Linke-Chefin Wissler warnt vor Rechtsruck nach der Europawahl

Insbesondere die Union und konservative Kräfte seien für die Entwicklung verantwortlich, sagte sie bei einer Veranstaltung in Düsseldorf

  • David Bieber
  • Lesedauer: 3 Min.

Linke-Chefin Janine Wissler hat am Montagabend auf einer Veranstaltung in Düsseldorf vor einem Rechtsruck nach der Europawahl gewarnt. Die Ko-Vorsitzende nahm dabei vor allem die bürgerlich-konservativen Parteien und Kräfte in die Schuld.

Bereits vor Jahrzehnten und besonders durch die Gründung der AfD vor elf Jahren wurde laut Wissler augenscheinlich, dass es in Deutschland eine gefährliche Verschiebung nach rechts gibt. Anstatt diese demokratisch zu bekämpfen, wurden hingegen antifaschistische Bündnisses und zivilgesellschaftliche Initiativen gegen rechts gegängelt und sogar kriminalisiert.

Als Hauptschuldigen macht Wissler die Union aus. »Die CDU hat jahrelang die Gefahr von rechts und vom Rechtsterrorismus systematisch verharmlost. Sie hat sie unterschätzt und kleingeredet.« Letztlich, sagte Wissler vor rund 120 Zuhörern, habe die Union Rechtsextreme sogar »in Teilen gewähren lassen«. Wenn die Union jetzt von Brandmauer spreche, sei dies eine Lüge. »Es gibt keine Brandmauer seitens der Union.«

In Landesparlamenten und auf kommunaler Ebene taktierten und votierten CDU und AfD gemeinsam. Die CDU habe gemeinsame Mehrheiten mit der AfD genutzt, um etwa einen Gesetzentwurf im Landtag von Thüringen vorzulegen, sagte Wissler auf der Veranstaltung mit dem Titel »Was tun gegen den Rechtsruck?« in Düsseldorf-Bilk.

Europawahl 2024

Im Juni wird in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union über ein neues EU-Parlament abgestimmt. Dabei zeichnet sich ab, dass rechte Parteien an Einfluss gewinnen könnten. Was ist eine linke Antwort darauf? Und wie steht es um die Klimapolitik der EU? Welche Entwicklungen gibt es in Hinblick auf Sozialpolitik und was ist im Bereich der europäischen Asyl- und Migrationpolitik zu erwarten? Die anstehende Europawahl wird richtungsweisend. Auf unserer Themenseite fassen wir die Entwicklungen zusammen: dasnd.de/europawahl

Es müsste allen klar sein, dass die AfD der parlamentarische Arm des Rechtsradikalismus und des rechten Terrorismus sei. Ganz offensichtlich gibt es
Verbindungen der AfD zu rechtsextremen Gruppen. Eingeschränkt lobende Worte fand sie in diesem Zusammenhang ausnahmsweise für den NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst von der CDU. Wenn Wüst die AfD eine »Nazipartei« nenne, sage er endlich einmal etwas Richtiges.

Wer über die »Nazipartei« spricht, darf aber über den Rassismus der sogenannten Mitte nicht schweigen. Und schon wieder ist man bei der Union. Und der FDP. Der alte und neue Bundesvorsitzende der Union, Friedrich Merz, hat laut Wissler immer wieder mit »rassistischen Ausfällen« letztlich die AfD salonfähig gemacht. Ihr in Teilen nach dem Mund geredet. »Man darf nicht glauben, dass man die Rechten schwächt, indem man ihren Forderungen auch nur einen Millimeter nachgibt.« Das schaffe einen gefährlichen Nährboden und bestärke die Rechten.

Prominente Beispiele seien Merz’ Aussagen zu Migration oder Lindners Aussagen zu Bürgergeldempfängern. Die AfD baue auf diesen Aussagen der Bürgerlichen auf. »Die CDU vergiftet das politische Klima, um eine Stimmung gegen diejenigen zu machen, die für die Missstände in Deutschland nichts können.« Die Sündenböcke seien vor allem Schwache und Migranten. Lindner hetze etwa bei den Bauernprotesten gezielt Landwirte gegen Bürgergeldempfänger auf, kritisierte Wissler.

Mit Blick auf die jüngsten Angriffe auf Politiker in Essen und Dresden fand Wissler klare Worte. Es sei nicht hinnehmbar. »Es darf keine Strategie sein, die Menschen einschüchtern und ihnen Angst zu machen.« Rechte und Demokratiefeinde dürften den öffentlichen Raum niemals besetzen.

Wissler berichtete auch von Angriffen auf Linke-Politiker und -Aktivisten, die beim Plakatieren in Rostock und in Brandenburg angegriffen worden seien. Die Linke-Chefin forderte nicht nur, gegen die Angreifer konsequent vorzugehen, sondern auch den weitverbreiteten strukturellen Rassismus zu bekämpfen. »Wenn wir der Gefahr von rechts entgegentreten wollen, müssen wir auch den strukturellen und alltäglichen Rassismus den Kampf ansagen.« Es könne nicht sein, dass Wohnungssuchende, deren Namen nicht typisch deutsch klingen, kaum vernünftige Wohnung bekommen.

Europa to go

Ein Podcast, der dich anlässlich der Europawahl 2024 ins »Herz« der EU mitnimmt. Begleite uns nach Brüssel und erfahre mehr über Institutionen wie das Europäische Parlament, was dort entschieden wird und warum dich das etwas angeht. Der Podcast ist eine Kooperation von »nd«, Europa.Blog und die-zukunft.eu. Alle Folgen auf dasnd.de/europa

Ein ermutigendes Zeichen seien die Proteste gegen rechts am Anfang des Jahres gewesen. Wissler rief überdies zu einer Massenmobilisierung anlässlich des Bundesparteitags der AfD in Essen auf. »Wir müssen den Nazis den Raum nehmen«, sagte sie.

Als kontraproduktiv und besorgniserregend beurteilte die gebürtige Hessin die bevorstehenden Mittelkürzungen für Initiativen, die sich für Demokratie und gegen Rechtsextremismus einsetzten. Der Kreisverband der Linken hatte mit der Europa-Abgeordneten Özlem Demirel Janine Wissler nach Düsseldorf eingeladen.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.