Opposition siegt über Manipulation bei türkischen Kommunalwahlen

Mit unterschiedlichen Methoden hat die Regierung von Recep Tayyip Erdoğan den Ausgang der Kommunalwahlen zu beeinflussen versucht

  • Svenja Huck, Istanbul
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie bereits im Vorfeld der Regionalwahlen in der Türkei von der Opposition befürchtet, kam es auch dieses Mal wieder zu Wahlmanipulationen von Seiten der Regierung. Durch sogenannte »mobile Wähler« sollte die Stimmenanzahl für die linke DEM-Partei gesenkt und ein Wahlsieg der AKP, Erdoğans Partei, gesichert werden. Dafür wurden am Wahltag Soldaten in die mehrheitlich kurdischen Provinzen gefahren, damit diese dort ihre Stimmen für die Regierungspartei abgeben. Wie zahlreiche Videoaufnahmen vor den Wahllokalen belegen, protestierte die lokale kurdische Bevölkerung gegen diese Praxis, indem sie ortsfremde Wähler lautstark anging.

Während diese Taktik in der südöstlichen Provinz aufging – die AKP gewann dort mit 18 033 Stimmen, DEM folgte mit 15 553 – fuhr die Regierung in der Provinz Van andere Geschütze auf. Mit mehr als der doppelten Stimmenanzahl setzte sich dort der DEM-Kandidat Abdullah Zeydan gegenüber dem AKP-Kandidaten durch und auch in allen 13 Unterprovinzen wurde DEM stärkste Kraft. Doch das Strafgericht in Diyarbakir entzog auf Anweisung des Justizministers dem Kandidaten das passive Wahlrecht. Dabei bezog sich die Staatsanwaltschaft auf ein vergangenes Verfahren gegen Zeydan, das aber bereits abgeschlossen ist.

Daraufhin formierte sich Protest auf den Straßen von Van, auch in größeren Städten im Westen der Türkei solidarisierten sich Oppositionelle mit Zeydan und der DEM-Partei. Im Schnellverfahren entschieden letztlich der Hohe Wahlrat (YSK) und das Strafgericht von Diyarbakir, Zeydan als legitimen Wahlsieger anzuerkennen. Die DEM-Wählerschaft verbucht dies als Erfolg ihres entschlossenen Protests. Nun regieren Zeydan und die Ko-Bürgermeisterin Neslihan Şedal zusammen in Van, wie es für alle von der DEM-Partei gewonnenen Rathäuser üblich ist. In einem Pressestatement sagte Zeydan: »Ich bedanke mich bei all den 85 Millionen Menschen, die sich für Recht und Gerechtigkeit eingesetzt haben, allen voran der Bevölkerung von Van, die für ihren Wählerwillen eingestanden ist.«

Bei den Solidaritätsprotesten in Izmir vergangene Woche wurden mehrere linke Aktivist*innen festgenommen, darunter Sibel Örkmez und Sedanur Uğur von der feministischen Organisation Mor Dayanışma. Ihre Genoss*innen haben eine landesweite Solidaritätskampagne gestartet und fordern ihre Freilassung. Auch in anderen Regionen des Landes wurden die Wahlergebnisse angefochten. Im westttürkischen Kütahya beantragte der MHP-Kandidat eine Neuauszählung der Stimmen, nachdem in der Provinz erstmals seit über 70 Jahren die CHP gewonnen hatte.

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Das Ergebnis wurde zwar minimal korrigiert, jedoch lag die CHP nach wie vor rund 400 Stimmen vor der MHP. Die CHP-Anhänger*innen scherzten: »Nun haben wir schon Anfang April und die CHP gewinnt immer noch die Wahlen.« Gegen eine Wahlwiederholung entschied der Hohe Wahlrat (YSK) hingegen in den Provinzen Hatay, Ardahan und Iğdır. Die Frist für eine Anfechtung der Wahlergebnisse endet am 14. April.

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