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Profit durch Krieg und Geflüchtete

Der Berliner Flüchtlingsrat kritisiert die Zusammenarbeit der Politik mit dem Tochterunternehmen des Rüstungskonzerns Serco

Das ehemalige Hotel liegt nur zehn Minuten vom mittlerweile stillgelegten Flughafen Tegel entfernt.
Das ehemalige Hotel liegt nur zehn Minuten vom mittlerweile stillgelegten Flughafen Tegel entfernt.

Wer körperlich fit ist, kommt in Berlin zu Fuß oder mit dem Fahrrad gut rum. Der nächste Supermarkt ist häufig binnen zehn, höchstens zwanzig Minuten zu Fuß erreichbar, für bequeme Tage findet sich auch immer ein Dönerladen um die Ecke. Nicht so für die Bewohner*innen der Geflüchtetenunterkunft am Kurt-Schumacher-Damm im Ortsteil Tegel.

Die Aufnahmeeinrichtung, die vom Tochterunternehmen des Rüstungskonzerns Serco betrieben wird, liegt in einem abgelegenen Gebiet im Norden der Hauptstadt an einer lauten, befahrenen Straße. Um mit dem Nahverkehr in die Innenstadt zu kommen, müssen Bewohner*innen erst einmal zehn Minuten zum mittlerweile stillgelegten Flughafen Tegel laufen, von dort fahren Busse zur nächsten U-Bahnstation. Um Lebensmittel einzukaufen, müssen sie knapp eine halbe Stunde zu Fuß zurücklegen, denn der nächstgelegene Supermarkt ist zwei Kilometer entfernt.

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Allerdings kommt eigenständige Selbstversorgung für die Bewohner*innen der Unterkunft nicht infrage. Denn in der Tegeler Aufnahmeeinrichtung gibt es laut Djairan Jekta vom Flüchtlingsrat Berlin Vollverpflegung. Was zunächst an ein All-inclusive-Buffet aus dem Urlaub erinnert, bringt für Geflüchtete der Gemeinschaftsunterkunft Herausforderungen und Probleme mit sich.

»Es nimmt den Schutzsuchenden die Möglichkeit, eigenständig zu kochen und damit ein Stück Selbstbestimmung und Normalität zu erleben«, erklärt Jekta »nd«. Dass Geflüchtete nicht selbst über ihr Essen bestimmen dürften, stärke das Gefühl der Abhängigkeit und Entmündigung. Außerdem werde bei Vollverpflegung der soziale Aspekt vernachlässigt, kritisiert Jekta. So fördere die gemeinsame Zubereitung und das Teilen von Mahlzeiten »den Zusammenhalt innerhalb der Gemeinschaft«.

Darüber hinaus bemängelt die Mitarbeiterin des Berliner Flüchtlingsrats auch die Qualität der Vollverpflegung. Standardisierte Verpflegung neige zur Eintönigkeit, sagt sie, außerdem werden spezielle Ernährungsanforderungen für Kinder, Schwangere oder chronisch Kranke nicht beachtet. »Kleinkinder können nicht dieselbe Nahrung wie Erwachsene zu sich nehmen. Wenn in der Unterkunft Vollverpflegung angeboten wird, müssen die Bedürfnisse besonders schutzbedürftiger Gruppen sofort berücksichtigt werden«, fordert Jekta.

Dieser Forderung soll das Tochterunternehmen European Homecare (EHC), nicht nachgegangen sein. Laut Jekta soll dort ein Vater per Hausverbot von seiner Familie getrennt worden sein, nachdem er kindgerechte Nahrung, einen kleinen Kühlschrank für Babynahrung sowie passende Windeln für sein Kleinkind gefordert hatte. Solche Maßnahmen seien »katastrophal«, sagt Jekta: »Sie verlieren über Nacht ihre Unterkunft, werden von ihren Familien getrennt und müssen auf der Straße schlafen. Wie soll man diese Situation anders beschreiben?«

EHC ließ eine Anfrage von »nd«, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Indes können sich Interessierte aber die Außendarstellung des EHC von der Aufnahmeeinrichtung ansehen. Auf Instagram veröffentlicht der Account european_homecare_ksd seit Juni vergangenen Jahres in unregelmäßigen Abständen Beiträge zu Events wie Weihnachten, Halloween, dem persischen Neujahrsfest Nowruz oder zum Zuckerfest. Zusätzlich präsentiert der Account Einblicke in die Einrichtung einer Kleiderkammer, ihren Angebotsplänen zur psychologischen Betreuung und Ausschnitte aus den Innenräumen. Die Personen auf den Bildern sind geschwärzt, was auf eine Veröffentlichung ohne Einvernehmen deutet. Der lebendige Alltag der Geflüchteten, wie sie essen, lernen oder anderen Tätigkeiten nachgehen, bleibt verborgen.

Dem Wohlergehen von Geflüchteten stünde vor allem die Zusammenarbeit der Politik mit profitorientierten Unternehmen wie dem EHC im Weg, betont Djairan Jekta vom Flüchtlingsrat Berlin: »Bei der Vergabe von Aufträgen für Geflüchtetenunterkünfte sollte das Prinzip der Wirtschaftlichkeit nicht das Hauptkriterium sein. Stattdessen muss das Wohlergehen der Menschen im Vordergrund stehen, die bereits durch Kriege, autoritäre Regime und Flucht schwer traumatisiert sind«, erklärt Jekta. Ihrer Ansicht nach gehören solche Unterkünfte in gemeinnützige oder öffentliche Hände, weshalb der Flüchtlingsrat die Politik auffordert, die Zusammenarbeit mit dem EHC zu beenden.

Dass insbesondere ein Rüstungskonzern an der Betreibung beteiligt ist, hält Jekta für einen Skandal: »Rüstungsunternehmen haben ein finanzielles Interesse an andauernden Konflikten, da Kriege für sie profitable Geschäftsmöglichkeiten darstellen. Die Nachfrage nach Waffen und militärischer Ausrüstung sorgt für stetig steigende Umsätze und Gewinne«, sagt sie. »Umso perfider ist es, dass Tochterunternehmen solcher Rüstungsfirmen sich nun durch die Unterbringung und Versorgung von Menschen, die vor diesen Kriegen geflüchtet sind, bereichern.«

Anstatt die Unterkunft zentralen Akteuren von kriegerischen Auseinandersetzungen zu überlassen, fordert der Flüchtlingsrat Berlin eine dezentrale Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen, mindestens aber in Gemeinschaftsunterkünften mit Apartmentstrukturen mit Option auf Selbstversorgung. Hoffentlich auch mit einem Supermarkt in Fußnähe, sodass allein die Strecke zum Einkauf nicht gleich über eine Stunde Lebenszeit vergeudet.

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