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DFB-Team gegen Frankreich, Diskussionen über Julian Nagelsmann
Der Bundestrainer sollte mit dem neuformierten Nationalteam liefern, bevor über die Zukunft gesprochen wird
Große Fußballarenen fernab der Innenstädte sind in ganz Europa keine Seltenheit. Doch kaum eine liegt so weit ab vom pulsierenden Zentrum wie das gewöhnlich vom französischen Fußball-Erstligisten Olympique Lyon genutzte Stadion in Décines-Charpieu. Diese verbaute Vorstadtgemeinde hat mit dem charmanten Altstadtviertel am Zusammenfluss von Rhône und Saône ungefähr so viel gemein wie ein Schnellimbiss mit einem Feinschmeckerrestaurant. Aber hier duellieren sich nun einmal an diesem Sonnabend die Fußballer aus Frankreich und Deutschland in einem Länderspiel-Klassiker.
Keine Konstellation gab es in den vergangenen zehn Jahren häufiger: Neben einem WM-Viertelfinale 2014, zwei EM-Duellen im Halbfinale 2016 und in der Vorrunde 2021 sowie zwei Spielen 2018 in der Nations League vereinbarten beide Verbände gleich noch drei Freundschaftsspiele. Der letzte Vergleich diente als einer der wenigen deutschen Mutmacher für die Heim-Europameisterschaft im kommenden Sommer: Als Rudi Völler im September vergangenen Jahres einmalig als Teamchef eingesprungen war, kam ein schwungvoller Auftritt und ein 2:1-Sieg heraus. »Geht’s raus und spielt’s Fußball«, schien »Tante Käthe« in bester Franz-Beckenbauer-Manier den Auserwählten gesagt zu haben.
Leider sollte jene Darbietung in Dortmund nicht durchgängiger Maßstab nach dem Übergang von Hansi Flick zu Julian Nagelsmann sein. Auch der nächste Bundestrainer werkelt noch verzweifelt am Turnaround. Mit nur einem Erfolgserlebnis beim 3:1 in den USA, einem Remis gegen Mexiko sowie den Niederlagen gegen die Türkei und Österreich hat sich der 36-Jährige in Zugzwang gebracht. Sein personeller Schlingerkurs sollte jetzt enden. Und solch ein Härtetest gibt auch die Chance, die skeptische Öffentlichkeit auf dem langen Weg zu einer stimmungsvollen Europameisterschaft mitzunehmen.
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Bei einer Fan-Pressekonferenz auf dem DFB-Campus hat Julian Nagelsmann am Mittwoch erzählt, wie er die WM 2006 erlebte: »Ich war damals auf der einen oder anderen Fanmeile. Das war sehr, sehr emotional. Wir werden versuchen, das wieder herzustellen.« Dafür aber müssen nicht nur Organisation und Wetter passen – auch vom Team des Gastgebers sollte wie beim Sommermärchen Inspiration ausgehen. Nagelsmann will liefern: »Ich würde das Ding mit der Mannschaft gerne gewinnen, sonst müssen wir gar nicht erst anfangen, dann machen wir lieber Urlaub – ob wir jetzt Favorit sind oder nicht.«
Doch dafür braucht es Typen, die wieder mehr Widerstandsfähigkeit, Gemeinsinn und Identifikation mitbringen. Insofern ist es gar nicht so schlecht, dass das runderneuerte Ensemble bei einem Topfavoriten mit dem seit 2012 für die Equipe Tricolore verantwortlichen Didier Deschamps und dessen Wunderstürmer Kylian Mbappé auf den Prüfstand kommt. Lyon erlebt dabei die Reifeprüfung für ein schwarz-rot-goldenes Gerüst aus Fußballern im fortgeschrittenen Alter. Dass Marc-André ter Stegen für den verletzten Manuel Neuer zwischen den Pfosten steht, ist vermutlich das geringste Problem. Die Viererkette mit Joshua Kimmich, Jonathan Tah, Antonio Rüdiger und Maximilian Mittelstädt als einzigem Startelfanwärter von den vier verbliebenen Neulingen hat so noch nie zusammengespielt. Gleiches gilt für den Mittelfeldblock mit Toni Kroos, Robert Andrich und Kapitän İlkay Gündoğan, der die Kollegen vorsichtshalber noch einmal ans große Ganze erinnerte: »Es ist ein riesiges Privileg, die Chance zu haben, eine WM oder EM im eigenen Land zu spielen.«
Gündoğan hat – im Gegensatz zu Rückkehrer Kroos – mit der DFB-Auswahl noch keine Erfolge gefeiert. Seine Turnierteilnahmen 2018, 2021 und 2022 sind mit dem Scheitern verbunden. Dass der 33-Jährige noch bis zur WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko weitermacht, scheint wie bei einigen anderen wenig wahrscheinlich. Daher ist es gut, dass Gündoğan in dem System mit drei Zehnern von zwei jungen Hoffnungsträgern umgeben wird: Florian Wirtz und Jamal Musiala sollen in Abwesenheit des gesperrten Leroy Sané ihr großes Talent auch im Nationaltrikot zeigen, das gegen Frankreich übrigens noch klassisch weiß sein wird. Diese Jungs wolle man »in Positionen bringen, in denen sie uns Spaß machen«, sagt Nagelsmann.
Unnötig scheint, dass der Fußballlehrer seine eigene Zukunft zum Thema gemacht hat. Ob DFB-Präsident Bernd Neuendorf mit den öffentlich angekündigten Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung gut beraten ist? Der Zeitdruck erschließt sich nicht wirklich. Selbst wenn sich Nagelsmann wünscht, »die Zukunft zu regeln«, und Neuendorf betont, dass »die Chemie stimmt«, muss nichts übers Knie gebrochen werden.
Die Beispiele der vor den Weltmeisterschaften 2018 und 2023 vorschnell verlängerten Arbeitspapiere von Joachim Löw und Martina Voss-Tecklenburg als Bundestrainerin der Frauen müssten dem DFB eigentlich Warnung genug sein. Auch Nagelsmann sollte gegen Frankreich und danach am Dienstag gegen die Niederlande in Frankfurt am Main erst einmal Leistung abliefern, ehe schon wieder teure Pflöcke für den finanziell in arge Nöte geratenen Fußballverband eingeschlagen werden.
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