- Berlin
- Brandenburger Datenschutzbericht
Krankentage der Beschäftigten im Pausenraum ausgehängt
Landesbeauftragte Dagmar Hartge legt Brandenburger Datenschutzbericht 2023 vor
In zehn Fällen verhängte die Behörde der Brandenburger Datenschutzbeauftragten Dagmar Hartge im vergangenen Jahr ein Bußgeld. Gefordert wurden insgesamt 13 900 Euro. Die mit 10 000 Euro höchste Summe musste ein Lebensmittelgeschäft bezahlen. Es hatte über mindestens vier Wochen im Pausenraum eine Tabelle aufgehängt, der zu entnehmen war, welche der 50 Beschäftigten wie viele Tage nicht zur Arbeit erscheinen konnten, weil sie selbst oder ihr Kind krank waren. Auch das Hamburger Modell, eine Teilzeitbeschäftigung in der Erholungsphase nach einer schweren Erkrankung, war vermerkt. Die Namen von 40 Kollegen waren auf dem Aushang zu lesen, den auch Dritte einsehen konnten, etwa diejenigen, die Waren anlieferten.
Über diesen Fall informierte Hartge am Montag im Landtag, wo sie ihren jüngsten Datenschutzbericht zuvor an Parlamentsvizepräsidentin Barbara Richstein (CDU) übergeben hatte. Die Ladeninhaberin habe das Aushängen der Tabelle damit zu rechtfertigen gesucht, dass sie vor dem Hintergrund der schlechten wirtschaftlichen Lage des Unternehmens habe verdeutlichen wollen, wie schädlich ein hoher Krankenstand sei. Das sei ein »gravierender« Verstoß gegen die Datenschutzbestimmungen gewesen, erklärte Hartge. Die Höhe des verhängten Bußgeldes sei der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens angemessen, also nicht zu hoch angesetzt. Die Inhaberin habe die Summe auch akzeptiert und bezahlt.
Patientenakte aus Neugier gelesen
Hier war immerhin nicht offengelegt worden, unter welchen Beschwerden die Beschäftigten litten. Denn die Diagnosen der Ärzte erhalten die Firmen von den Krankenkassen nicht. Sorge bereitet der Datenschutzbeauftragten indes, dass Beschäftigte in Krankenhäusern immer öfter aus purer Neugier und ohne dienstlichen Grund die Patientenakten von Kolleginnen und Kollegen abrufen und sich Arztbriefe durchlesen und Laborergebnisse anschauen. »Im vergangenen Jahr erhielten wir auffällig viele Meldungen über unbefugte Datenabfragen in Krankenhäusern.«
Was nicht passieren dürfte, aber passiert ist: Die Mitarbeiterin eines ambulanten Pflegedienstes vergaß einen Rucksack, in dem Leistungsnachweise steckten, an einer Straßenbahnhaltestelle. Eine Psychotherapeutin ließ eine Patientenakte in einem Bus liegen. Einem Verein, der Behinderte in Wohngruppen betreut, ging ein USB-Stick mit Daten verloren.
Ebenfalls mit der Gesundheit von Menschen hatte zu tun, was sich die Potsdamer Stadtverwaltung laut Hartge über Jahre hinweg mit Einwohnern leistete. Diese hatten aufgrund ihrer Schwerbehinderung eine Parkerleichterung für ihr Auto beantragt. Die kommunale Fahrerlaubnisbehörde nahm dies zum Anlass, um zu prüfen, ob die Betreffenden zum Führen eines Fahrzeugs überhaupt noch gesundheitlich in der Lage seien. Dazu wurden Gutachten angefordert. Ähnlich ging die Stadt Potsdam vor, als die alten Papierführerscheine gegen die neuen EU-Kartenführerscheine ausgetauscht wurden. Es wurden Personen gedrängt, ihren Führerschein freiwillig abzugeben. Andernfalls wurde ihnen der Führerschein auch entzogen.
Für die Datenschützer, die durch Medienberichte und Beschwerden Betroffener darauf aufmerksam wurden, war dieser Vorgang allein schon deswegen erstaunlich, weil es eine gesetzliche Zuständigkeit der Fahrerlaubnisbehörde für Parkerleichterungen gar nicht gebe.
Natürlich müsse die Stadtverwaltung die Fahreignung prüfen, »wenn konkrete Tatsachen vorliegen, die eine Verkehrsgefährung beim Führen eines Kraftfahrzeugs erwarten lassen«, gesteht die Datenschutzbeauftragte Hartge zu. »Dass jemand einen Schwerbehindertenausweis besitzt, ist jedoch definitiv keine solche Tatsache«, sagte sie. Wohl die wenigsten Schwerbehinderten seien fahruntauglich. »Ich erwarte, dass die Landeshauptstadt Potsdam die richtigen Konsequenzen aus der unzulässigen und diskriminierenden Verarbeitung von Gesundheitsdaten zieht und das Verfahren grundlegend ändert.« Bußgelder gegen Behörden darf Hartge nicht verhängen. Sie hat die schwerste Sanktion gewählt, die ihr hier zur Verfügung steht, und eine Verwarnung ausgesprochen.
Videokameras auf den Pool gerichtet
Die Zahl der bei Hartge und ihren Kollegen eingehenden Beschwerden verharrt nach deren Angaben auf hohem Niveau. 1336 Beschwerden waren es im vergangenen Jahr. Allein 365 Beschwerden bezogen sich auf Videoüberwachungen. Die stets auf einzelne Kameras ausgerichteten Prüfungen der Datenschützer nehmen seit Jahren zu und binden erhebliche Kapazitäten. So hatte es 2022 erst 265 Beschwerden über die Videoüberwachung gegeben.
Im vergangenen Jahr bearbeitete Hartges Behörde gleich mehrere Beschwerden über Videokameras in Ferienwohnanlagen. Zum Teil sahen die Vermieter ihren Fehler ein, zum Teil mussten sie aufgefordert werden, Kameras zu demontierten. In einem Fall kassierte der Verantwortliche eine Verwarnung. Zwar überwachten Kameras bei ihm nicht die Innenräume der Ferienwohnanlage, wohl aber von den Gästen gemeinschaftlich genutzte Bereiche wie den Pool, wo sie sich leicht bekleidet entspannen wollen.
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