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Berliner Stadtpolitik: Zurück auf Anfang
Berliner CDU und SPD wickeln liegenschaftspolitische Zusagen ab
»Herzlich Willkommen zum letzten Runden Tisch Liegenschaftspolitik«, begrüßt dessen Moderator Andreas Krüger zur Sondersitzung. Nein, der Runde Tisch Liegenschaftspolitik, ein über zehn Jahre altes Expertengremium, wird nicht abgewickelt. Doch so, wie es noch vor ein paar Wochen aussah, wäre es am vergangenen Freitag tatsächlich die letzte Ausgabe des Runden Tischs geworden.
»Wir dürfen uns nicht beschweren«, sagt Krüger. Im Haushalt 2024/25 ist wieder vorgesehen, dass eine Koordinierungsstelle für den Runden Tisch eingerichtet wird. Anders ergeht es beispielsweise dem Initiativenforum Berliner Stadtpolitik, das seit 2019 mietenpolitische Initiativen vernetzte, das aber nicht länger vom Senat gefördert wird.
Beim Runden Tisch Liegenschaftspolitik kommen seit 2012 Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft an einen Tisch, um den Umgang mit landeseigenen Liegenschaften zu besprechen. Nachdem zivilgesellschaftliche Proteste den Verkauf öffentlicher Grundstücke stoppten, hatte sich der damalige schwarz-rote Senat der transparenten Liegenschaftspolitik verschrieben. Statt Grundstücke an den Meistbietenden zu verkaufen, werden sie ab Mitte der 2010er Jahre nach der »Stadtrendite« vergeben. Also in der Direktvergabe an landeseigene Wohnungsunternehmen für den Wohnungsbau. Oder in Konzeptverfahren beispielsweise an Akteure, die eine kulturelle Nutzung entwickeln wollen.
Nach langen Kämpfen sitzen jetzt auch Vertreter der Zivilgesellschaft in einem Beirat für den Steuerungsausschuss Konzeptverfahren, in dem darüber entschieden wird, an wen die einzelnen Liegenschaften gehen. »Eine Aufwandsentschädigung bekommen wir aber bis heute nicht, wir machen das ehrenamtlich neben der Vollbeschäftigung«, erklärt Susanne Jahn, eine der im Beirat vertretenen Personen.
Doch auch wenn das Gremium des Runden Tischs Liegenschaftspolitik fortbestehen kann, bei einzelnen konkreten Liegenschaftsfällen sieht es mit der Verbindlichkeit ganz anders aus. »Es geht aktuell um mehrere Immobilien, die für Kulturnutzungen vorgesehen waren und wo die Politik sagt, wir machen das anders und die Grundstücke gehen zurück in die Direktvermarktung«, kritisiert Daniel Wesener, Sprecher für Kulturfinanzierung der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus und früherer Finanzsenator. Allen voran bei zwei prominenten Fällen hat der Senat in den vergangenen Monaten eine Kehrtwende eingelegt und noch unter Rot-Grün-Rot gemachte Planungen abgewickelt.
Einerseits hatte das Land Berlin unter der Vorgängerregierung ein Grundstück an der Osdorfer Straße in Lichterfelde für den Bau eines Atelierhauses ausgeschrieben. Im Januar vergangenes Jahr wurde der Erbbaurechtsvertrag mit der sich um Gewerberäume kümmernden Genossenschaft »Eine für Alle« geschlossen, private Mittel wurden in die Planung gesteckt, nun sollte es eigentlich im Januar 2024 losgehen. Doch die Koalition hat es sich anders überlegt und eine Wohnnutzung für den Standort ins Gespräch gebracht.
Der zweite und prominentere Fall ist die Alte Münze. Noch unter Rot-Grün-Rot wurde sich auf den Weg gemacht, die alte Münzprägeanstalt am Werderschen Markt künftig zu sanieren und sie als einen Kulturstandort für die freie Szene und ein House of Jazz zu entwickeln.
Doch seit einem Beschluss im Hauptausschuss im Dezember soll nun der bisherige Zwischennutzer, die Spreewerkstätten, die in der Alten Münze unter anderem einen Club betrieben haben, in der Direktvergabe einen langfristigen Mietvertrag erhalten. Das Land will dadurch auch Kosten sparen und nur noch die äußerlichen Sanierungsarbeiten finanzieren. Die Spreewerkstätten sollen stattdessen den Innenausbau selbst tragen.
»Eigentlich lässt sich das in zwei Worten zusamenfassen: versprochen, gebrochen«, sagte Christophe Knoch von der AG Alte Münze. Denn die neue Vergabe steht auch im Widerspruch zu der für die Alte Münze erarbeiteten Charta.
»Ich bin schon geschockt, dass Sachen, die vereinbart waren unter Rot-Grün-Rot und mühsam erarbeitet wurden, aufgekündigt werden«, kritisierte am Freitag auch Theresa Keilhacker, Präsidentin der Architektenkammer Berlin. »Verlässlichkeit muss in der Grundstücksvergabe gegeben sein.«
»Natürlich steht die SPD für Verbindlichkeit, aber keiner kann Ihnen diese Verbindlichkeit garantieren«, sagte dann auch Sven Heinemann, Haushaltspolitiker der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, zu den Teilnehmern des Runden Tischs. Angesichts von Zinsentwicklung, Baukostensteigerungen und Haushaltslage könne man nicht alle Projekte so umsetzen, wie man sich das vielleicht einmal vorgesetllt habe. Einen Rückfall in die Liegenschaftspolitik aus der Zeit, bevor es den Runden Tisch gab, soll es aber nicht geben. »Ich will klarstellen, dass es nicht dazu kommen wird, dass etwas verkauft werden soll«, so Heinemann.
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