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VVN-BdA in Sachsen nimmt Hentschke-Urteil nicht hin
Berufung gegen Gerichtsentscheidung zu Publikation über Rechte in Ostsachsen eingelegt
Das Urteil war deutlich: Im Streit um eine Publikation über »unternehmerisches Engagement für die extreme Rechte in Ostsachsen« erzielte die Bautzner Firma Hentschke-Bau in erster Instanz einen klaren Sieg. Die sie betreffenden Passagen in dem Dossier, für das der NS-Opferverband VVN-BdA juristisch verantwortlich ist, dürfen nicht wiederholt und veröffentlicht werden, urteilte das Landgericht Dresden Anfang April und drohte bei Verstoß ein hohes Ordnungsgeld an. Jetzt ist klar: Das letzte Wort in der Sache ist noch nicht gesprochen. »Wir werden in Berufung gehen«, sagte Silvio Lang, der Landeschef des VVN-BdA, dem »nd«. Das Urteil könne »so nicht Bestand haben«.
Der Verband ist Träger des antifaschistischen Recherchekollektivs 15 Grad, das 2023 ein 18-seitiges Dossier veröffentlicht hatte. Dort wird auch auf das Unternehmen Hentschke-Bau und dessen Geschäftsführer Jörg Drews eingegangen. Er unterstütze »alternative Medien« wie einen lokalen TV-Sender, der Aktivisten der Identitären Bewegung, Reichsbürger und AfD-Größen einlud. Erwähnt wird auch eine Spende von 19 500 Euro an die AfD im Bundestagswahlkampf 2017. Über Drews wird angemerkt, eine »Distanzierung von seiner unternehmerischen finanziellen Unterstützung rechter Meinungsmacher*innen (…) findet sich nicht«. Das »extrem rechte politische Engagement« spiegele sich auch im Unternehmen wider. Unter Verweis auf einen anonymen Hinweisgeber wird auf rechtsradikale Äußerungen in einem Pausenraum der Firma verwiesen.
Nicht zuletzt dieser Vorfall war Thema in der mündlichen Verhandlung am Landgericht im Januar. Als Zeuge wurde unter anderem Oliver Decker gehört, der Direktor des Else-Frenkel-Brunswick-Instituts (EFBI) für Demokratieforschung an der Universität Leipzig. Er berichtete, der anonyme Zeuge habe ihm den Vorfall in einem Gespräch bestätigt. Das Gericht bewertete die Aussage als unzureichend, zumal das Gespräch des EFBI-Chefs mit dem Hinweisgeber erst erfolgte, als klar war, dass das Institut von Hentschke-Bau ebenfalls auf Unterlassung verklagt wurde. Es hatte das 15-Grad-Dossier als »Policy Paper« veröffentlicht. Für die Verhandlung am Verwaltungsgericht Leipzig gibt es noch keinen Termin.
Die Baufirma sah sich durch das Dresdner Urteil von allen Vorwürfen reingewaschen. Man habe sich »erfolgreich« gegen den Versuch des als »sogenannt« apostrophierten VVN-BdA gewehrt, das Unternehmen und dessen Chef »mit Falschbehauptungen und irreführend einseitigen Darstellungen politisch zu diffamieren«, erklärte die Kölner Kanzlei Höcker, die beide vor Gericht vertrat. Drews erklärte, die Studie sei »weder Journalismus noch Wissenschaft, sondern schlicht politischer Aktivismus« mit dem Ziel, ihn zu diskreditieren. Er frohlockte, dem habe das Gericht »Grenzen aufgezeigt«.
Silvio Lang dagegen spricht von einer »einseitigen« Urteilsbegründung, die dem Verband »Tür und Tor geöffnet« habe, die nächste Instanz anzurufen. Befürchtungen mit Blick auf Richter Stefan Dreher, der bis 2018 AfD-Mitglied und Abgeordneter im Landtag war, hätten sich bestätigt: »Was wir an Negativem erwartet haben, ist eingetreten.« Lang verwies unter anderem darauf, dass Widersprüche in den Aussagen zweier Zeugen aus der Firma nicht gewürdigt worden seien. Die Mitglieder des Betriebsrates hatten auf eine interne Anweisung der Geschäftsführung verwiesen, wonach politische Äußerungen an oder in Firmenfahrzeugen unzulässig seien. Schon im Gericht war das durch ein Foto von einer rechten Parole hinter einer Frontscheibe in Frage gestellt worden. Lang verweist nun auf Videoaufnahmen einer Demonstration in Bautzen, an der Hentschke-Fahrzeuge teilnahmen. In der Verhandlung am Oberlandesgericht dürfen im Zuge einer vollständig neuen Beweisaufnahme auch neue Zeugen und Beweismittel eingeführt werden.
Der VVN-BdA kann die juristische Auseinandersetzung auch deshalb weiterführen, weil die Kosten durch die Open Knowledge Foundation übernommen werden, die unter anderem das Portal »Frag den Staat« trägt. Bisher sei ein vierstelliger Betrag angefallen, sagt Lang. Bis in dem Streitfall ein rechtskräftiges Urteil ergeht, bleibt die strittige Publikation weiterhin im Internet zugänglich.
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