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Darf’s ein Orden mehr sein?
Land Brandenburg stiftet weitere Verdienstmedaille. Ehrenamtler wünschen sich stattdessen konkrete Hilfen
Steige hoch, du roter Adler. Kurz vor Ablauf der Legislaturperiode greift die von SPD, CDU und Grünen gestützte Landesregierung noch einmal tief in die Kiste der Nettigkeit. Das Kabinett beschloss in der vergangenen Woche, dass künftig eine »Verdienstmedaille des Landes Brandenburg« an die Brust herausragender Brandenburgerinnen und Brandenburger geheftet werden kann.
Aber gibt es das nicht schon längst? Seit 2005 wird alljährlich der »Verdienstorden des Landes Brandenburg«, seiner Ausprägung wegen auch »Roter-Adler-Orden« genannt, in der Staatskanzlei feierlich verliehen. Als weiland Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) diese höchste Auszeichnung des Landes auf den Weg brachte, steckte das Land tief in wirtschaftlichem und demografischem Schlamassel. Da wirkte die Auszeichnung bei diesem oder jener deplatziert und war nicht selten Gegenstand von spöttischen Bemerkungen.
Inzwischen ist die Liste der Träger des Roten-Adler-Ordens lang, so lang, dass eine Landesregierung nicht mehr unbegrenzt zu diesem Mittel greifen kann. Denn es darf nicht mehr als 300 lebende Träger des Roten-Adler-Ordens geben, und 274 Inhaber umfasst heute schon dieser Kreis der Edlen. Zudem ist die Zahl der jährlich mit dem Orden zu Ehrenden auf 20 beschränkt. Es steht also ins Haus, dass künftige Landesregierungen den Orden gar nicht mehr überreichen können, weil ihre Vorgänger in einer exzessiven Weise von der Möglichkeit, ihn unter die Leute zu bringen, Gebrauch gemacht hatten.
Um dem Land die Peinlichkeit zu ersparen, dass künftige Ehr-Würdige schlicht nicht ausgezeichnet werden können, stiftet Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nun also sechs Monate vor den nächsten Wahlen die neue »Verdienstmedaille«. Sie soll »als Zeichen der Anerkennung und Würdigung ehrenamtlicher Tätigkeiten in allen Lebensbereichen oder für die herausragende Erfüllung beruflicher Pflichten, unternehmerischer Leistungen sowie für besondere Einzelleistungen, zum Beispiel in den Bereichen Sport, Kunst, Kultur, Umwelt oder Soziales, verliehen werden.« So gesehen unterscheidet sie sich also nicht sonderlich vom Roten-Adler-Orden.
Mit Preisen haben wir’s. Eine kleine Auswahl: der Zukunftspreis Brandenburg, der Baukulturpreis, der Innovationspreis Berlin-Brandenburg, der Nachbarschaftspreis, der Preis der Stiftung Zukunft Berlin, der Brandenburgische Freiheitspreis, der Brandenburgische Kunstpreis, der Preis für Zivilcourage, der Pflegepreis, die Medaille des Landtages in Anerkennung ihrer Verdienste für das Gemeinwesen. Mit von der Partie ist auch die Ehrenamtsmedaille, und zusätzlich noch ausgezeichnet wird das »Ehrenamt des Monats«. Als älterer Ostdeutscher fühlt man sich an die DDR erinnert, in der ja auch regelmäßig Orden und Auszeichnungen auf die Menschen herabregneten.
Und es gibt erste Anzeichen dafür, dass die Menschen angesichts der Preiserei unwirsch werden und gerade bezogen auf das Ehrenamt diese Auszeichnungsflut als das ansehen, was sie vermutlich auch ist: Ein Ersatz für Politik und für fehlende finanzielle Mittel. Die Wahrheit ist nun einmal, dass das Ehrenamt in weiten Regionen des Landes am Zusammenbrechen ist. Das lässt sich mit Preisen nicht aufhalten.
Bei der Vorstellung einer brandenburgischen Ehrenamtsstudie vor einiger Zeit sagte Joachim Klewes, die öffentliche Hand in Brandenburg würde mehr Ehrungen, Preise und Auszeichnungen anbieten, als die Ehrenamtler erwarten. Gleichzeitig würden die Befragten angeben, dass sie sich mehr Anerkennung und Respekt für das Ehrenamt wünschen. Für Klewes nur scheinbar ein Widerspruch. Denn »warme Worte« würden eben nicht als Unterstützung und damit als wirksame Hilfe empfunden, sondern eher als der Versuch, sich einen schlanken Fuß zu machen und sich aus der Verantwortung zu stehlen. Im Unterschied dazu seien aber konkrete Hilfen, schnellere Entscheidungen und weniger Bürokratie gefordert.
Linke-Fraktionschef Sebastian Walter sieht in der neuen Verdienstmedaille denn auch ein Wahlkampfmanöver der SPD und vor allem des Ministerpräsidenten. »Wichtiger wäre es, das Geld etwa in die Ehrenamtsagenturen zu investieren, um die Bedingungen für die Ehrenamtler insgesamt zu verbessern – aber genau hier hat die Landesregierung in der aktuellen Legislaturperiode gekürzt.«
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