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Julian Nagelsmann will im EM-Kader keine Überraschungen mehr
Der Fußball-Bundestrainer verzichtet bei der Europameisterschaft in Deutschland auf Mats Hummels und Leon Goretzka
Am Ende richtete Julian Nagelsmann noch mal den Kragen des schwarzen Hemdes und zog das Sakko glatt: Auch das Abschlussfoto mit dem EM-Ball sollte schließlich ordentlich aussehen, nachdem der Bundestrainer die außergewöhnlichste Kadernominierung in der Geschichte der deutschen Fußball-Nationalmannschaft mit durchaus erhellenden Erklärungen unterfüttert hatte. Der 36-Jährige verströmte in Berlin mehr als eine Stunde lang eine Vorfreude, die für die Heim-EM vorbildhaft wirkte.
»Super Truppe – könnte von mir sein. Ist aber unser Kader!« Mit diesem flapsigen Nagelsmann-Sprüchlein endete ein Video der eingespielten 18 Vorab-Nominierungen. Dass dabei eine Rentnerin, ein Friseur und eine Dachdeckerin eingebunden waren, fand der 36-Jährige eine »geniale Idee«, ein erster Schritt, dass sich alle zugehörig fühlen. Die Distanz zu den Menschen wieder zu verringern, auch darum würde sein Team ja spielen: »Es soll sich jeder im Land damit identifizieren.«
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Beim eigentlichen Nominierungstermin des 27 Akteure umfassenden EM-Kaders blieb eine Sensation aus. Auf vier Torhüter – dabei auch Überraschungsgast Alexander Nübel – wäre zwar nicht jeder gekommen, aber Nagelsmann möchte im Training auch mal Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen Pausen gönnen. In dieser Konstellation seien 26 Spieler als endgültiger EM-Kader eine »gute Größe«. Bleiben alle gesund, wird also einen zur Nominierungsfrist bei der Uéfa am 7. Juni noch der Bannstrahl treffen. Die Wackelkandidaten sind vermutlich Robin Koch, Waldemar Anton und der für den angeschlagenen Leroy Sané als Backup nominierte Maximilian Beier.
Keine Einladung haben wie erwartet Leon Goretzka und Mats Hummels erhalten, die der Bundestrainer Anfang der Woche kontaktierte: »Ich hatte mit beiden Gespräche. Natürlich sind die Spieler extrem enttäuscht.« Die Unterredungen mit den Nicht-Berücksichtigten hätten zwischen einer und 22 Minuten gedauert und seien »nicht schön« gewesen, berichtete Nagelsmann über weitere Telefonate. Nur hat die im Frühjahr gegen Frankreich (2:0) und die Niederlande (2:1) überzeugende Mannschaft offenbar auch neben dem Platz so gut funktioniert, dass er diese Gemeinschaft nicht mehr auseinanderreißen wollte. »Wenn du in eine wachsende Struktur, die immer noch fragil ist, viele neue Elemente bringst, stürzt das ganze Haus ein.«
Schon bald wird ohnehin nur noch über diejenigen geredet, die am Sommermärchen 2.0 werkeln. Der Bundestrainer hält es zwar für logisch, wie üblich den EM-Titel anzustreben, andererseits verstehe er das Metier Profifußball auch als Unterhaltungsbranche. Der Vollblut-Trainer möchte also interessante Spiele sehen. »Ich will, dass es begeisternd, mitreißend wird.« Daher könne ein Aus in der K.o.-Runde passieren – und er würde vielleicht trotzdem das Turnier »als gut bewerten«. Das könnte sich im Idealfall mit der Heim-WM 2006 decken, als eine stets schwungvoll am Limit agierende DFB-Auswahl auch als Dritter Begeisterungsstürme durchs Land gejagt hat.
- Tor: Manuel Neuer (Bayern München/38 Jahre/117 Länderspiele), Marc-Andre ter Stegen (FC Barcelona/32/40), Oliver Baumann (Hoffenheim/33/0), Alexander Nübel (Stuttgart/27/0)
- Abwehr: Waldemar Anton (Stuttgart/27/1), Benjamin Henrichs (Leipzig/27/14), Joshua Kimmich (Bayern München/29/84), Robin Koch (Frankfurt/27/8), Maximilian Mittelstädt (Stuttgart/27/2), David Raum (Leipzig/26/20), Antonio Rüdiger (Real Madrid/31/68), Nico Schlotterbeck (Dortmund/24/11), Jonathan Tah (Leverkusen/28/23)
- Mittelfeld: Robert Andrich (Leverkusen/29/3), Chris Führich (Stuttgart/26/3), Pascal Groß (Brighton and Hove Albion/32/5), İlkay Gündoğan (FC Barcelona/33/75), Toni Kroos (Real Madrid/34/108), Jamal Musiala (Bayern München/21/27), Aleksandar Pavlovic (Bayern München/20/0), Florian Wirtz (Leverkusen/21/16
- Angriff: Maximilian Beier (Hoffenheim/21/0), Niclas Füllkrug (Dortmund/31/15), Kai Havertz (Arsenal/24/44), Thomas Müller (Bayern München/34/128), Leroy Sane (Bayern München/28/59), Deniz Undav (Stuttgart/27/1)
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