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Wahlfest mit Nebengeräuschen

Wladimir Putin hat sich erneut zum russischen Präsidenten wählen lassen

  • Daniel Säwert
  • Lesedauer: 4 Min.
Wahl ist in Russland auch immer ein bisschen Karneval.
Wahl ist in Russland auch immer ein bisschen Karneval.

Zar Peter der Große hat es ebenso getan wie Fürst Alexander Newski und die beliebte Filmfigur Tscheburaschka. Sie alle stimmten am Wochenende für Russlands Zukunft ab, wie sie nach dem Urnengang erklärten. Wie diese Zukunft aussieht, erklärten die drei kostümierten Wähler nicht.

Mit großer Sicherheit werden sie für Wladimir Putin gestimmt haben. Schließlich war die Wiederwahl des russischen Präsidenten lange vor dem Wahlwochenende ausgemachte Sache. Fürchten musste der 71-Jährige seine Gegenkandidaten nicht. Weder Wjatscheslaw Dawankow (Neue Leute) noch der LDPR-Vorsitzende Leonid Sluzkij oder der KPRF-Kandidat Nikolai Charitonow hatten eine reale Aussicht, Wladimir Putin aus dem Kreml zu verdrängen. Der einzige wirklich oppositionelle Kandidat Boris Nadeschdin, der sich gegen den Ukraine-Krieg aussprach, war nicht zugelassen worden. Nichts sollte aus Sicht der Regierung die Wahl stören. Stattdessen sollte die Wahl zum Fest werden, bei dem das Wahlvolk auch gerne in Kostümen seine Stimme abgeben darf.

Ukrainische Angriffe während der Wahl

In mehreren Regionen war von Feststimmung hingegen nichts zu spüren. In den besetzten Gebieten der Ukraine wurde die Wahl zu einer Hochsicherheitsabstimmung. Statt kostümierten Wählern prägten maskierte Soldaten dort das Bild. Auch in an die Ukraine angrenzenden Gebieten herrschte eher Ausnahmezustand. Seit Tagen sorgen russische Kämpfer in ukrainischen Diensten für Unruhe. Zudem beschießt die Ukraine immer wieder die Gebietshaupststadt Belgorod, dabei kamen mehrere Menschen ums Leben. Am Freitag hatte Putin persönlich auf die Situation reagiert. Die Angreifer wollten die Präsidentenwahl stören, sagte er in Moskau. Das werde aber nicht gelingen, weil das russische Volk sich geschlossen dagegen stellen werde.

So geschlossen, wie Putin es sich wünscht, zeigten sich die Russen aber nicht. Vor der Abstimmung hatte die zerstrittene Opposition zu Protesten gegen die Wiederwahl Putins aufgerufen, konnte sich aber nicht auf eine gemeinsame Aktion einigen. Stattdessen riefen verschiedene Gruppen dazu auf, die Wahlzettel ungültig zu machen, einen anderen Kandidaten als Putin zu wählen und am Sonntagmittag um 12 Uhr zum stillen Protest vor dem Wahllokal zu kommen. »Ich glaube daran, dass das russische Volk heute die Chance hat, seine Haltung zu dem zu zeigen, was passiert, indem es nicht Putin wählt, sondern jemand anderen, so wie ich es getan habe«, sagte der Ex-Kandidat Boris Nadeschdin nach seiner Stimmabgabe auf die Frage, ob er an die Seriösität der Wahl glaube.

Stiller Protest im ganzen Land

Die Polizei hatte vor der Abstimmung Maßnahmen gegen die Proteste angekündigt, Moskaus Staatsanwaltschaft hatte gar von Extremismus gesprochen. Verhindern konnte sie dennoch nichts. Im ganzen Land versammelten sich um 12 Uhr Tausende Menschen vor den Wahllokalen, um »zu sehen, dass man nicht alleine ist«, wie eine junge Frau berichtet. Bilder und Videos zeigen teilweise hunderte Meter lange Schlangen. Der kürzlich in Vilnius angegriffene Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow sprach aus dem Exil heraus von einer »Explosion« des Widerstands gegen Putins Weiterregieren.

Auch im Ausland beteiligten sich viele Russen an der Aktion. In Berlin war die Warteschlange vor dem russischen Konsulat laut Augenzeugen über einen Kilometer lang. Julia Nawalnaja, Witwe des kürzlich verstorbenen Oppositionellen Alexej Nawalny und Michail Chodorkowski mischten sich unter die Menge. In Lettland hatte die Regierung angekündigt, Russen, die zur Wahl in die Botschaft nach Riga kommen, in einem fragwürdigen Verfahren zu überprüfen und deren Visa und Aufenthaltserlaubnisse zu kontrollieren.

Hohe Wahlbeteiligung angestrebt

Trotz ihrer Ankündigung hart durchzugreifen hielt sich die russische Polizei weitestgehend zurück. Das Bürgerrechtsportal OVD-Info meldete am frühen Abend 80 Festnahmen in 20 Städten, darunter mindestens ein Journalist und eine Aktivistin, die beim Verlassen ihres Hauses aufgegriffen wurde. Die meisten Festgenommenen wurden nach kurzer Zeit wieder freigelassen.

Die Opposition feiert die Protestaktion als großen Erfolg. Genaue Zahlen zu bekommen, wird schwierig sein. In einigen Regionen aber stieg die Wahlbeteiligung seit dem Mittag um fünf bis sechs Prozent, was die Zentrale Wahlkomission für sich als Erfolg verbuchen will. Wahlleiterin Ella Pamfilowa behauptete in Moskau, dass auch regierungsfreundliche Wähler durch die Aktion zur Wahl motiviert worden seien.

In Moskau wird man deshalb auch zufrieden auf den Sonntag schauen. Schließlich benötigt Wladimir Putin für seine Legitimierung eine hohe Wahlbeteiligung.

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