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Das Getränk aus dem Amazonaswald
Kakao wurde bereits vor 5000 Jahren kultiviert und verbreitete sich über Handelswege bis nach Mexiko
Mitte des 16. Jahrhunderts machte sich eine neue Grille breit am Hofe des spanischen Königs: Das Trinken von Kakao. Den Genuss des neuen Getränks verdankten die Reichen und Mächtigen der Kolonialmacht ihren neuen Untertanen im frisch eroberten Mexiko. Hernán Cortés und seine Offiziere waren die ersten Europäer, die Kakao tranken. Er wurde ihnen am Hofe des Aztekenherrschers Moctezumas kredenzt und es war eine besondere Ehre, denn der Genuss von »xocolātl« war den aztekischen Adeligen vorbehalten.
Die spanischen Gaumen waren weniger begeistert, denn sowohl die Azteken als auch die Maya tranken den Kakao meist mit Chili oder Pfeffer versetzt und er war leicht fermentiert und schaumig. Erst mit dem Zusatz von Zucker wurde Kakao populär bei den Eroberern. Übrigens wurde schon Christoph Kolumbus Kakao angeboten, aber er tat diesen als seltsame Mandeln ab.
Während die europäische Kulturgeschichte des Kakao etwa 500 Jahre zählt, ist die amerikanische wesentlich länger. Selbst die Azteken und Maya waren relativ späte Genießer des braunen Getränks. Bis vor wenigen Jahren herrschte die allgemeine Auffassung, dass die Pflanze im Soconusco, der tropischen Pazifikküste Guatemalas und Südwestmexikos, domestiziert wurde.
Doch es waren frühe Bauern der Mayo Chinchipe-Marañon-Kultur an den Quellflüssen des Amazonas, die den Geschmack der Bohnen bereits vor 5000 Jahren schätzten. Für die meisten Menschen ist das sicherlich eine Überraschung, denn gewöhnlich wird der Amazonasregenwald mit grüner Hölle und menschenabweisender Natur verbunden. Doch für seine ursprünglichen Bewohner muss er ein Paradies gewesen sein, das viele Pflanzen gedeihen ließ, die für die tägliche Nahrung wie auch als Luxusgut nutzbar gemacht werden konnten.
Wilder Kakao wird auch heute noch von den indigenen Machiguenga und Tukuná, die im Ursprungsgebiet leben, gepflückt und zubereitet. Überraschend ist, dass die Inka, die sonst alle Leckereien ihres Riesenreichs genossen, den Kakao nicht in ihre Hofküche integrierten, nachdem sie die Anbaugebiete östlich und westlich der Anden erobert hatten.
Eine internationale Forschergruppe aus den USA, Frankreich, Mexiko, Kolumbien und Ecuador stellte sich die Aufgabe herauszufinden, wie der Kakao vom Oberlauf des Marañón nach Mexiko kam. Dazu führten sie zwei parallele Untersuchungen durch: Zum einen analysierten sie die genetische Struktur des Kakao, um ein klares Bild zu haben, wonach sie suchen mussten. Dann untersuchten sie 378 Keramikreste nach genetischen Spuren von Kakao. Dank avancierter DNA-Sequenzierungstechnik ist es möglich, aus winzigsten Rückständen von Speisen und Getränken in den Poren von Keramik auch noch nach Tausenden von Jahren herauszufinden, was die Menschen damals zu sich nahmen.
In diesem Fall untersuchten die Spezialisten die Gefäße nach Rückständen von Theobromin, Theophyllin und Koffein. Der Nachweis von Theobromin in hohen Konzentrationen sowie die Kombination dieser drei Stoffe war in diesem Zusammenhang wichtig, denn Theobromin kommt auch in der Guaranafrucht und im Mate-Tee in niedriger Konzentration vor. Das Trinken von Guaranasaft beziehungsweise Mate war schon in vorkolumbianischen Zeiten weit verbreitet in Südamerika und deshalb musste ausgeschlossen werden, dass sie ihre Spuren in der untersuchten Keramik hinterlassen hatten.
Konnte wiederum nachgewiesen werden, dass ein Gefäß einmal Kakao enthalten hatte, konnte anhand von Alter und Fundstätte der Keramik die Verbreitung des Kakaos nachgezeichtet werden.
Die Studie bestätigte frühere Untersuchungen, dass die Ausbreitung der Kakaopflanze nur mit menschlicher Hilfe vor sich gehen konnte, denn die tropische Pflanze konnte nicht die natürliche Barriere der Anden überwinden. Dies geschah jedoch relativ bald nach ihrer Domestizierung, denn die Träger der Valdivia-Kultur an der tropischen Küste Ecuadors bauten schon vor 4000 Jahren Kakao an. Bekommen hatten sie die Pflanze über Handelsbeziehungen mit den Angehörigen der Mayo Chinchipe-Marañon-Kultur. Diese müssen ein weitverzweigtes Handelsnetz unterhalten haben, denn die Kakaopflanze tauchte etwa zur gleichen Zeit auch in den tropischen Flusstälern Kolumbiens und an der Karibikküste bis nach Venezuela auf.
Wo der Kakao auch hinkam, erfreute man sich des neuen Geschmacks. Bisher war die geläufige Auffassung, dass der weitere Weg nach Norden entlang der Karibikküste verlief, aber die neue Studie beweist eindeutig, dass die Verbreitung über den Seeweg vor sich ging. Von der Valdivia-Kultur ist bekannt, dass sie tüchtige Seeleute hatte und archäologische Studien haben Ähnlichkeiten im Keramikstil zu frühen mexikanischen Kulturen gezeigt.
Im Soconusco im heutigen Bundesstaat Chiapas gab es günstige Anbaubedingungen für den Kakao und die Angehörigen der Mokaya- und Olmeken-Kulturen hatten mit dem Maisanbau wirtschaftliche Voraussetzungen geschaffen für den Anbau einer Luxuspflanze. Die Maya verfeinerten den Anbau und vertrieben den Kakao über ihre Handelsnetze. Bei den Maya und Olmeken wurde Kakao nachweislich zum Statussymbol der Herrscher und Priester und genossen wurde er unter anderem versetzt mit Beeren, Chili, Honig oder Vanille.
Kakaobohnen wurden in vorkolonialer Zeit wie eine Währung mit festen Umrechnungssätzen in andere Produkte gehandelt. Aus frühen Aufzeichnungen der Spanier ist bekannt, dass auch bei dieser Währung »Münzfälschung« vorkam und entsprechend bestraft wurde.
Der Regengott Chan, einer der wichtigsten Götter der Maya, war Beschützer des Kakao. Von Chiapas aus fand der »Kaka,« das Mayawort für Kakao, teils als Handelsware, teils als Tribut seinen Weg in die Hauptstadt der Azteken, Tenochtitlán. Mit der Eroberung Amerikas wurde Kakao eine der wichtigsten Exportwaren der Kolonien und trat seinen Siegeszug um die Welt an.
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