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Als Trapper zur Pariser Abendgesellschaft
Die Serie »Franklin« erzählt von der diplomatischen Mission Benjamin Franklins im vorrevolutionären Frankreich
Als Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der USA, im Jahr 1776 als diplomatischer Vertreter seines Landes in Frankreich ankam, wurde er in den Straßen von Paris wie ein Popstar gefeiert. Diese Szene findet sich auch gleich zu Beginn der Serie »Franklin«, in der der 79-jährige Michael Douglas den streitbaren Mitverfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung spielt.
Der damals 70-Jährige war in Frankreich wegen seiner wissenschaftlichen Arbeiten zur Elektrizität bekannt, gilt Benjamin Franklin doch als Erfinder des Blitzableiters. Weit schwerer tat er sich im Laufe der darauf folgenden acht Jahre, die er in Paris verbrachte, mit den diplomatischen Verhandlungen, um die Unterstützung Frankreichs im Unabhängigkeitskrieg gegen England zu erhalten. Am Ende war der in diplomatischen Fragen eigentlich völlig unerfahrene, aus Boston stammende Drucker, Verleger und Schriftsteller aber sehr erfolgreich mit seiner Mission. Von diesem jahrelangen Aufenthalt erzählt die siebenteilige Serie »Franklin«, die auf dem 2005 erschienenen Sachbuch »A Great Improvisation: Franklin, France, and the Birth of America« der Biografin und Journalistin Tracy Schiff basiert.
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Zu Beginn seiner diplomatischen Mission gelang es Benjamin Franklin nicht einmal, offizielle Verhandlungen mit der französischen Regierung aufzunehmen. Im Hinterzimmer saß er zwar mit Außenminister Charles Gravier, Comte de Vergennes (Thibault de Montalembert) zusammen und verhandelte über Waffenlieferungen und mögliche Unterstützung durch Truppen. Aber die frisch gegründeten USA drohten im Krieg gegen die übermächtige globale Kolonialmacht Großbritannien innerhalb kurzer Zeit unterzugehen. Frankreich verhielt sich lange Zeit abwartend und schwenkte erst ab 1777 auf einen vorsichtigen Unterstützungskurs ein.
Es war unter anderem Franklins diplomatische Kleinarbeit, die dazu führte. Die Serie erzählt auch sehr lebendig und anschaulich vom kulturellen Schock, den der bürgerliche Franklin im absolutistischen Frankreich erlebte, wo er jahrelang zu Gast im Anwesen eines reichen, verschwenderischen Unternehmers logierte, der selbst hoffte, Geschäfte mit der amerikanischen Unabhängigkeit machen zu können und unter anderem Waffen und Schiffe organisierte.
Franklins heranwachsender Enkel William Temple (Noah Jupe) arbeitete für ihn als Sekretär und wurde ebenso wie sein Großvater bald Teil der Pariser Gesellschaft, wo Franklin gerne Aufsehen erregend mit Pelzmütze im Stil eines Trappers aus den Wäldern auftrat und zur Personifikation des um Unabhängigkeit und Freiheit kämpfenden Amerika wurde. Der US-Kongress, der damals noch in Philadelphia tagte, stellte ihm bald John Adams zur Seite, den späteren zweiten Präsidenten der USA, der hier als nerviger Schnösel in Szene gesetzt wird und entsetzt ist von Franklins Pariser Lebensstil, betrieb der seine Diplomatie doch vor allem in der Oper und auf Partys.
Gut ein Jahrzehnt vor der Französischen Revolution wurde der Freiheitskampf in Übersee in den Pariser Salons gerne als etwas Exotisches abgefeiert. »Freiheit oder Tod«, grölt dann sogar der besoffene Adelsnachwuchs bei ausschweifenden Trinkgelagen in der Serie und macht sich dabei aber natürlich auch über Amerika lustig. Ganz ernst mit seinem Einsatz für die junge unabhängige Nation ohne König und Adel meinte es dagegen Temples Freund und Saufkumpan Marie-Joseph Motier, Marquis de La Fayette (Théodore Pellerin), der sogar nach Übersee zum Kämpfen fuhr und sowohl im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg als auch später in der Französischen Revolution als Politiker eine wichtige Rolle spielte.
Auch wenn die Serie fast schon ein bisschen zu beliebig als opulent inszenierte historische Erzählung beginnt, entwickelt sie im Laufe der sieben Folgen eine mitreißende erzählerische Dynamik. Dieses Historiendrama ist eben auch Krimi, Liebesgeschichte, erzählt von geheimdienstlichen Aktivitäten, Großmachtpolitik, familiären Zwisten und fächert dabei ein kulturelles, politisches und soziales Panorama der oberen Zehntausend des vorrevolutionären Frankreich auf.
Manche Bildeinstellungen, etwa wenn die adlige Pariser Jugend in verrauchten Räumlichkeiten enthemmt feiert und überkandidelt geschminkt eng beieinanderhockt und grölt, wirkt das fast wie ein opulentes Ölgemälde. Ganz zum Schluss steht der von Benjamin Franklin maßgeblich ausgehandelte Friede von Paris (1783) und 13 unabhängige Kolonien, die sich zwei Jahre vor dem 250. Jahrestag ihrer Gründung in dieser Serie schon einmal beginnen, selbst zu feiern.
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