nicht mehr für den Landesvorstand.« Einen Machtkampf werde es heute nicht geben, sagt Bessin, die der Landtagsfraktion angehört. Auch andere Mitbewerber melden sich nicht für den Posten des Vorsitzenden. Als Springer verrät, er sei früher SPD-Mitglied gewesen, gibt es erst Buhrufe. Doch dann schreien seine Zuhörer begeistert, als er in den Saal brüllt: »Wir werden dieses Land den Altparteien aus den Klauen reißen«, den Parteien, »denen Fremde wichtiger sind als das eigene Volk«. Außerdem verkündet Springer, die Parteienherrschaft müsse abgeschafft werden. Die AfD sei auf dem Weg, Regierungsverantwortung zu übernehmen, meint der 44-Jährige.

Die jüngsten Umfragen zur Landtagswahl vom Januar prophezeiten der AfD 28 bis 32 Prozent. Die SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke liegt mit zehn bis elf Prozentpunkten dahinter zurück. Der AfD-Landesverband zählt nach eigenen Angaben 2412 Mitglieder und verzeichnete 2023 Einnahmen in Höhe von rund 410 000 Euro, darunter knapp 20 000 Euro Spenden.

Zu Vizelandesvorsitzenden werden Landtagsfraktionschef Hans-Christoph Berndt und der Landtagsabgeordnete Daniel Freiherr von Lützow bestimmt. Gemessen an den heftigen persönlichen Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre wirkt Brandenburgs AfD jetzt, wo es vor der Landtagswahl darauf ankommt, relativ geschlossen.

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