• Berlin
  • Energiewende in Brandenburg

In Oranienburg wird der Strom knapp

Stadtwerke können vorerst keine neuen Anschlüsse für Wohnhäuser und Gewerbegebiete genehmigen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Mittwochabend ist der Stadtverordnete Enrico Geißler (Linke) unterwegs und hängt Plakate für die Kommunal- und Europawahl am 9. Juni auf. Da klingelt sein Mobiltelefon. Geißler kandidiert für die Stadtverordnetenversammlung von Oranienburg und den Kreistag Oberhavel und soll »nd« jetzt etwas sagen zu einem Thema, das weit über die Region hinaus für Aufmerksamkeit sorgte.

Die Oranienburger Stadtwerke können vorerst keine Neuanmeldungen von Hausanschlüssen oder Leistungserhöhungen bestehender Anschlüsse mehr genehmigen. Dies betrifft beispielsweise auch Wärmepumpen oder Ladeinfrastruktur für Elektroautos. Neue Gewerbe- und Industriegebiete können ebenfalls nicht ans Netz angeschlossen und mit Strom beliefert werden.

Die Versorgungsmöglichkeiten der wachsenden Stadt seien leider »ausgeschöpft«, teilte Geschäftsführer Peter Grabowsky am 10. April mit. Hintergrund ist ein veraltetes Umspannwerk, das an seine Kapazitätsgrenze stößt. »Wir bedauern diese Entwicklung außerordentlich. Sie ist für alle Beteiligten sehr ärgerlich«, sagte Grabowsky. Ihm zufolge arbeitet sein kommunales Unternehmen zusammen mit dem Hochspannungsnetzbetreiber Edis »mit Hochdruck an einer Zwischenlösung, um den Engpass zu beseitigen, bis der Neubau des Umspannwerks der Stadtwerke Oranienburg in Betrieb gehen kann«.

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»Der Strombedarf unserer wachsenden Stadt hat sich enorm entwickelt, schneller, als es in der Vergangenheit vorausgesehen wurde«, fügte Bürgermeister Alexander Laesicke (parteilos) hinzu. »Hier zeigt sich die Herausforderung, die Infrastruktur genauso schnell auszubauen.« Auch Laesicke verwendete im Zusammenhang mit dem Hochspannungsproblem den Begriff Hochdruck: »Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Stadtentwicklung nicht komplett auszubremsen, sondern ausreichend Leistung zur Verfügung zu stellen für unsere großen Industrieunternehmen genau wie für private Häuslebauer.«

Das bisherige Umspannwerk gehört der Edis AG. Das neue wird die Stadtwerke Oranienburg GmbH selbst bauen. Die Kommune stellt dafür im laufenden Jahr 13,8 Millionen Euro als Eigenkapital zur Verfügung. »Wir müssen jetzt schnellstmöglich Mittel und Wege finden, den Misstand zu beseitigen«, sagte Burkhard Wilde, der im Aufsichtsrat der Stadtwerke sitzt. Für die Kernstadt von Oranienburg und den Ortsteil Sachsenhausen würde es sonst bedeuten, »dass wir in den nächsten zwei bis drei Jahren nicht mehr bauen können«. Der Startschuss für das neue Umspannwerk sei gegeben.

Nach Einschätzung des Stadtverordneten Geißler ist hier etwas »verschlampt« worden. Es hätte offensichtlich schon vor Jahren reagiert werden müssen. Seine Linksfraktion versuche, durch Akteneinsicht herauszufinden, »wer wann was gewusst hat und warum nicht gehandelt wurde«. Eins hält Geißler jetzt schon für »hanebüchenen Unsinn« – die Darstellung, es liege nur an Wärmepumpen und Elektroautos, also an der Energiewende. Oranienburgs Einwohnerzahl sei schnell gestiegen und es haben sich auch Industriebetriebe angesiedelt. Das habe den Strombedarf nach oben getrieben und das sei nicht rechtzeitig erkannt worden.

Von einem verstärkten Einbau von Wärmepumpen, die Gebäude klimaschonend beheizen, aber Strom verbrauchen, war in der Information der Stadtwerke die Rede, aber auch vom Zuzug und vom wirtschaftlichen Wachstum. Die Stadt zählte 1990 etwas weniger als 29 000 Einwohner, vor zehn Jahren waren es schon fast 44 000. Jetzt steuert Oranienburg auf die Marke 50 000 zu. Es gibt mehr als 1700 kleine und mittlere Betriebe und mit Stand Ende 2022 fast 4000 Gewerbeanmeldungen – Tendenz steigend.

Brandenburgs CDU-Landesvorsitzender Jan Redmann sieht jedoch ein »grundsätzliches Problem des zusätzlichen Strombedarfs und der nicht ausreichend ausgebauten Netze« auch an anderen Orten.

So ähnlich ist zu verstehen, was der auf Energierecht spezialisierte Rechtsanwalt Jörn Schnutenhaus dem RBB-Fernsehen sagte: »Es war eigentlich absehbar. Es war nur die Frage, wann es passiert und wo es passiert. Es ist ein Thema, das uns begleiten wird.«

Den im Bundeswirtschaftsministerium tätigen Staatssekretär Michael Kellner (Grüne) ließ der RBB mit folgender Aussage zu Wort kommen: »Dass wir in Neubaugebieten mit Wärmepumpen arbeiten, ist nichts Neues. Das ist seit Jahren klar. Wir reden seit Jahren über den Hochlauf der Elektromobilität.« Die Kommunen seien verpflichtet, vorausschauend zu planen. Was Oranienburg betrifft, sagte Kellner: »Strom ist genug da. Die Stadtwerke müssen dafür sorgen, dass er auch ankommt.«

Nach Einschätzung der Bundesnetzagentur geht der verhängte Anschlussstopp auf ein starkes Wachstum der Kommune in Kombination mit einer um Jahre verspäteten Planung der Stadtwerke zurück. Mehr Wärmepumpen und Ladestationen für Elektroautos spielten demnach beim Strombedarf in Oranienburg eine untergeordnete Rolle. Der Mehrbedarf habe sich vielmehr vor allem durch Industrie, Gewerbe und neue Wohngebiete ergeben. Mit dpa

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