Georgiens (Alb)-Traum vom Gesetz

Als drittes postsowjetisches Land hat der Kaukasusstaat ein »Ausländische-Agenten-Gesetz« beschlossen

  • Daniel Säwert
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Prolog zum dritten Akt dauerte ganze 67 Sekunden. In einer rekordverdächtig kurzen Sitzung winkte der Rechtsausschuss des georgischen Parlaments am Montag das umstrittene Gesetz »über die Transparenz ausländischer Einflussnahme« durch und machte damit den Weg zur dritten und entscheidenden Lesung am Dienstag im Parlament frei. Abgeordnete der Opposition konnten sich in der Sitzung nicht äußern, sie wurden vor dem Parlament aufgehalten und schafften es nicht mehr rechtzeitig in den Rechtsausschuss. Aus Sicht der Regierungspartei Georgischer Traum war das auch nicht nötig. Die Sitzung habe rein redaktionellen Charakter gehabt, erklärte der Ausschussvorsitzende Anri Ochanischwili.

Nach dem gescheiterten Versuch im Vorjahr versucht die Regierungspartei Georgischer Traum seit drei Wochen das Gesetz »über die Transparenz ausländischer Einflussnahme« durchzubringen. Danach müssen sich Nichtregierungsorganisitionen, die mehr als 20 Prozent ihrer Mittel aus dem Ausland erhalten, als »Vertreter der Interessen einer ausländischen Macht« registrieren. Das Gesetz zwingt Organisationen, ihre Finanzen offenzulegen. Bei Verstößen drohen Strafen von mehr als 9000 Euro. Wegen der Ähnlichkeit zur russischen Vorgehensweise und des ursprünglichen Gesetzestitels sprechen Kritiker vom »russischen Gesetz«, auch wenn Moskau nicht hinter der Initiative steckt.

Regierung spricht von Transparenz, Kritiker von Einschüchterung

Das Gesetz werde für mehr Transparenz und Sicherheit sorgen, verteidigt sich der Georgische Traum. Kritiker halten dagegen und sprechen von Einschüchterung und finanzieller Austrocknung der Zivilgesellschaft. Auch Medien dürften betroffen sein. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur spricht der Leiter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Tiflis, Stephan Malerius, von 4500 bis 5000 aktiven ausländischen NGOs im Land. Deren aus der EU und den USA stammenden Investitionen seien »sehr sinnvoll« gewesen, meint Malerius.

Wochenlang hatten mehrere Tausend zumeist junge Menschen in Tiflis gegen das Gesetz protestiert. Die Polizei griff teilweise brutal durch und setzte neben Tränengas und Pfefferspray vor allem auf Gewalt. Mehrere Demonstranten erlitten teils schwere Verletzungen. In den vergangenen Tagen tauchten zudem maskierte Schlägertrupps auf.

Ausschreitungen nach der Entscheidung

Auch im Parlament kam es zu Tumulten und Schlägereien zwischen Regierungs- und Oppositionsabgeordneten. Am Dienstag brachte der Georgische Traum das Gesetz schließlich mit 84 zu 30 Stimmen durch. Unmittelbar nach der Parlamentsentscheidung kam es erneut zu Protesten und Zusammenstößen mit der Polizei.

Bevor das Gesetz »über die Transparenz ausländischer Einflussnahme« in Kraft tritt, muss Präsidentin Salome Surabischwili unterschreiben, die bereits mehrfach ihr Veto angekündigt hatte. Die in Paris geborene und aufgewachsene Politikerin kam 2018 noch mit Unterstützung des Georgischen Traums ins Präsidentenamt, befindet sich aber bereits länger im Dauerclinch mit der Partei über die Ausrichtung des Landes. Der könnte sich weiter verschärfen, verfügt der Georgische Traum doch über genügend Abgeordnete, um das Veto zu überstimmen.

Westen droht mit Konsequenzen

Aus dem westlichen Ausland kommen warnende Worte und Drohungen. Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages und Hardliner in der SPD, forderte bei seinem gemeinsamen Besuch mit anderen europäischen Parlamentariern in Tiflis EU-Maßnahmen gegen das Land.

Brüssel hatte bereits vor der Annahme das Gesetz als Hindernis auf dem Weg zur Mitgliedschaft bezeichnet. Über Konsequenzen will Brüssel aber erst später beraten. Seit vielen Jahren spricht die EU von einer europäischen Zukunft Georgiens und hält das Land auf unwürdige Weise dennoch auf Distanz. Auch die USA könnten Schritte gegen den Kaukasusstaat unternehmen. Medienberichten zufolge befindet sich der Europa- und Asienbeauftragte des US-Außenministeriums, Jim O’Brien, in Tiflis und hat dort Gespräche mit Premierminister Irakli Kobachidse geführt. O’Brien ist auch für Sanktionen verantwortlich.

Georgien ist die dritte ehemalige Sowjetrepublik, die ein »Ausländische-Agenten-Gesetz« bekommt. Erst kürzlich hatte Kirgistan ein noch strikteres Gesetz als das russische erlassen. Auch Kasachstan hat bereits eine Liste von Organisationen und Personen, die angeblich Gelder aus dem Ausland beziehen, veröffentlicht. Ein Moskauer Masterplan steht jedoch nicht hinter den Gesetzen. Vielmehr dienen sie den Regierenden in Kirgistan und Georgien zum Machterhalt.

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