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Prozess um Tod von Dramé: Angeklagte Polizisten sagen aus
Die Beamten legitimierten vor Gericht den Tod des 16-Jährigen und zeigten keinerlei Bedauern
Erstmals haben im Prozess um den für den 16-jährigen Mouhamed Dramé tödlichen Polizeieinsatz zwei Angeklagte ausgesagt. Es war der elfte Verhandlungstag vor dem Landgericht Dortmund gegen fünf Polizisten. Sie waren bei dem Einsatz auf dem Hof einer Jugendhilfeeinrichtung Anfang August 2022 in Dortmund dabei, bei dem der Jugendliche aus dem Senegal erschossen wurde.
Am Mittwoch äußerten sich der Einsatzleiter Thorsten H. und der Taser-Schütze Markus B. zur Sache. Auf ein Eingeständnis von Fehlern warteten die Prozessbesucher allerdings vergebens. »Wir waren der Ansicht, als wir noch vor Ort waren, dass der Einsatz gut gelaufen ist«, erklärte Dienstgruppenleiter H. Erst später habe er erfahren, dass der Jugendliche tot sei. Der 55-Jährige betonte, Mouhamed Dramé habe sich mit einem Messer in der Hand nach dem von ihm angeordneten Pfefferspray-Einsatz »zügig« auf die Polizisten zubewegt. Auf Nachfrage des Richters räumte er ein, er habe Dramé erst aufgefordert, das Messer wegzulegen, nachdem bereits Pfefferspray eingesetzt worden war. Gewarnt wurde der Jugendliche zuvor nicht.
Kein Wort des Bedauerns
Weder von dem Einsatzleiter noch von Markus B. war indes ein Wort des Bedauerns zu hören. B. betonte, er habe eigenmächtig beschlossen, den ihm zuvor zugewiesenen Taser zu benutzen, als der junge Senegalese nach dem Einsatz von Pfefferspray aufsprang. Der 34-Jährige erklärte, für ihn sei »schon Gefahr für Leib und Leben gegeben« gewesen. Er habe nicht gewusst, was Dramé mit dem Messer in seiner Hand vorgehabt hätte. Mitarbeitende der Jugendhilfeeinrichtung, in der der 16-Jährige untergebracht war, hatten die Polizei gerufen, weil sie fürchteten, er könnte sich mit dem Messer etwas antun.
Anwältin Lisa Grüter, die die Familie Dramé als Nebenklägerin vertritt, kritisierte das Vorgehen der Polizisten. Die Anordnung und der Einsatz des Pfeffersprays hätten die Lage eskalieren lassen und eben nicht dafür gesorgt, dass Mouhamed Dramé das Messer weglegte, um sich nicht mehr selbst zu gefährden.
Weder der Dienstgruppenleiter noch Markus B. hatten sich indes eindeutig als Polizisten zu erkennen gegeben. »Beide konnten diese Frage nicht eindeutig mit einem Ja beantworten«, sagte Prozessbeobachter William Dountio vom Solidaritätskreis Justice4Mouhamed nach der Verhandlung im Gespräch mit »nd«. Irritierend war für Dountio die Aussage des Taser-Schützen: »Er sagte, dass Mouhamed ihn hätte sehen müssen, hätte er es gewollt. Dabei war der Schütze doch nach eigener Aussage im Gebüsch versteckt, als er mit dem Taser schoss.«
Kritik am Verfahren
Bereits am Mittwochmorgen hatte Justice4Mouhamed kritisiert, dass die Einlassungen der Angeklagten zu spät kämen. »Wir gehen davon aus, dass die Polizisten auf der Anklagebank jede Möglichkeit nutzen, sich in ihrer Sichtweise auf ihren tödlichen Einsatz vor 1,5 Jahren bestmöglich vorzubereiten. Die späten Einlassungen gehören zur Verteidigungsstrategie«, heißt es in einer Stellungnahme. Weiter beklagen die Unterstützer*innen, die große Aufmerksamkeit, die dem Verfahren angesichts der Aussagen der Polizisten nun wieder entgegengebracht werde, sei »der Familie Dramé und der Geschichte von Mouhamed Lamine Dramé noch an keinem einzigen Prozesstag zuteil geworden«. Zudem sei der Wunsch der Brüder des Toten, Sidy und Lassana Dramé, als Nebenkläger ein Statement abzugeben, nicht berücksichtigt worden.
Dramé war von einem Polizisten mit einer Maschinenpistole erschossen worden, kurz nachdem er von anderen Beamten mit Pfefferspray und Tasern angegangen worden war. Fünf Kugeln trafen ihn im Gesicht und im Bauchbereich. Die Staatsanwaltschaft wirft dem MP-Schützen Totschlag, den übrigen Polizisten gefährliche Körperverletzung sowie dem Einsatzleiter Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung vor.
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