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Erkner: Hauptmann-Stadt ohne Hauptmann-Haus

Das Gerhart-Hauptmann-Museum in Erkner soll ausgebaut werden – doch die Finanzierung wackelt

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Stolz nennt sich der Berliner Vorort Erkner Gerhart-Hauptmann-Stadt. Der 1862 geborene Literaturnobelpreisträger hat hier von 1885 bis 1889 zur Miete in der Villa Lassen gewohnt. Unmittelbar danach ist er mit seinen naturalistischen Dramen »Vor Sonnenaufgang« (1889) und »Die Weber« (1892) sowie der Komödie »Der Biberpelz« (1893) berühmt geworden. Hauptmann schrieb damals sozialkritisch und galt deswegen als Sozialdemokrat, ohne in die Partei von August Bebel und Wilhelm Liebknecht eingetreten zu sein.

Auch wenn Hauptmann erst 1946 starb und weiter emsig dichtete – im 20. Jahrhundert ist, an den frühen Werken gemessen, nichts Bedeutendes mehr von ihm gekommen. Doch Erkner war Ausgangspunkt dessen, was von seinem Schaffen bleibenden Wert hat. 1987 eröffnete in der Villa Lassen das Gerhart-Hauptmann-Museum.

Die Stadt fühlt sich diesem Erbe verpflichtet. Vor einem Jahr wurde das Museum zwar geschlossen. Jedoch eigentlich nur, um die denkmalgeschützte Villa zu sanieren und den recht bescheidenen Anbau durch ein großzügiges Kulturforum mit Bibliothek, Café und Veranstaltungssaal zu ersetzen. Auch das Stadtarchiv und die Touristinformation sollen einziehen.

Man glaubte lange, der Anbau stamme aus DDR-Tagen, berichtet Stefan Rohlfs, der das Hauptmann-Museum seit dem Jahr 2000 leitet. Tatsächlich sei der Anbau aber älteren Datums und stamme aus einer Zeit, in der es hier eine Gastwirschaft gab. Das erklärt einerseits, warum der Anbau für ein Museums nicht ideal geeignet ist, und andererseits, warum Rohlfs das Kulturforum herbeisehnt.

Die Villa Lassen ist für die Baumaßnahmen schon leergeräumt. Hauptmanns alte Möbel sind eingelagert und zwischendrin sitzen die drei Museumsmitarbeiter, organisieren beherzt Veranstaltungen im Bürgersaal und im Heimatmuseum der Stadt, in der Genezarethkirche und im Sommer auch im Garten der Villa Lassen – und müssen ansonsten der Dinge harren, die da kommen oder eben nicht kommen.

Dass die Zwischenlösung eine ehemalige Filiale der Commerzbank ist, wirkt jetzt bezeichnend. Leider lagern im Tresor keine Bündel mit Geldscheinen – denn das geplante Kulturforum liegt vorerst auf Eis. Die Mittel sind knapp geworden. Fast sechs Millionen Euro Fördermittel von Bund und Land würden nicht ausreichen, dass Projekt zu stemmen. Acht Millionen Euro sollte es einmal kosten. Nun aber würden insgesamt mindestens 13 Millionen Euro gebraucht, angesichts gestiegener Baupreise vielleicht sogar deutlich mehr.

»Eigentlich ist das Kulturforum eine schöne Idee. Wir müssten es nur bezahlen können«, bedauert der Stadtverordnete Michael E. Voges (Linke). Am 7. Dezember haben die Stadtverordneten andere Prioritäten gesetzt. Vordringlich ist demnach der Bau einer Sporthalle für neun Millionen Euro und die 7,4 Millionen teure Erweiterung der Löcknitzgrundschule nicht nur provisorisch mit Containern. Dann sind jetzt immerhin noch 3,5 Millionen Euro für das Hauptmann-Museum vorgesehen. Mit dieser Summe soll die Villa Lassen saniert und ein kleiner neuer Anbau realisiert werden, erläutert Voges. Damit hätte das Museum nicht weniger Platz, als es bis jetzt hatte, wirbt er um Verständnis für die Sparvariante. Irgendwann später einmal, wenn das Geld dafür vorhanden wäre, könnte der Komplex dann doch noch zum Kulturforum erweitert werden.

Die Entscheidungen der Stadtverordneten vom 7. Dezember sehen das Kulturforum nicht mehr vor, beklagt das Hauptmann-Museum auf seiner Internetseite. »Auch die Sanierung der alten Museumsräume hat auf einer Prioritätenliste kaum eine Chance, in absehbarer Zeit in Angriff genommen zu werden«, heißt es da. »Was die Zeit noch bringt, bleibt abzuwarten.« Die treuen Gäste – etwa 10 000 jährlich zählte das Museum bislang – sollen sich in Geduld üben und einstweilen das Gerhart-Hauptmann-Haus in Kloster auf der Ostseeinsel Hiddensee besuchen. Dort hatte der Schriftsteller ein Sommerhaus, das besichtigt werden kann. Die Sanierung dieses Sommerhauses im Jahr 2025 wird gegenwärtig vorbereitet.

Wann die Villa Lassen in Erkner instand gesetzt wird, steht derweil in den Sternen. Droht hier ein Tod auf Raten? »Das Museum ist wirklich in Gefahr«, bestätigt Leiter Stefan Rohlfs. »Es geht gar nicht voran«, beklagt er am Montag. Seine größte Sorge dabei: »Es verschwindet aus dem Bewusstsein.« Auch mit den Veranstaltungen komme man auf Dauer dagegen nicht an. Ein Museum benötige nun einmal Ausstellungen, die besucht werden können, um präsent zu bleiben.

Ende Januar gab es auf Einladung der Stadt ein Treffen mit Vertretern von Bund und Land. Die Stadt hatte die Hoffnung, diese würden ihre bereits zugesagten Fördermittel aufstocken und das Kulturforum damit doch noch ermöglichen. Aber so war es leider nicht. »Jeder hat gesagt: ›Tolles Projekt, aber mehr Geld haben wir leider nicht‹«, berichtet Stadtsprecherin Daniela Sell. Sie betont dennoch, das Rathaus mit Bürgermeister Henryk Pilz (CDU) an der Spitze habe das Projekt keinesfalls aufgegeben. »Wir möchten unbedingt, dass es verwirklicht wird. Der Bürgermeister ist noch wahnsinnig optimistisch.«

Die Stadt sei auf der Suche nach alternativen Geldquellen. »Die Sparkassenstiftung steht ganz oben auf der Liste.« Auch mit anderen Stiftungen sei man im Gespräch. »Eigentlich möchten wir es ja nicht abspecken«, sagt Sell über das Vorhaben. Ein Teil der gewährten Fördermittel sind auch bereits ausgegeben, etwa für die Architekten und für die angemietete Zwischenlösung in der Bankfiliale. Dieses Geld müsste die Stadt zurückzahlen, wenn aus dem Kulturforum nichts wird.

Der gesundheitlich angeschlagene Gerhart Hauptmann, der damals Blut hustete, war im Herbst 1885 mit seiner Frau Marie von Berlin-Moabit nach Erkner gezogen. »Ich musste aufs Land«, erinnerte er sich später. »Diesem Wechsel des Wohnortes verdanke ich es nicht nur, daß ich mein Wesen bis zu seinen reifen Geistesleistungen entwickeln konnte, sondern daß ich überhaupt noch am Leben bin.« Die Söhne Ivo, Eckart und Klaus sind in Erkner geboren. Nun geht es darum, ob der Plan eines Kulturforums begraben werden muss.

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