Maulkorb für Berliner Tierschutzbeauftragte

Offenbar beschneidet der Justizsenat die Unabhängigkeit der Landesbeauftragten Kathrin Herrmann

  • Jule Meier
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie schauen kritisch auf die Themen, mit denen sie befasst sind: Beauftragte des Landes beraten Behörden und informieren unabhängig vom Senat zu Fragen der Gesundheit, Gleichstellung oder zum Tierschutz, so wie Kathrin Herrmann es tut. Doch die seit 2020 amtierende Veterinärmedizinerin ist als Tierschutzbeauftragte womöglich nicht mehr unabhängig. Der CDU-geführte Justizsenat hat sie offenbar in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit eingeschränkt. Ihm zufolge ist sie »weder politisch unabhängig noch fachaufsichtlich weisungsfrei«, heißt es in einer Antwort des Justizsenats auf eine schriftliche Anfrage der SPD- und der Grünenfraktion. Dabei ist die Landestierschutzbeauftragte laut Webseite »fachaufsichtlich weisungsfrei und betreibt eine eigenständige Presse- und Öffentlichkeitsarbeit«.

»Die bereits zum Teil umgesetzten Einschränkungen sowie die geplante Festigung dieser Tierschutz-Zensur ist überaus ärgerlich und nicht passend für eine Weltstadt wie Berlin«, sagt Stefan Taschner, Sprecher für Tierschutz der Grünenfraktion, zu »nd«.

»Tierschutz feiert in Deutschland große Erfolge«, sagt der Tierarzt Karim Montasser, der einen Youtube-Kanal mit 37 000 Abonnent*innen betreibt. In seinem neuesten Video mit dem Titel »Berliner Senatorin schafft Tierschutz ab« meint Montasser, dass die Entmachtung Herrmanns den Anfang einer »bundesweiten Kampagne gegen Tierschutz« markiert. Er nennt drei Gründe, warum die Tierschutzbeauftragte die CDU ärgern könnte: ihr Kampf für tierfreie Forschung, ihre Kritik an der Staatsanwaltschaft und der Normenkontrollantrag für die Schweinehaltung.

November 2023: Die Staatsanwaltschaft Berlin stellt ein Strafverfahren gegen einen Mann ein, der auf öffentlichen Plätzen Tauben lebendig und bei vollem Bewusstsein die Federn ausgerupft und mit einem Obstmesser den Hals durchtrennt haben soll, um sie anschließend zu essen. Laut Zeug*innenaussagen soll er einschreitende Anwesende mit einem Messer bedroht haben. Herrmann schrieb öffentlich, dass die Einstellung des Verfahrens für sie »nicht nachvollziehbar« sei. Die Handlungen stellten einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz dar.

Juli 2023: Eine Recherche der »Berliner Zeitung« legt nahe, dass die zuständige für Tierversuche Experimente genehmigte, obwohl die Anträge zu den Versuchen nicht klargemacht hätten, welche Substanzen den Tieren verabreicht würden. Herrmann forderte daraufhin eine Untersuchung durch den Senat und unterstrich ihr Ziel, Berlin zur »Hauptstadt der tierfreien Forschungsmethoden« zu machen.

Der Justizsenat unter dem Grünen Dirk Behrendt war es, der 2019 Klage beim Bundesverfassungsgericht einreichte: Die Schweinehaltung sei verfassungswidrig. Ein sogenannter Normenkontrollantrag sollte verhindern, dass man »ein 50 Kilogramm schweres Schwein auf einem halben Quadratmeter halten« oder Zuchtsauen so fixieren darf, dass sie sich nicht bewegen können, wie Tierarzt Montasser in seinem Video erklärt. Justizsenatorin Badenberg hatte vor einem Monat im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses davon gesprochen, die Rücknahme des Normenkontrollantrags zu erwägen. Kritik daran gab es unter anderem vom Landestierschutzbeirat. Hermanns Stabstelle ist die Geschäftsstelle des Beirates.

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In einem öffentlichen Brief des Vereins Menschen für Tierrechte nennt dieser Herrmanns mutmaßliche Entmachtung einen »Tierschutz-Kahlschlag«, mit der man der Landesbeauftragten einen »Maulkorb« anlege. Von einer Hauptstadt als »riesigem Absatzmarkt für Schweinefleisch und andere tierische Produkte« spricht der Verein. Für eine unabhängige Landesbeauftragte sprachen sich öffentlich auch die Grünen aus. Tierschutzsprecher Taschner sagt, dass man schon länger gespürt habe, dass Herrmann »keine große Begeisterung« bei der CDU auslöse.

Laut Aussagen der Justizsenatsverwaltung gegenüber »nd« findet keine Beschränkung der Befugnisse der Tierschutzbeauftragten Kathrin Herrmann statt. Ihr selbst zufolge darf sie ohne Einwilligung der Verwaltung nicht mit »nd« sprechen. Eine solche Zustimmung hat es bis Redaktionsschluss nicht gegeben.

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